Die Auswirkungen der aus den Fugen geratenen Plastikproduktion auf die Umwelt sind bekannt und unübersehbar. Verborgen bleiben die gesundheitlichen Folgen für den Menschen – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung.
Der Lebensweg vieler Plastikprodukte beginnt bei Erdöl oder Erdgas. Während der Förderung, insbesondere im umstrittenen Fracking-Verfahren, gelangen giftige Substanzen in Luft und Wasser. Mehr als 170 Fracking-Schadstoffe stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen, Fortpflanzungs- und Entwicklungsstörungen zu verursachen oder das Immunsystem zu schädigen. Besonders betroffen sind – auch durch die hohe Dichte an Diesel-Trucks – die Menschen in der Umgebung von Fracking-Regionen. Bis zu 6000 LKW-Ladungen Ausrüstung, Wasser und Chemikalien sind nötig, um ein Gebiet zu erschließen. US-Studien weisen darauf hin, dass werdende Mütter, die in der Nähe von Fracking-Bohrstellen leben, ein erhöhtes Risiko für komplizierte Schwangerschaften und Frühgeburten haben.
Damit aus Erdöl sortenreines Plastik werden kann, wird es gereinigt und in kleine Moleküle aufgespalten. Nach dem Baukasten-Prinzip entstehen durch Chemikalien, Hitze und Druck aus kleinen Bausteinen große Plastikmoleküle. Zahlreiche Zusatzstoffe sorgen für die gewünschten Eigenschaften des Materials. Dank Weichmachern verwandelt sich hartes PVC in ein Planschbecken. Fluorierte Verbindungen werden zur Imprägnierung von Outdoor-Jacken verwendet. Bromierte Substanzen dienen als Flammschutzmittel in Elektrogeräten und Möbeln. Durchschnittlich enthalten Plastikprodukte rund sieben Prozent solcher Zusatzstoffe. Bei einem Ball aus PVC können Weichmacher bis zu 70 Prozent des Gesamtgewichts ausmachen.
Viele dieser Additive sind gesundheitsschädlich. In Dänemark musste 2018 eine ganze Serie von Spielzeugen aus Weichplastik vom Markt genommen werden. Auch das EU-Schnellwarnsystem RAPEX für den Verbraucherschutz markiert Schadstoffe in Produkten wie Spielzeug und Kleidung als eines der drängendsten Gesundheitsprobleme. Da die Zusatzstoffe im Plastik nicht fest gebunden sind, entweichen sie mit der Zeit und reichern sich in Innenraumluft und Hausstaub an. Mit den Produkten gelangen die Schadstoffe also direkt in Schlaf- und Kinderzimmer und über die Atmung auch in den Körper.
Im Blut von schwangeren US-Amerikanerinnen wurden im Schnitt 56 verschiedene Industriechemikalien gefunden. Viele dieser Stoffe kommen auch in Plastikprodukten bzw. bei deren Herstellung zum Einsatz. Natürlich kann nur nachgewiesen werden, was auch gemessen wird. Tatsächlich also können noch weit mehr Fremdstoffe vorhanden sein. Untersuchungen aus Deutschland zeigen, dass vor allem Kinder zum Teil sehr stark mit Weichmachern belastet sind, die sich schädlich auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken können. Bezogen auf ihr Körpergewicht atmen sie mehr Luft ein als Erwachsene und haben eine höhere Stoffwechselrate. Außerdem spielen sie häufig auf dem Boden und sind größeren Mengen an Schadstoffen ausgesetzt.
Besonders Besorgnis erregend ist dabei die Gruppe der hormonell wirksamen Substanzen, zu denen auch viele Weichmacher gehören. Diese Stoffe ähneln den körpereigenen Hormonen und bringen das fein austarierte Hormonsystem des Körpers aus dem Gleichgewicht. Eine Vielzahl von Erkrankungen und Störungen wird mit hormonell wirksamen Substanzen in Verbindung gebracht. Dazu gehören Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, Fettleibigkeit, Allergien und Diabetes.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es nur schwer möglich, belastete Produkte zu erkennen. Anders als bei Körperpflegeprodukten müssen Hersteller von Spielzeug, Möbeln oder Textilien die Chemikalien nicht kennzeichnen. Innerhalb der EU hat jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht, die Hersteller nach Schadstoffen zu befragen. Dieser muss nach der EU-Chemikalienverordnung innerhalb von 45 Tagen antworten. Das Problem ist allerdings, dass viele Firmen gar nicht wissen, welche Chemikalien in ihren Produkten enthalten sind. Eine Deklarationspflicht entlang der Lieferkette würde Verbrauchern und Verbraucherinnen sowie Händlern und Händlerinnen weiterhelfen.
Auch die Kreislaufwirtschaft würde davon profitieren. Wenn schadstoffhaltiges Plastik recycelt wird, sind unwillkürlich auch die neuen Produkte belastet. Nach Untersuchungen von Umweltorganisationen aus 19 europäischen Ländern enthielt jedes vierte Produkt aus recyceltem Kunststoff gesundheitsschädliche Flammschutzmittel. Die Giftstoffe in den Recyclingprodukten stammen größtenteils aus Elektroschrott, dessen Einzelteile zu Billigprodukten weiterverarbeitet wurden. Schadstoffhaltigen Plastikmüll zu recyceln schadet vor allem den Menschen, die den Müll in seine Einzelteile zerlegen müssen, damit er wiederverwertet werden kann. Durchbrechen ließe sich der toxische Kreislauf, wenn die Produzenten auch bei der Entsorgung stärker in die Pflicht genommen würden. Generell gilt: Was vorne nicht eingesetzt wird, kann hinten nicht herauskommen.
Weltweit betrachtet spielt die Wiederverwertung von Plastik allerdings eine untergeordnete Rolle. Auch in Deutschland wird mehr als die Hälfte der Plastikprodukte verbrannt. Aber damit ist man den Müll noch lange nicht los. Je nach Art der Verbrennung entstehen zahlreiche Giftstoffe, die von der Umwelt kaum abgebaut werden. In Bleicherode, einem Dorf in Thüringen, werden die Rückstände aus den Filtern der deutschen Müllverbrennung in Bergwerken gelagert: Dioxine, Blei und Furane, in Salzlösung verflüssigt. 350 000 Tonnen Staub und Asche kommen jedes Jahr in Bleicherode an – in 15 Jahren ist das Endlager voll.
Ein Beitrag aus dem Plastikatlas.