Energiesprong: Warmmietenneutrale Sanierung als Programm

Best Practice

Im westfriesischen Ort Heerhugowaard in den Niederlanden hat die dortige Wohnungsbaugesellschaft BAM Wonen inzwischen mehr als 80 Reihenhäuser aus den 60er Jahren energetisch von Grund auf saniert. Das Prinzip: Serielle Sanierung mit vorproduzierten Bauteilen nach dem Grundsatz der Warmmietenneutralität.

Warmmietenneutrale Sanierung von Reihenhäusern
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Ein Reihenhaus nach den Sanierungsarbeiten.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Klimasozial sanieren".

Energiesprong ist ein holländisches Projekt, bei dem Reihenhäuser in Serie saniert werden. Das Ziel ist, dass die Häuser sich selbst mit Energie versorgen und so zu Null-Energie-Häusern werden.

Dabei soll die Warmmiete nicht steigen, also die Summe aus Kaltmiete und Energiekosten gleichbleiben. Die Kosten werden nicht durch Mieterhöhungen, sondern durch Energieeinsparung refinanziert. Möglich wird das durch die Verwendung industriell vorgefertigter Wärmedämmung (serielles und modulares Bauen), aber auch dadurch, dass keine „Modernisierungsumlage“ besteht.

Die Deutsche Energie-Agentur und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) haben 2018 ein Modellprojekt zur seriellen Sanierung von Mehrfamilienhäusern gestartet, um diesen Markt für Deutschland zu erschließen (Energiesprong Deutschland). Allerdings bezieht es sich zunächst auf die Anwendung der industriellen Vorfertigung mitsamt der Kosternersparnisse, aber nicht auf das Prinzip der Warmmietenneutralität.

Energiesprong in den Niederlanden

Astrid André war eine der Mieter/innen, deren Haus 2014 als eines der ersten nach der „Energiesprong-Methode“ modernisiert wurde. Sie wohnte seit 1965 in ihrem Reihenhaus in Heerhugowaard. Bei ihr gingen die Arbeiten 1. April 2014 los und waren in der ganzen Häuserzeile nach fünf Wochen beendet. Sämtliche Arbeiten sollten eigentlich sogar nur zehn Tage dauern. Aber das hat sich dann als nicht machbar herausgestellt. Inzwischen dauert die Sanierung nicht mehr fünf, sondern drei Wochen.

Sanierte Häuserreihe

André berichtet: „Das Haus wurde schon ein paar Mal renoviert, aber das hat nicht sehr viel gebracht: Im Winter ist es immer kalt gewesen und hat durch die Fenster gezogen – das ist eben der Baustandard der 60er Jahre. Die Folge waren auch hohe Heizkosten.“ Das sollte sich ändern.

Zero-Meter-Home

Dazu hat das Haus eine ganz neue Wärmedämmung bekommen, dreifach-isolierte Fenster, auf dem Dach wurden 28 Solarzellen montiert und für die Heizung und Warmwasser wurde eine Wärmepumpe installiert. Die Luft-Wasser-Wärmepumpe steht in einem kleinen Schuppen im Garten. An normalen Tagen reicht die Energie der Solaranlage aus, um die Wärmepumpe zu betreiben. Darum gibt es jetzt keinen Anschluss an das Gasnetz mehr.

Das nennt sich NetZero-Standard: Das Gebäude produziert so viele Energie, wie seine Bewohner/innen über das Jahr gesehen für Wärme, Warmwasser und Haushaltsstrom benötigen. Das Solarsystem auf dem Dach liefert den Strom direkt ins öffentliche Netz, arbeitet also noch ohne Batteriespeicher. Dafür beziehen die Mieter/innen wenn nötig zusätzlichen Strom von einem Stromanbieter.

