Öffentlich-rechtliche Medien im (digitalen) Wandel: Daseinsvorsorge für eine liberale Öffentlichkeit

Veranstaltungsbericht

Die öffentlich-rechtlichen Medien stehen vor vielfältigen Herausforderungen: Wie wird ein hoher Qualitätsstandard auch künftig gesichert? Ist die Beitragsfinanzierung überzeugend legitimiert? Und wie umgehen mit der Verschiebung medialer Kommunikation ins Internet?

Podium auf der Tagung "Öffentlich-rechtliche Medien im (digitalen) Wandel "

Mit den Öffentlich-Rechtlichen Medienanstalten haben wir eine Infrastruktur für die mediale Öffentlichkeit, die uns heute in ihrem Wert nochmal neu auffällt. Eine liberaldemokratische Gesellschaft braucht einen an Qualitätskriterien ausgerichteten Journalismus. Die öffentlich-rechtlichen Medien bilden hierfür den Rahmen. Sie sind gesetzlich beauftragt, nicht-staatlich im öffentlichen Interesse zu arbeiten.

Sie sind durch Gebühren finanziert und durch gesellschaftliche Räte kontrolliert, um unabhängig von Markt und Quoten und in Programmautonomie die Grundversorgung an Information, Kultur und Unterhaltung für die in ihren Interessen vielfältige Bevölkerung sicherzustellen. Mit diesem Auftrag leisten sie die Grundversorgung – das beschreibt der Verwaltungsbegriff der „Daseinsvorsorge“ - für eine liberale Öffentlichkeit.

Zugleich ist der Streit um die Öffentlich-Rechtlichen nicht zu überhören. Er findet statt vor dem Hintergrund der Konkurrenz mit den privaten Medien, des digitalen Wandels in der Medienwelt, einer eher unübersichtlicher gewordenen Welt und einer durch beide Entwicklungen begünstigten populistischen Zeit. Die medialen Veränderungen haben selber spürbare Rückwirkungen auf die demokratische Öffentlichkeit entfaltet, mit denen alle Medienmacher/innen und die ganze Gesellschaft umzugehen haben.

Wie gut lösen die öffentlich-rechtlichen Anstalten die hehren Ziele im raschen digitalen Wandel ein? Wie erfolgreich tragen sie bei dazu, den öffentlichen Raum der vielstimmigen liberalen Demokratie – und darin den harten Job eines guten Journalismus - zu stabilisieren? Was ist dafür wie überhaupt erforderlich, wie viel Wandel steht an? Hierzu sind die Einschätzungen durchaus kontrovers und konfliktreich. Zur Debatte über diese großen Fragen lud die Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit der Otto Brenner Stiftung ein.

Was müssen die Öffentlich-Rechtlichen künftig leisten?

Dr. Christine Horz (Institut für Medienwissenschaften an der Bochumer Ruhr-Universität) sieht sowohl die Öffentlich-Rechtlichen als Institution wie auch die Bürger/innen (als kritische Rezipienten des Angebots) herausgefordert. Sie plädiert für eine engagiertere Medienpolitik. Ihr Kriterium müsse sein, die „soziale Kohäsion“ innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu fördern: Bilden Programminhalte und Programmmacher die Öffentlichkeit ab, über die und für die sie berichten? Von zunehmender Bedeutung sei auch die Transparenz. Die Anstalten müssten stärkere partizipatorische Elemente bei der Erstellung des Medienangebots einführen (etwa Publikumsräte oder Publikumsvereine nach Schweizer Vorbild).

Christine Horz fordert auf, die Medienpolitik „aus den Hinterzimmern“ zu holen. Die Gestaltung des anstehenden Wandels im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollte durch eine breite öffentliche Debatte begleitet werden. Dieser Appell zieht sich durch die Tagungsdebatten: Der Dialog zwischen Öffentlichkeit / Nutzer/innen und öffentlich-rechtlichem Rundfunk soll gestärkt werden – um sich zu verständigen, was von den Sendern erwartet wird, und „Qualität“ auch hiervon abhängig zu beurteilen.

Öffentlich-Rechtliche im Dialog mit ihren Nutzer/innen und Finanzierer/innen: Statt „Spezialistenthema“ und „Hinterzimmer“ ist Mitreden und –gestalten gefordert. So will etwa die Initiative „Rundfunk-Mitbestimmen.de“ eine App schaffen, in der Beitragszahler/innen die Möglichkeit haben, das Angebot der Sender zu bewerten. Die Initiative „Publikumsrat.de“ fordert zur Mitsprache im Programm auf.

