Skepsis und Hoffnung: Was Palästinenser von der Konferenz in Paris erwarten

Am Sonntag soll auf der Konferenz von Paris über eine Friedenslösung für den Nahostkonflikt verhandelt werden. Auch die palästinensische Öffentlichkeit ist skeptisch. Doch die Konferenz könnte ein Zeichen setzen, wenn sich die Beteiligten auf verbindliche Mechanismen für weitere Schritte einigen.

Die Konferenz von Paris, die über eine Friedenslösung für Israelis und Palästinenser/innen verhandeln soll, findet zu einer Zeit statt, die von Umbrüchen und Unsicherheit geprägt ist. Umso mehr müssen dort Lösungen gefunden werden; umso mehr muss dort ein zukunftsweisendes Abkommen geschlossen werden. Gelingt dies, würde das auf Seiten der Palästinenser/innen die Zuversicht auf eine friedliche Lösung, wie sie die Mehrheit der Menschen auch wünscht, stärken. Für die Regierung Israels wäre es – auch wenn man das momentan nicht eingestehen will – ein Anreiz, die eigene Position zu überdenken, und eine Zwei-Staaten-Lösung nicht rundweg abzulehnen.

Unabhängig davon, in welchem Zusammenhang man es betrachtet: wenn die Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser/innen schwindet und man diesen Weg nicht weiterverfolgt, dann wird der Konflikt dauerhaft weitergehen. Viele in Palästina misstrauen der Konferenz, ganz gleich, was sie beschließen wird. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie alles versuchen werden, um eine Lösung zu finden. Israel andererseits plant, wie man hört, gar nicht an der Konferenz teilzunehmen. Einige Verbündete Israels sowie israelische Regierungsvertreter/innen verlangten sogar, die Konferenz abzusagen, da es in der Region augenblicklich andere drängendere Konflikte gebe.

Die Konferenz könnte ein Zeichen setzen

Ob der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser/innen andere Konflikte in der Region, wie die Tragödie in Syrien, angeheizt hat oder nicht, eine Konferenz wie jene in Paris, könnte ein Zeichen setzen, dass die internationale Gemeinschaft willens ist, für Konflikte eine gerechte Lösung zu finden. In der gesamten Region wird man genau verfolgen, ob und wie die internationale Gemeinschaft versucht, von Neuem Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu stiften – und ob man ihr trauen kann. Allein aus diesem Grund muss die Not der Palästinenser/innen auch jetzt wieder in den Vordergrund rücken, zu einer Zeit, in der viele Länder in der Region im Chaos versinken.

Auf der Konferenz kann es dabei nicht einfach darum gehen, die Zwei-Staaten-Lösung gegen jene zu verteidigen, die sie kategorisch ablehnen. Israel würde dergleichen einfach abtun, und auch bei den Palästinenser/innen würde dies kein Gehör finden. Auf der Konferenz muss vielmehr genau ausgearbeitet werden, wie die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung Wirklichkeit werden und Bestand haben kann. Eines ist sicher: wenn man sich aus diesem Prozess mit der Begründung zurückzieht, es sei allein die Angelegenheit von Palästinensern und Israelis selbst, eine Lösung zu finden, dann wird dies nur dazu führen, dass Israel seine Übermacht weiter dazu missbraucht, palästinensisches Gebiet im Westjordanland zu beschlagnahmen und zu besiedeln.

Man kann Israel und die Palästinenser/innen nicht einfach sich selbst überlassen! Europa und die USA müssen an Friedensverhandlungen teilnehmen, nicht nur, weil das Machtgefälle zwischen den beiden Parteien so groß ist. Sie müssen sich auch deshalb beteiligen, weil die USA und Europa Israel seit langem politisch unterstützen und Europa zudem auch die Palästinenser/innen finanziell unterstützt. Obendrein ist auch den arabischen Staaten daran gelegen, ihre Friedensinitiative aus dem Jahre 2002 wieder aufleben zu lassen.

Der Gaza-Streifen steuert auf eine Katastrophe zu

Man sollte dabei nicht unterschätzen, wie dringlich es ist, jetzt Lösungswege zu finden. Wie sollen Palästinenser/innen im Westjordanland noch an einen Palästinensischen Staat glauben, wenn sie nur aus dem Fenster schauen müssen, um zu sehen, wie das angrenzende Land, das ihnen einst gehörte, für sie nun ganz unerreichbar ist? Der Gazastreifen steuert auf eine Katastrophe zu, da die Menschen, die dort leben, vom Rest der Welt abgeschnitten sind, Erwachsene und Jugendliche seit Generationen nichts als Arbeitslosigkeit kennen und das Wort „Hoffnung“ für sie jede Bedeutung verloren hat. Politische Spaltungen unter den Palästinenser/innen haben – das gilt insbesondere für Gaza – das Leben der Menschen weiter erschwert. Die Art und Weise, wie Israel mit Palästinenser/innen verfährt, führt den Menschen täglich vor, wie sich die Besatzung, unter der sie seit bald 50 Jahren leben, verfestigt hat.