Während der ganzen Renovierung hat Frau André weiter in ihrem Haus gewohnt: „Auch wenn das mehr ein Camping war, weil ich kein laufendes Wasser hatte und mir mit Wasserflaschen und einem anderen Bad behelfen musste. Das war ein ziemliches Abenteuer. Aber die Leute von Energiesprong haben uns immer gut über den Fortschritt informiert. Das hat es erträglich gemacht.“

Saniertes Reihenhaus Vergleich vorher nachher

Datenblatt: Sanierung mit Energiesprong in Heerhugowart, Niederlande

  • Reihenhäuser, 80 Wohnungen saniert zum Zeitpunkt der Datenermittlung
  • Eigentümerin: BAM Wonen
  • Wohnungsgröße: z.B. 88 m²
  • Von Erdgas zu Strom (Wärmepumpe)
  • Endenergiebedarf reduziert auf 40 kWh/m² im Jahr
  • Verbrauch: von 16.870 kWh Gas und 3070 kWh Strom zu 0 kWh Gas und 6000 kWh Strom
  • Energetische Maßnahmen: Dach und Wand mit vorgefertigten hoch wärmegedämmten Holzrahmen-Fertigteilen verkleidet; Fenster dreifach verglast; Luft-Wasser-Wärmepumpe; Solarstrom vom Dach
  • Modernisierungsumlage (max. 11 %): Das Projekt wurde in den Niederlanden realisiert. Das Prinzip war, die Kosten ausschließlich über die Energieeinsparung zu refinanzieren und nicht auf die Mieter/innen umzulegen.
  • Kaltmiete:     2013     185 €
  • Kosten für Wärme und Haushalts-Strom:     2013     585 €
  • Warmmiete:     2017     785 €     nach der Sanierung einschließlich Stromkosten
  • Besonderheiten: warmmietenneutrale Sanierung durch Ausschreibung großer Bestände und industrielle Vorfertigung, Sanierung einer Häuserzeile in drei Wochen

Die Miete bleibt gleich

2013, also vor der Sanierung, hat André 185 Euro Miete im Monat bezahlt und 585 Euro für Gas und Strom. Das macht insgesamt 770 Euro Warmmiete im Monat. 2017 – also nach vier Jahren – beläuft sich die Warmmiete auf monatlich 785 Euro. Die 785 Euro entsprechen also genau der alten Miete plus Inflationsanpassung.

Damit haben Energiesprong und der Hauseigentümer BAM Wonen ihr Versprechen gehalten. Die Mieterin sagt: „Wenn das nicht hinkommt, dann schauen die Berater von Energiesprong und dem Eigentümer sich erst mal mit dem Mieter/innen zusammen an, ob etwas falsch läuft, ob es einen unnötigen Energieverbrauch im Haus gibt; oder auch, ob man laufend die Fenster offen stehen hat. Eine normale Familie sollte mit 6000 Kilowattstunden Strom pro Jahr aber eigentlich auskommen.“

Ihr Verbrauch war allerdings 2015, im ersten Jahr nach der Sanierung, höher. Diese Mehrkosten hat der Hauseigentümer dann tatsächlich übernommen. Heute lässt André die Lampen nicht mehr unnötig brennen und achtet darauf, dass Türen und Fenster nicht lange offen stehen. Sie duscht sogar kürzer als früher. Die Sanierung habe ihren Blick auf den Energieverbrauch und auf Umweltschutz geschärft.

Sehr zufrieden mit dem neuen Haus

Mieterin Astrid André

Astrid André ist sehr zufrieden mit den „neuen“ Haus: „Es fühlt sich jetzt warm und gemütlich an, und der Wind pfeift nicht mehr durch die Ritzen. Zu den wichtigsten Dingen rund um die Renovierung zählt für mich aber auch eine gute Kommunikation des Hauseigentümers mit den Mieter/innen. Denn die ganze Sanierung ist ein komplizierter Prozess.“

Die Erfahrung mit der Sanierung hat sie dazu gebracht, jetzt selber als Energiecoach zu arbeiten: „Ich halte kleine Vorträge und beantworte die Fragen, die andere Mieter haben, bei denen Energiesprong sanieren möchte. Die häufigste Frage ist dann: Was kostet mich die Sanierung und wie dauert es. Da kann ich dann immer wieder sagen: Es kostet nichts und nach drei Wochen bekommt man eine bessere Wohnung zurück.“

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Klimasozial sanieren". Die Bilder in diesem Artikel wurden uns freundlicherweise von Stroomversnelling.nl zur Verfügung gestellt.