Legitimation und Vertrauen - Wer nutzt die öffentlich-rechtlichen Medien?

Prof. Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig erforscht für die Otto-Brenner-Stiftung im Nachgang zur „Mitte-Studie 2016" der Universität Leipzig die Nutzung und Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Rund 60 Prozent der Befragten geben an, Informationen zum politischen Geschehen vor allem über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beziehen. 54 Prozent gaben Tageszeitungen an, rund 20 Prozent den privaten Rundfunk, und weniger als fünf Prozent nannten die Boulevardpresse.

Aufgeschlüsselt nach Parteipräferenz zeigt sich ein erkennbarer Unterschied zwischen den Wähler/innen von SPD, CDU, FDP, Linken und Grünen einerseits, Anhänger/innen der Alternative für Deutschland (AfD) andererseits. Während über 60 Prozent der Anhänger/innen der etablierten Parteien öffentlich-rechtliche Sender und Tageszeitungen als primäre Informationsquelle angaben, waren es im Falle der AfD-Anhänger/innen nur – aber dann auch wieder immerhin - rund 44 Prozent. Die geringste Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur politischen Information wiesen Befragte auf, die als politisch und/oder sozial depriviert zu beschreiben sind, aber auch Befragte, die demokratiefeindlich eingestellt sind.

Bei den 14 bis 30-Jährigen nutzen nur 45 Prozent die öffentlichen-rechtlichen Medien für politische Informationen - gegenüber fast 70 Prozent bei den über 60-Jährigen.

Anhänger/innen von Grünen, SPD, CDU/CSU und FDP halten mehrheitlich die öffentlich-rechtlichen Medien für glaubwürdig (65-75 Prozent). Dem gegenüber äußern sich Nichtwähler/innen mit etwa 40 Prozent und AfD-Wähler/innen mit etwa 25 Prozent deutlich skeptischer, aber auch bei den Wähler/innen der Linken ist es nur jeder zweite. Jüngere vertrauen den öffentlich-rechtlichen Medien weniger als Ältere.

Eindeutig widersprach Brähler der Einschätzung, dass die Medienverdrossenheit in Deutschland zunehme (Stichwort: Lügenpresse). Seit der Wiedervereinigung habe sich die Zahl der Menschen, die den „Medien“ vertrauten, kaum verändert. Bei teils deutlichen Schwankungen nach oben und unten könne doch von einem Trend zunehmender Medienverdrossenheit keine Rede sein, wie eine Untersuchung zum Medienvertrauen 1990-2015 von Reinemann 2016 ergeben hat.

Widerspruch meldete Caja Thimm an: Sie sieht Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Medien parallel zu dem in politische Institutionen sinkend, und zwar speziell bei jungen Menschen. 38 Prozent der jungen Menschen nutzten Facebook als primäre Informationsquelle. In den USA – ganz ohne öffentlich-rechtlichen Rahmen - sind es gar 68 Prozent. Allerdings wünschten sich viele dieser jungen Leute durchaus ein solides „fact-checking“ – und dafür ziehen sie durchaus dann gern die öffentlich-rechtlichen Informationsquellen heran, denen sie auf dem Weg also doch einen Glaubwürdigkeitsbonus zusprechen.

Populismus, hate speech, fake news - Wie sichern wir demokratische Öffentlichkeit?

Prof. Caja Thimm (Universität Bonn, Medienwissenschaft und Intermedialität) trug politische Thesen vor auf Grundlage ihrer mehrjährigen wissenschaftlichen Arbeit. Sie fordert, den Begriffs „fake news“ nicht zu verwenden. Er sei ein ideologisches Konzept zur Weitergabe von Inhalten, die manipulativ, hetzerisch oder rassistisch sind. Es gehe also gar nicht um „falsche Nachrichten“. Der Schulhofspruch erkennt das Prinzip: „Du bist fake-news“ ist als Beleidigung gemeint.

Ähnliches gilt für das Bild von der „Lügenpresse“: Es dient der Bildung eines Feindbildes und der Abschottung. Nicht nur Rechte bilden im Netz eigene Mini-Gruppierungen: Debatten werden in Echokammern geführt, in denen ein Austausch mit Andersdenkenden gar nicht vorgesehen ist. Ausdrücklich plädiert Caja Thimm dafür, sich an diesen Debatten zu beteiligen und argumentativ entgegenzutreten. Die „counter-speech“ sei durchaus effizient.

