Die Umweltgeschichte der Industriellen Revolution

Blei, Wolle, Lederriemen: Anhand dieser Stoffe hat der US-Historiker John R. McNeill in der Heinrich-Böll-Stiftung die globalen Folgen der Industrialisierung aufgezeigt. Der Vortrag und der Kommentar von Franz-Josef Brüggemeier (Uni Freiburg) zum Nachhören.

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Was sind die ökologischen Folgen der englischen Textilproduktion?

Prof. John R. McNeill (Georgetown University, Washington) hat am 19. Februar 2016 in der Heinrich-Böll-Stiftung einen beeindruckenden Vortrag über die Umweltgeschichte der Industrialisierung gehalten.

Gegenstand des Vortrags war nicht die Industrielle Revolution selbst, also das Zusammenspiel der technischen Entwicklungen bei der Garn- und Stofferzeugung, der Verbrauch von Kohle, der Eisen- und Stahloutput oder die Entwicklung des Eisenbahnwesens, sondern die Ökologie der Industriellen Revolution. Dieser Wechsel im Fokus der Betrachtung führte weg von England als dem Mutterland der Industriellen Revolution zu den weltweiten Folgen der Industrialisierung, die ihren je spezifischen Ort hatten. Insofern vereint McNeills Zugriff Aspekte von Globalisierung und Regionalisierung.

Der Abend zum Nachhören:

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Im Mittelpunkt des Vortrags standen Fallbeispiele, anhand derer John McNeill die globalen ökologischen Folgen der industriellen Revolution vorstellte. Die Fallbeispiele betrafen einige natürliche Stoffe, die Bestandteile der industriellen Produktion waren, die aber bislang eher als Marginalie betrachtet worden waren. Erst die ökologische Betrachtung der industriellen Revolution verleiht ihnen Signifikanz. Die Fallbeispiele waren Treibriemen aus Leder, Palmöl und Walöl als Schmiermittel, Wolle, Baumwolle und Blei, aber auch der Quebracho-Baum aus dem Norden Argentiniens, aus dem natürliche Färbemittel gewonnen wurden.

Die besten Treibriemen waren aus Bisonleder, und nicht die Jagd nach dem Fleisch der Bisons, sondern der industrielle Bedarf an Bisonleder habe zur fast völligen Auslöschung der Bisonherden geführt. Dasselbe gilt für den Bedarf an Schmiermitteln, der zur Auslöschung von zwei Walarten geführt habe. Fast überall waren die Entwaldung der Regionen bis hin zu ihrer Verwüstung das sichtbarste Resultat, etwa die Abholzung der Neuseeländischen Wälder für die Errichtung von Schaffarmen. Die weiteren Folgen reichten bis zur Vergiftung des Landes und zur Umgestaltung von Flusslandschaften durch den Bleiabbau in Spanien. Mit dem Aufkommen der chemischen Industrie, d.h. der Herstellung von chemischen Ersatzstoffen zu Beginn des 20. Jahrhunderts endete der Vortrag.

Franz-Josef Brüggemeier (Universität Freiburg) begann seinen Kommentar mit der Feststellung, wie produktiv er die Wiedereinführung der Natur als Kategorie in die Geschichte der Industrie sehe, ebenso, dass McNeill die Rückwirkungen aus der Kultivierung und Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe der Industriellen Produktion auf die Herkunftsregionen untersuche. Er betonte, dass aus seiner Sicht die Begriffe Industrialisierung, Kapitalismus und Kolonialismus eine differenziertere Verwendung finden müssten. Schließlich verwies er darauf, dass die Herstellung von Ersatzstoffen durch die synthetische Chemie längst in der zweiten Hälfte der 19. Jahrhunderts begonnen habe. Die Pointe dabei sei in der fundamentalen Folge davon zu sehen, dass der riesige Flächenbedarf für die Erzeugung natürlicher Stoffe mit dem Durchbruch der synthetischen Chemie weggefallen sei.

John McNeill und Franz-Josef Brüggemeier (vorne)

In der weiteren Diskussion wurden mehrere Anregungen formuliert. So gelte es, die Politik und die Menschen einschließlich der Kategorie der Gerechtigkeit stärker einzubringen sowie das Militär als treibende Kraft der Industrialisierung zu berücksichtigen. Zum anderen wurde die Bedeutung weiterer Rohstoffe hervorgehoben und insbesondere auf die besondere Bedeutung von Fleisch, Tee, Kaffee und Zucker für die Industriegesellschaft hingewiesen, so dass schließlich zwei Arten von natürlichen Stoffen nebeneinander standen, solche, die für die Industrielle Revolution entscheidend waren und solche, die sich auf die Bedürfnisse der industriellen Gesellschaft bezogen.

In seinen Antworten stand McNeill dazu, ein Buch schreiben zu wollen, das sich an ein breites Publikum richtet, insofern bekannte er sich zu einer bestimmten Zurückhaltung bei der Verwendung des Kapitalismusbegriffes. Er untersuche die Geschichte des globalen Wandels der Umwelt und die Warenströme der industriellen Grundstoffe und darüber das Wechselverhältnis von Industrialisierung und Umwelt mit einem besonderen Akzent auf die ökologischen Fernbeziehungen.


Der Veranstaltung lag eine deutsch-amerikanische Kooperation zugrunde. Die Vorbereitung lag beim Berlin-Brandenburger Colloquium für Umweltgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin, weitere Kooperationspartner waren die New York University Berlin, das Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin und das Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Moderation lag in den Händen von Astrid M. Kirchhof (Humboldt-Universität) und Jan-Henrik Meyer (Norwegian University of Science and Technology, Trondheim).