Die einfachen Leute, die durch die Schwierigkeiten des täglichen Überlebenskampfes allen Mut verlieren, sind deswegen nicht automatisch Gegner israelischer Sicherheitsinteressen. Für sich selbst und ihre Interessen haben sie aber fast alle Hoffnung verloren. Daher haben sie auch keinen Grund, den Beschlüssen einer Konferenz zu trauen, die nicht gewillt ist, das Beschlossene auch vor Ort umzusetzen und die Umsetzung zu überwachen.

Fatah und Hamas müssen sich aussöhnen

Während die palästinensische Öffentlichkeit immer weniger an eine Friedenslösung glaubt, ist es Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörden gelungen, der Internationalen Gemeinschaft begreiflich zu machen, mit welchen Hindernissen sie auf dem Weg hin zu einem unabhängigen Palästina zu kämpfen haben. Gleichwohl muss die Autonomiebehörde weiter an einer Aussöhnung zwischen den beiden wichtigsten Fraktionen, Fatah und Hamas, arbeiten und den seit 2007 bestehenden Bruch zwischen ihnen kitten. Erst dann wird die Palästinensische Autonomiebehörde auch wirklich für alle Palästinenser/innen im Gazastreifen und im Westjordanland sprechen können.

Auf der Pariser Konferenz muss die Internationale Gemeinschaft die Palästinenser/innen dazu ermuntern, sich auszusöhnen, und ein politisches Programm aufzustellen, das sich an internationalem Recht orientiert. Wenn die Palästinensische Autonomiebehörde wieder für alle Palästinenser/innen spricht, könnten bei zukünftigen Friedensverhandlungen die Bedenken ausgeräumt werden, ob ein möglicher Beschluss auch im Gazastreifen anerkannt würde. Diese werden bisher von Israel als Druckmittel eingesetzt.

Da Israel, der zukünftige US-Präsident und auch der amerikanische Kongress die UNO und den Sicherheitsrat scharf für die Verabschiedung von Resolution 2334 kritisiert haben, ist die Konferenz von Paris für die Internationale Gemeinschaft umso wichtiger. Entweder muss die Internationale Gemeinschaft in Paris die Resolution und die Vereinten Nationen eindeutig verteidigen – oder sie wird sich vor dem fehlgeleiteten Zorn Israels und der USA wegducken. Für den Fall, dass die Konferenz der stärker werdenden internationalen Mehrheitsmeinung, dem Völkerrecht und mehreren UN-Resolutionen folgt, sollte die Wahl nicht schwer sein.

Wenn Israel weiter gegen den Willen der dort lebenden Menschen die palästinensischen Gebiete besetzt hält, wird dies nur dem Ansehen des Landes schaden. Gut möglich, dass Israel, wie man dort immer betont, die einzige echte Demokratie in der Region ist. Das jedoch ändert nichts an der Tatsache, dass es in der jüngeren Geschichte auch die einzige militärische Besatzungsmacht ist. Israel sollte mehr für sein Ansehen tun, die verlorene Zeit und die verlorenen Möglichkeiten wettmachen und die Palästinenser/innen endlich in Würde und Frieden in einem zusammenhängenden, selbständigen Staat leben lassen – in einem Staat, der Israel ergänzt und der mit Israel zusammenarbeitet.

Konferenz muss zentrale Probleme angehen

Wenn die Internationale Gemeinschaft Israel sein illegales Vorgehen zum Vorwurf macht, dann ist das nicht anti-israelisch – es stellt nur klar, was Recht ist. Israel muss erkennen, dass es nicht anti-israelisch ist, wenn selbst seine Verbündeten das Land dazu drängen, einen anderen Kurs einzuschlagen, denn der aktuelle Kurs kann nur zu weiteren Konflikten führen. Diskussionen darüber, ob bestimmte Aktionen der Internationalen Gemeinschaft israelfeindlich oder aber anti-palästinensisch sind, fruchten nicht. Sie lenken nur von der Frage ab, was Recht ist, wofür die Mehrheit eintritt und was daher getan werden sollte, damit Israelis und Palästinenser/innen in Zukunft in Frieden leben können.

Die Konferenz kann in ihrem erneuten Fokus auf den israelisch-palästinensischen Konflikt nur dann einen Unterschied machen, wenn auch das zentrale Problem angegangen wird, dass die Palästinenser im Zuge ihrer Anstrengung eines eigenen Staates eine ungehinderte Volkswirtschaft entwickeln können. Darüber hinaus sollten bei der Konferenz für Israel und Palästinenser verbindliche Mechanismen für weitere Schritte und gegenseitige Rechenschaft formuliert werden oder zumindest sollte die gegenseitige Absicht dazu erklärt werden, um die Beziehungen der beiden zu definieren. Zwar gab es Bemühungen, den Preis des Konfliktes zu messen, aber dies reicht nicht aus. Es gilt nicht nur den finanziellen Verlust der Palästinenser und Palästinenserinnen in Bezug auf verlorene Entwicklungsmöglichkeiten, sondern viel mehr ihren Verlust in Bezug auf ihre Bürgerrechte und eine Perspektive auf Frieden zu ermitteln.