Caja Thimm mahnt: Der digitalen Zukunft müsse mit einer digitalen Werteordnung begegnet werden – über die wir uns zu verständigen haben.

Öffentlich-rechtliches Internet?

Prof. Dr. Volker Grassmuck (u.a. am Zentrum für Digitale Kulturen/ Universität Lüneburg) vermutet, der derzeit bundesweit eingeführte Übertragungsstandard „DVB-T2“ könnte durchaus der letzte terrestrische Standard zur Verbreitung digitaler Radio-, Fernseh- und Datensignale sein – zumal nur noch ca. sieben Prozent der Zuschauer über „Hausantenne“ öffentlich-rechtliche Sender über den Vorgängerstandard DVB-T empfangen. Eine Abschaffung des terrestrischen Fernsehens sei durchaus realistisch, mittelfristig vermutlich sogar zwingend. Damit stellt sich die Frage: Wie kann die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im Netz aussehen?

Volker Grassmuck stellt das Konzept des „Public Open Space“ vor, einer öffentlich-rechtlichen Plattform, mit der die britische BBC experimentiert und die ausschließlich öffentliche, nicht-kommerzielle Interessen verfolgt. Sie muss sich deutlich von bereits bestehenden privatwirtschaftlichen Plattformen (wie YouTube) unterschieden, deren Nutzung durch Öffentlich-Rechtliche er nur übergangsweise befürwortet.

Öffentlich-Rechtliche richteten sich an Bürger/innen, nicht an Konsument/innen – das ist der kategorische Unterschied. Mit ihrer Unabhängigkeit von der Quote dank der gebührenfinanzierten Einnahmensituation seien sie dezidiert „auf einem anderen Spielfeld“ unterwegs. Dabei müssen sie auf Transparenzforderungen ebenso eingehen wie auf die Gestaltung von Inhalten durch Rezipient/innen bzw die Bürger/innen.

Die Zukunft der Medien findet im Internet statt

Forum mit Volker Grassmuck, Florian Hager (Geschäftsführer "funk") und Oliver Passek (Netzwerk Neue Medien und Fernsehrat bei ARTE).

Die Digitalisierung der Medienwelt ist neben der Demokratisierung die zweite große Herausforderung, vor der der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk steht. Der Rundfunkstaatsvertrag stammt aus einer Zeit, in der das Internet noch gar nicht existierte. Mehrere Novellen des Staatsvertrages arbeiten hier nach, Rahmenbedingungen wurden festgeschrieben, unter welchen Bedingungen die Öffentlich-Rechtlichen Medien im Internet aktiv sein dürfen. Doch vieles ist Auslegungssache - und wird teilweise vor Gericht geklärt. Die Zeitungsverlage wehren sich gegen die beitragsfinanzierten Internet-Aktivitäten, die in Konkurrenz zu ihren eigenen Apps und Internetseiten stehen.

Was die Öffentlich-Rechtlichen Medien im Internet dürfen und was nicht, ist zwar reguliert, aber umstritten. Innerhalb der Häuser gestritten wird auch um die Vergütung, also die Aufteilung der Gelder zwischen den klassischen Formaten (Radio/ Fernsehen) und Experimenten im Netz.  Derzeit gilt zum Beispiel weiterhin die politisch-rechtliche Vorgabe, dass nur solche Inhalte ins Netz gestellt werden dürfen, die „sendungsbezogen“ sind, dh. einen direkten Bezug zum laufenden Radio- oder Fernsehprogramm haben. Öffentlich-Rechtliche dürfen online nicht eigenständig über ein Thema berichten. Unrealistisch sind auch Vorgaben wie ein Verbot von Foto-Downloads: Bilder spielen im Netz eine zentrale Rolle.

Die Debatte ist kompliziert – und muss geführt werden: Denn die Zukunft der medialen Arbeit liegt im Internet, und die Öffentlich-Rechtlichen Medien müssen ins Internet, wenn sie ihren Auftrag erfüllen sollen, sagen die Netzfachleute – nicht zuletzt mit Blick auf die jungen Leute: Sie sind im Netz unterwegs und werden von Öffentlich-Rechtlichen entweder dort oder gar nicht erreicht. Jüngere Studien sprechen von 90 Prozent der jungen Leute, die ihre Informationen aus dem Internet bekommen, 38 Prozent davon von Facebook. Prof. Caja Thimm: „Das würde ich schon sehr ernst nehmen.“

Öffentlich-Rechtliche im Netz: funk.

