Sie ist eine der profiliertesten Kommentatorinnen Polens. Die deutsch-polnische Journalistin Aleksandra Rybińska möchte das Abendland vor dem Islam retten – und stolpert dabei über sich selbst.
Dieses Porträt enstand im Rahmen einer Studienreise nach Warschau. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Medienvielfalt, anders“-Programms erzählen in ihren Geschichten von den verschiedenen Gesichtern Polens.
Zweihundert Meter entfernt vom Goethe Institut in Warschau treffen wir uns in einem Café, das Aleksandra Rybińska für unser Treffen ausgewählt hat.
Rybińska ist eine polnische Journalistin beim rechtsorientierten Internetportal wPolityce.pl, der Wochenzeitung wSieci und der Nowa Konfederacja. Die Meinungen von Rybińska sind sogar für den deutschen Durchschnittsleser bzw. die deutsche Durchschnittsleserin ungeahnt kontrovers. Ihre politische Haltung zu Europa, zu Flucht und Migration, zu Merkels Deutschland hat ausgerechnet mit ihrer Bindung zum westlichen Nachbarn zu tun.
Die Geschichte der Aleksandra Rybińska fängt 1976 in Polen an. Schon als Kind musste sie nach Deutschland mit ihrer Familie auswandern. Sie erinnere sich an prägende Momente, an polnische Bilder, wie sie sagt. Rybińska war in fünf verschiedenen Kindergärten, weil sie Verhaltensprobleme hatte. Vergessen wird sie auch nie ihren Hund.
Als Kind hatte sie einen gesunden Hunger und schlich sich immer zu den Nachbarn, um noch mehr bei ihnen zu essen. Die polnische Datscha ihrer Großeltern ist auch noch in ihrem Gedächtnis. Und der Geruch eines Waldbrands, den sie überlebt hat.
Die Flucht nach Deutschland
Ihre Eltern waren Journalist/innen und die polnische kommunistische Regierung mochte ihre Kritik nicht. Ihre Großeltern kämpften zunächst gegen die Nationalsozialisten, dann gegen die Russen, ihre Eltern gegen die Unterdrückung im Kommunismus und im Alltag der Menschen. Die Familie musste also nach Deutschland fliehen. Ausgerechnet in die damalige Hauptstadt Bonn.
Den Moment der Migration bezeichnet sie als “traumatisch”, es war für die post-kommunistische junge Einwanderin beängstigend und undenkbar, dass es keine Lebensmittelmarken in Westdeutschland gab. Nach der Ankunft in Frankfurt mit vielen anderen Geflüchteten schlief die Familie in einem Asylheim mit Matratzen auf dem Boden und war auf Kleiderspenden vom roten Kreuz angewiesen.
Ihre Eltern, erzählt sie weiter, mochten das Leben im Heim nicht. Sie suchten sich Arbeit und waren sich nicht zu schade für handwerkliche Tätigkeiten. Sie zogen in ein Hochhaus und lehnten jede finanzielle Hilfe vom Staat ab. Sie waren zu stolz, um Arbeitslosengeld zu beantragen, dann doch lieber die Wohnung mit Sperrmüll einrichten, dachten sie sich. Als Dekoration hatten sie ein Plakat der Solidarność an der Wand hängen.
Aleksandra Rybińska stilisiert sich als Opfer und Kämpferin zugleich
Die Schule in Deutschland beschreibt sie als “Multi-Kulti”. Die meisten der Kinder haben kein gutes Deutsch gesprochen und deutsche Kinder waren in der Minderheit. Aleksandra Rybińska sagt, dass die anderen Kinder sie gemobbt haben. Deswegen wollte sie besser als alle sein, lernte schnell und akzentfrei Deutsch. Sie liebt es heute, sich zugleich als Opfer und als Kämpferin zu stilisieren.