Auf welchen Plattformen sollen/können öffentlich-rechtliche Inhalte geboten werden? Das große Experiment „funk“ (ein Online-Medienangebot der ARD und des ZDF für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren) gibt es seit 2016 auf YouTube. Geschäftsführer Florian Hager erläutert, dass für "funk" einige der Internet-Regeln für die Öffentlich-Rechtlichen nicht gelten: "funk" sendet nicht im Radio, nicht im Fernsehen, sondern auf kommerziellen Plattformen, wie YouTube oder auch Snapchat.

Hier können viele junge Menschen erreicht werden – es ist aber auch problematisch: Wenn ZDF und ARD die großen kommerziellen/ privatwirtschaftlichen Plattformen nutzen, sind sie von deren Geschäftsgebahren abhängig, auf das sie keinen Einfluss nehmen können. Zugleich steigen offenbar bereits die Werbeeinnahmen bei YouTube: Das öffentlich-rechtliche Angebot wertet die privaten Plattformen auf.

Einerseits ist wohl an den bestehenden privaten Plattformen nicht vorbeizukommen. Dann wäre die Frage: wird der Öffentlich-Rechtliche in diesen Foren demokratischer, offen für user-generated contents und die anhängenden Copyright-Fragen? Gefordert ist Mut, um nicht nur Inhalte zu bieten, sondern Einfluss auf digitale Kultur zu nehmen.

Andererseits geht die Debatte deutlich auch dahin, eine eigene öffentlich-rechtliche Plattform zu bilden, in denen medien- und netzpolitische Standards gesetzt und nicht-kommerzielle digitale Kulturen erprobt werden können. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen Ressourcen in Kooperationen mit Plattformen investieren, die in ihrer Philosophie öffentlich-rechtlich geprägt sind und jetzt schon funktionierende Massenwirkung haben (etwa Modell Wikipedia plus die Mediatheken der Öffentlich Rechtlichen), könnte viel in Bewegung kommen. Volker Grassmuck wiederholt seinen Hinweis auf das BBC-Modell der OpenSource.

Öffentlich-Rechtliche im digitalen Wandel von Öffentlichkeit: Wer vertritt in den Rundfunkräten überhaupt „das Digitale“? Nicht nur Caja Thimm sieht hier Handlungsbedarf, insbesondere um junge Leute bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zu halten. Die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten haben sich auch auseinanderzusetzen mit mächtigen wirtschaftlichen Lobbygruppen, die einem stärkeren digitalen Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kritisch gegenüberstehen. Ideen für eine Gestaltung von Öffentlich-Rechtlichem Internet gibt es – etwa die eines öffentlich-rechtlichen Cloud-TV oder einer commons-getragenen Plattform (Modell BBC, s.o.).

Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Welches Geld wofür?

Forum mit Thea Dückert (Finanzrätin im NDR-Verwaltungsrat, MdB a.D.), Jörg Langer (Autor einer neuen Studie zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien, i.E.) und David Schraven (Publisher und Geschäftsführer bei correctiv.org), Moderation: Vera Linß.

Zunächst präsentierte Jörg Langer einige Auszüge aus der noch nicht veröffentlichten Studie der Otto-Brenner-Stiftung zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien. Diese fordert mehr Finanzierungstransparenz und wirft einige Fragen auf: welche Aufwände, welche Erträge weist die ARD aus? Wie wirken sich die „Sportjahre“ (zB.die Übertragung von Fußballturnieren) auf die Erträge und Aufwände aus?

Langer fordert zudem eine Harmonisierung der diversen Staatsverträge und kritisierte einen nicht hinreichend erklärlichen Widerspruch zwischen der Bedarfsermittlung und der tatsächlichen Kostenentwicklung. Dringend gefordert sei die Umsetzung der EBU-Transparenzkriterien und eine häufigere, genauere Prüfung der Anstalten einschließlich ihrer Beteiligungsunternehmen durch die Rechnungshöfe.

Gute Transparenz wirke sich auch auf die generelle Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen aus, betonte Jörg Langer des Weiteren und warf folgende Fragen auf: Warum werden Zahlen nicht vereinheitlicht veröffentlicht? Wer übernimmt letztendlich die Verantwortung für die Datenveröffentlichung – die Sendeanstalten? Oder die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF)? Bislang scheine es, als ob die Verantwortung hier nur dem jeweils anderen zugeschoben würde. Langers Gesamteindruck: Kommunikation und Medien ändern sich, aber Strukturen (bspw. KEF) sind wie vor 40 Jahren. Welche Akteure können hier zu Reformen beitragen?

Thea Dückert widersprach der oft gehörten Einschätzung, der Verwaltungsapparat der Anstalten sei aufgebläht. Kosten für Programm und Personal ließen sich nicht einfach – wie wiederholt von der KEF vorgeschlagen – auseinander rechnen. Darüber hinaus wies Dückert darauf hin, dass Reduzierungen in Sendungen/Personal/Korrespondenten auch qualitative Programmeinbußen bedeuten würden.

David Schraven kritisierte, viele Informationen müssten erst eingeklagt werden. Zusammen mit einer politischen Abwehr stießen corretiv.org-Recherchen nur in wenigen anderen Themenbereichen auf ähnlich große Schwierigkeiten.

Darüber hinaus wurde mehr Fähigkeit zu Selbstkritik seitens der großen Anstalten gefordert. Transparenz ist nicht nur Frage des Geldes: Informationen werden nicht einheitlich aufbereitet. Missstände seien in der Vergangenheit erst von außen aufgedeckt worden, bevor sich innerhalb der Anstalten etwas änderte.

Das Forum war sich einig, dass es dringend geboten sei, die Ausgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer für Medienschaffende und Publikum verständlich aufgearbeiteten Form mindestens einmal im Jahr bereitzustellen. Thea Dückert wies auf die aus ihrer Sicht ungenügende Kommunikation zwischen Rundfunkräten und den mit ihnen verbundenen Gremien wie beispielsweise der KEF hin. Von David Schraven kam zudem der Hinweis, die Korruption im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit bewährten Mechanismen der Privatwirtschaft zu bekämpfen.

Die Kontroversen um die Finanzierung der Sendeanstalten mobilisieren auch emotional. Moniert wird, dass die 8,4 Milliarden Euro, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Verfügung stehen, derzeit eher intransparent kontrolliert würden. Gefordert ist eine verbesserte und um Vertrauen werbende Aufsicht vor allem im Hinblick auf Transparenz und Kommunikation mit den Beitragszahler/innen. Die Räte und Fachgremien müssten mit politisch unabhängigen Leuten besetzt sein, die in der Lage sind, die Geschäftsberichte tatsächlich zu verstehen.

Erneut wurde heftig kritisiert, dass es immer noch faktisch unmöglich sei, die Finanzsituation verschiedener Sender miteinander zu vergleichen - teils, weil einige Sender nur wenige Zahlen veröffentlichen, oder, falls sie es tun, die Zahlen nicht so aufgearbeitet sind, dass eine Vergleichbarkeit möglich wäre. Der ARD-Sprecher Steffen Grimberg verwies auf eine historisch gewachsene, dadurch komplexe Gemengelage. Teilweise verbiete auch geltendes Recht, bestimmte Zahlen zu veröffentlichen wie etwa zu Arbeitsverträgen mit Führungskräften, die (nach deutscher Tradition) bestimmte Verschwiegenheitsklauseln beinhalten. Insgesamt sei aber die Botschaft längst angekommen - das Ziel der Anstalten sei klar, für mehr Transparenz zu sorgen.

Qualität im Journalismus – Kernelement einer vertrauenswürdigen Medienwelt

Forum mit Leonard Novy (Institut für Medien- und Kommunikationspolitik Köln), Ulrike Winkelmann (Deutschlandfunk/ „Hintergrund Politik“) und Cornelia Haß (Ver.di Medien und GF.DJU), moderiert durch Anne Ulrich (Heinrich-Böll-Stiftung)

Der Begriff „Qualitätsjournalismus“ ist überladen. Hilfreicher ist es, über „Qualität des publizistischen Systems“ zu reden, meint Leonard Novy. Mit Blick auf Vielfalt und Leistungsfähigkeit weise die Bundesrepublik ein durchaus hochwertiges publizistisches System auf. Die politische Debatte sollte sich von der Frage leiten lassen, wie dies angesichts der Krise, in der sich viele Medienhäuser befinden, auch noch in zehn oder 30 Jahren der Fall sein kann.