Die junge Aleksandra Rybińska wollte ursprünglich Ärztin werden, ihr Abitur war aber nicht gut genug dafür. Sie habe kein Problem damit, Blut zu sehen, deswegen war Medizin ihr Traumstudium, sagt sie. Sie orientierte sich um und arbeitete zwischendurch für ein großes, deutsches Technologieunternehmen. Sie war dort sogar Chefin, für 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich.
Sie kamen alle aus Indien und gehörten verschiedenen Kasten an, also wollten sie nicht nebeneinander sitzen, erzählt Rybińska. Sie habe das Problem “mit Gewalt” gelöst, sagt sie ohne zu erklären, wie die Lösung konkret ausgesehen hat. Sie will auch eine Macherin sein, eine, die die Dinge anpackt und, koste es was es wolle, Lösungen findet.
Das Problem für Deutschland und Europa
Ein deutscher Nachbar soll ihre Familie mal als “schmutzig” beschimpft haben, der Hass auf die polnischen Flüchtlinge kam damals aus der Mitte der deutschen Gesellschaft. Und dennoch hat Aleksandra Rybińska ihr Lebenslauf so geprägt, dass sie zu wissen glaubt, wo das Problem für Deutschland und Europa wirklich liege.
“Die Deutschen stehen anderen Völkern sehr kritisch gegenüber, ich nenne es ‘normativer Imperialismus’”, sagt sie. Die Deutschen wollten ein Beispiel für die anderen sein, ihnen vorleben, wie man eine ideale Gesellschaft aufbaut. Sie lastet diesem deutschen Willen die zwei Weltkriege an.
Deswegen habe Deutschland auch ein Problem mit der Europäischen Union. Im Sinne: die können einfach nicht stillhalten, die müssen die Streber in Europa sein. Polen, Griechenland und Italien müssten, aus Berliner Sicht, mehr wie Deutschland sein. Und das ginge nicht. Es klingt tatsächlich so, als ob Aleksandra Rybińska für Vielfalt plädiert.
Allerdings versteht sie Vielfalt ein bisschen anders, als zunächst geglaubt. Vielfalt in der EU und Vielfalt innerhalb eines Landes, das seien zwei paar Schuhe. “Hier in Europa stammen alle Kulturen aus der jüdisch-christlichen Tradition, es gibt nur minimale Unterschiede”, erklärt sie.
Der Islam als "ganz andere Zivilisation”
Der Islam sei nicht nur eine andere Religion, es handele sich hierbei um “eine ganz andere Zivilisation”: Religion, Politik, Rechtssystem. Der Islam könne nicht nur als Glaube existieren, sagt Rybińska, er müsse Gesellschaft und Politik ebenfalls definieren. Sie habe nichts gegen Muslime und Musliminnen, schiebt sie dazwischen, solange diese Muslime und Musliminnen bereit seien, in einer liberalen Demokratie (und ohne Kopftuch) zu leben.
Relativierung sind allerdings ihr Spezialgebiet: Diese “liberalen Muslime” seien natürlich keine wahren Musliminnen und Muslime. Deswegen bleibt für sie der Islam dann doch ein Teufelswerk und nicht kompatibel mit Europa und seiner Moderne.
Rybińska selbst hat aber auch Probleme mit dieser heutigen Zeit. Zum Thema Frauenrechte in Polen behauptet sie, dass Abtreibungen gegen die christlichen Werte verstoßen würden. Überhaupt habe die Befreiung der Frau zu Pornographie und Sittenverfall geführt. Deswegen seien auch so viele Ü-40-Frauen alleine und fänden keine Männer mehr, die sich um sie kümmern.
Wenn Frauen genau so viel wie die Männer verdienen, bräuchte man die Männer ja gar nicht mehr. Und irgendwie, scheint es, hat Aleksandra Rybińska Angst vor diesem Szenario. Sie setzt sich, könnte man überspitzt formulieren, für ein polnisch geprägtes Christentum ein, das der Gesellschaft und Politik diktiert, wie die ideale Form des Zusammenlebens aussieht.