Wer wird durch den Journalismus, wie er im öffentlich-rechtlichen Rundfunk präsentiert wird, erreicht? Neben dem Vorwurf der „Lücke“ steht der Vorwurf, Elitenkommunikation zu betreiben. Wäre eine leichtere, verständlichere Sprache wünschenswert, um auch soclhe Menschen zu erreichen, die weniger auf „elaborierte Sprache“ orientiert sind? Die Journalistin Ulrike Winkelmann sieht Grenzen dieses Vorschlags: Ein Beitrag über „political correctness, der das wissenschaftliche Konzept mit seinen Anfänge im US-amerikanischen Universitätsumfeld in möglichst einfachen Worten darstellen will, kommt an Grenzen. Journalist/innen stünden häufig vor der Aufgabe, abzuwägen, ob sie näher am Inhalt oder näher bei auch „bildungsferneren“ Hörern sein wollen. Wer zu stark vereinfache, laufe selber Gefahr, Populismus zu betreiben.

Die Gewerkschafterin Cornelia Hass lenkte die Aufmerksamkeit auf die Frage, was guter Journalismus uns wert sei. Sie versichert, dass Intendant/innen sehr am Ziel der „Beitragsstabilität“ interessiert seien, weil sie den öffentlichen Druck spüren. Die Frage der Legitimation der Öffentlich-Rechtlichen sei so deutlich wie nie zuvor. Die Versicherung, dass die Sparbemühungen der Sender ohne Einschnitte im Programm möglich seien, hält Hass aber für unrealistisch. Sendeanstalten, Medienwelt und Gesellschaft müßten diese Qualitäts- und Kostendebatte öffentlich führen. Die Gesellschaft müsse darüber debattieren, welchen Journalismus man wolle. Und sich darüber im Klaren sein, dass dieser Geld koste.

Tatsächlich ist es schon jetzt für viele, insbesondere freie Journalisten kaum mehr möglich von den Honoraren der Medienhäuser zu leben. Arbeitsmöglichkeiten für Journalist/innen bleiben erhalten – der Beruf ist wichtig und nachgefragt, anders als etwa der Facharbeiter in der Druckindustrie. Entscheidend - und keineswegs gesichert - sei aber, ob man als Journalist künftig von seiner Arbeit leben könne. Nachwuchsmangel sei durchaus möglich.

In der Debatte wurde die Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Qualität - gerade vor dem Hintergrund der aktuellen „Fake-News-Debatte“ betont. Dabei müssten die Sender gerade auch dort präsent seien, wo die Bürger/innen verstärkt zu finden sind: im Internet.

Wir brauchen eine öffentliche Debatte und Verständigung darüber, was wir von den Öffentlich-Rechtlichen erwarten. Die Frage, ob Millionenbeträge für Sportrechte ausgegeben werden müssen, gehört dazu. Ebenso die Frage, ob perspektivisch ein Teil der Gebühren für die Stützung des Journalismus außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rahmens verwendet werden müsse.

Öffentlich-rechtliche Medien – Legitimation und Verantwortung in Zeiten des Medienwandels

Podiumsgespräch mit Dr. Karola Wille (Intendantin des MDR und aktuell ARD-Vorsitzende), Tabea Rößner (MdB, medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion), Christian Meier (Medienredakteur WeltN24), Prof. Dr. Christoph Bieber (Universität Duisburg-Essen und WDR-Rundfunkrat), Moderation: Bettina Gaus (taz)

Ein prominent besetztes Podium sprach abschließend über „Öffentlich-Rechtliche: Legitimation und Verantwortung“. Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen zielt u.a. darauf, dass sie zu schwerfällig, zu wenig flexibel im Vergleich zu den Privaten wahrgenommen werden. Jüngst fiel hier vor allem die fehlende Berichterstattung nach der ersten Runde im französischen Präsidentschaftswahlkampf auf.

Entscheidungen der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenredaktionen darüber, welche Themen großgemacht oder als Sondersendung gesetzt werden, erscheint gelegentlich „erratisch“, so Christian Meier. Der Medienjournalist spottete kürzlich in einem Kommentar zu einer möglichen Erhöhung der Rundfunkbeiträge: “Die Öffentlich-Rechtlichen sollten sich weniger fragen, was die Demokratie für sie tun kann, sondern was sie für die Demokratie tun können.“

Dass die Öffentlich-Rechtlichen die demokratische Öffentlichkeit stützen - darüber waren sich alle einig. Aber wie hoch darf so eine „Demokratieabgabe“ ausfallen? Und was genau soll mit dem etwa acht Milliarden hohen Gebührenpaket finanziert werden? Tatsächlich gehen die Aufgaben der Öffentich-Rechtlichen ja weiter als bis zur Finanzierung von konkreten Programminhalten. Rößner und Bieber schlugen vor, Geld auch verstärkt in Aufgabenbereiche wie Öffentlichkeit/Kommunikation, Präsenz der Öffentlich-Rechtlichen in aktuellen Debatten wie etwa um TTIP oder etwa in die Entwicklung von Kontrollmechanismen gegenüber supranationalen Konzernen wie Google zu stecken - oder auch nach Vorbild der BBC in die finanzielle Förderung von Medienkompetenz an Schulen.

Christian Meier wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass allein drei Milliarden des Budgets in die Pensionskassen flössen (was allerdings ein Aspekt von Normalarbeitsverträgen ist, die wir uns ja alle – auch in den Medienberufen – wünschen.). Bettina Gaus fragte, ob angesichts der Gesamtsumme bei ARD & Co nicht zu wenig eigene Produkte speziell bei investigativen Rechercheleistungen entstehen.

Karola Wille widersprach dem und betonte, investigative Leistung, saubere Recherche, Analyse und Einordnung von Themen sei gerade wesentliches Qualitätsmerkmal der öffentlich-rechtlichen  Berichterstattung. Zudem seien einflussreiche investigative Filme (zB. über Waffenexporte und Dopingskandale im Sport) öffentlich-rechtlich entstanden. In Planung sei zudem eine gemeinsame Rechercheeinheit der ARD, denn tatsächlich wolle die ARD hier stärker werden.

Der bereits bestehende Rechercheverbund von WDR, NDR und SZ wurde kritisch diskutiert. Die Intransparenz der Verträge und vor allem die dauerhafte Verquickung von kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Medien bei der Finanzierung findet Christian Meier nicht zulässig. Christoph Bieber schlägt einen Fonds für Recherchemittel vor, auf die sich auch Journalist/innen privater Medien bewerben können.

Wie stärken die Öffentlich-Rechtlichen ihre Glaubwürdigkeit?

Die Glaubwürdigkeit der Öffentlich-Rechtlichen soll sich vor allem auch auf das System stützen, dass verschiedene gesellschaftliche Gruppen in den Kontrollgremien der Sender vertreten sind. Die geforderte Staatsferne habe sich deutlich verbessert, vertritt die Medienpolitikerin Tabea Rößner. Aber bei der Zusammensetzung der Rundfunkräte mangle es oft an jungen Leuten oder Vertretern anderer Religionsgemeinschaften wie etwa Muslime. Sowohl Wille als auch Bieber nannten Langzeitstudien (Universität Mainz, aber auch die am Nachmittag vorgestellte Leipziger Studie der Otto-Brenner-Stiftung), wonach das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien eher wachse. Es besteht eine steigende Nachfrage nach Qualitätsjournalismus, deutlich auch in den USA seit Trump.

Allerdings melden ca. ein Drittel der Befragten ihre Skepsis auch gegenüber Öffentlich-Rechtlichen an. Man habe diese Menschen vernachlässigt und zu wenig gehört, äußerte Frau Wille selbstkritisch. Auch Meier forderte, die Gruppe derjenigen, die den Medien grundlegend misstrauten, mitzunehmen, und auch die Ablehnung im Programm abzubilden. Bieber warnte vor einer drohenden Polarisierung der Medienlandschaft wie in den USA. Gerade die Öffentlich-Rechtlichen müssten Maßnahmen dagegen ergreifen.

In einer kurzen Publikumsrunde wurden verschiedene Punkte vertieft, etwa die fehlende Dialogfähigkeit und Fehlerkultur in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die nur schwer mit Kritik umgehen könnten. Verärgerte Stimmen im Publikum bezogen sich auch auf die Verpflichtung, GEZ-Gebühren zu entrichten, sowie die fehlende Möglichkeit, als Zuschauer damit auch über Inhalte und Programm mitzuentscheiden. Auch die Intendantin Wille beteuerte die Wichtigkeit von mehr Partizipation des öffentlich-rechtlichen Publikums. Auch hier wurde wieder angeregt, eine breitere gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, in welcher Medienlandschaft wir heute leben wollen.

Experimentierfeld Internet

Was sind nun die Herausforderungen für die Öffentlich-Rechtlichen durch die neuen Medien, durch das Internet? Junges Publikum wird dort erreicht. Die amtierende ARD-Intendantin Karola Wille widersprach zunächst der Darstellung der Moderatorin, dass Jüngere sich nicht mehr bei den klassischen Marken informieren würden. Gerade die Tagesschau-App werde von jüngerem Publikum genutzt. Sie ließ aber keinen Zweifel, dass mehr Dialog und Rückkopplung mit den Hörer/innen und Zuschauer/innen erforderlich sei. Konkret werde derzeit über einen permanenten „Zuschauer/innenkanal“ nachgedacht – wir dürfen gespannt sein.

Die ARD-Chefin sieht mit dem Internet-Programm "funk" eine Riesenchance und völliges Neuland für die Öffentlich-Rechtlichen, um herauszufinden, mit welchen Inhalten man junge Leute erreichen kann. Hierfür müssen auch Redakteur/innen gefunden und ausgebildet werden.

Die Grundidee von "funk" leuchtet ein. Doch nicht nur Christian Meier kritisierte an dem Jugendangebot, dass es zu unterhaltungsgesteuert  sei – das aber ist Geschäftsfeld der kommerziellen Anbieter. Bei einem mit rund 45 Millionen Euro finanzierten Experiment könne man erwarten, dass mehr spezifische Bildungsformate bestehen und nach der Anlaufphase nun kritisch geprüft wird, wen und was genau sie erreichten.

Tabea Rößner regte an, "funk" doch auf eine eigene öffentlich-rechtliche Plattform zurückzuholen, um die eigene Marke zu stärken und Vielfalt und Qualität sichtbar zu machen. Auch in dieser Runde wurde kritisch besprochen, dass das öffentlich-rechtliche Angebot bisher die kommerziellen Kanäle stärke, während man keinen Einfluss auf die Werbung hat, die dort geschaltet wird.

Christoph Bieber beurteilte das Problem grundsätzlicher. Durch das Internet und soziale Netzwerke seien User inzwischen Ko-Produzenten, die nicht nur Inhalte konsumieren, sondern auch produzieren. Die Öffentlich-Rechtlichen seien noch viel zu stark auf die klassische Medienproduktion ausgerichtet. Nicht nur FUNK müsse das Publikum in die Produktionsprozesse einbinden. Neue Wege müssen nicht automatisch online oder eine neue App bedeuten - es gebe sie durchaus auch offline und oldschool, so Bieber. Angeraten sein kann auch eine Publikumsrunde, deren Ergebnisse in die Diskussion der Sendung einfließen.

Christian Meier plädierte dafür, den juristischen Kleinkrieg zwischen Zeitungsverlegern und Öffentlich-Rechtlichen (v.a. darum, was genau unter „nicht-sendungsbezogenen presseähnlichen Angebote“ zu verstehen sei) beizulegen und auf einen Kompromiß hinzuarbeiten, der einen Gewinn für Öffentlich-Rechtliche wie für Private im digitalen Wandel der Medienwelt erbringe. Das gemeinsame Interesse muss darin bestehen, die Qualität eines vielfältigen medialen Angebots sicherzustellen.

Die Öffentlich-Rechtlichen sind gesetzt als Rahmen für die mediale Infrastruktur der liberalen Demokratie und als Anker für guten Journalismus. Das fällt in Zeiten autoritärer und nationalistischer Bewegungen und ihrer machtvollen digitalen Kommunikation neu ins Gewicht. Gerade weil sie eine große Verantwortung für unsere liberale Öffentlichkeit haben, hängt ihre Legitimation auch daran, dass sie sich der gesellschaftlichen Kritik stellen und dass sie sich zu einer zukunftstauglichen Weiterentwicklung fähig zeigen.

Eine spannende Schlussfrage nahm das Stichwort auf: Wenn wir sie denn heute erfinden würden – wie sähen sie dann aus, die öffentlich-rechtlichen Medien im digitalen Wandel der Öffentlichkeit?