Belarus: Verbot nach 25 Jahren Umweltengagement - Die NGO Ecohome im Porträt

Porträt

In Belarus geht das Regime Lukaschenko massiv und systematisch gegen zivilgesellschaftliche Akteure vor. Ein ganzes Spektrum von NGOs, Non-Profit-Organisationen, Einrichtungen, Vereinen und Initiativen ist von der erklärten „Säuberung“ betroffen. Was dabei verloren geht, zeigt das belarussische Onlinemagazin Reform.by in einer Reihe über die betroffenen NGOs.

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„Ein Foto zur Erinnerung, in der Hoffnung, dass alles wiederaufgebaut werden kann, bevor diese Aufnahme vergilbt“, wie die Journalist:innen zur Einführung schreiben.

Ein Porträt aus dieser Reihe widmet sich Ecohome (bzw. „Ekodom“), der ältesten und renommiertesten belarusischen Umweltorganisation, die das Oberste Gericht von Belarus am 31. August für aufgelöst erklärte. Wie Ecohome entstanden ist, wie und wofür sich die Aktivist:innen engagierten, wie eine Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden möglich war und schließlich aufgekündigt wurde erfahren Sie aus diesem Text von Jewgenija Dolgaja und Irina Kupzewitsch. Wir publizieren den Text in einer leicht gekürzten Fassung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von Reform.by.[2] Übersetzt aus dem Russischen von Wanja Müller.

Ecohome

Ecohome war eine der ältesten und angesehensten Umweltorganisationen des Landes. Am Vorabend der Liquidierung feierte die NGO 25 Jahre ihres Bestehens. Doch ihre Geschichte begann noch früher. Ecohome ist aus der Jugendorganisation „Next Stop – New Life“ hervorgegangen, die mit Opfern der Tschernobyl-Katastrophe arbeitete. Partnerorganisationen in Deutschland und den Niederlanden verkauften Bilder und Zeichnungen von Kindern aus der Tschernobyl-Zone. Dieses Geld wurde dazu genutzt, um betroffenen Kindern einen Erholungsaufenthalt am Baikalsee zu ermöglichen.

Doch dann stiegen die Reisekosten enorm und die Aktivist:innen entschieden sich, einen sauberen Ort in Belarus zu suchen, um dort ein ökologisches Bildungszentrum aufzubauen. Zum September 1995 wurde ein vorläufiger Entwurf für ein „Ecohome“ erarbeitet. Doch auch die Baukosten sind gestiegen und das Projekt wurde verschoben. Einige Aktivist:innen entschieden sich stärker in Bildungsprojekten zu engagieren und registrieren eine neue Organisation .

Die Registrierungsbescheinigung von Ecohome wurde am 21. Juni 1996 unterschrieben.  Zu den Gründer:innen der Organisationen gehörten Irina Sukhy, Irina Belaja, Tatjana Nowikowa, Andrei Sborowski.

In der Satzung der Organisation hieß es: „Das Ziel von Ecohome ist die Förderung der Ideen der nachhaltigen Entwicklung und einer ökologisch verträglichen Lebensweise“. Der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ war damals in Belarus kaum bekannt.

Bereits in den ersten Jahren setzte sich Ecohome für die Popularisierung des Bildungsprogramms „EcoLogic ein. Das Programm findet einen breiten Einsatz in schwedischen Schulen und wird für andere europäische Länder empfohlen.  

Es war uns wichtig, den Kindern von klein auf die Zusammenhänge zwischen Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft zu vermitteln. Die Idee war, dass sie, wenn sie erwachsen sind und Präsidenten, Industriemanager oder Universitätsprofessoren werden, bereits Kenntnisse über nachhaltige Entwicklung haben“, erklärt Irina Sukhy.

Die belarusischen Aktivist:innen nahmen an Fortbildungen in Schweden, Großbritannien und Polen teil und veranstalteten später selbst Workshops für belarusische Lehrer:innen, Staatsbeamt:innen und Bürgeraktivist:innen in ganz Belarus. 

Porträt: Iryna Sukhiy

 

Iryna Sukhiy, die bis 2013 Vorstandsvorsitzende von Ecohome war, wird von Aktivist:innen liebevoll als „Großmutter des belarusischen Umwelt-Aktivismus“ bezeichnet. Die gelernte Philologin arbeitete keinen einzigen Tag in ihrem Beruf, beschäftigte sich mit Kunstfotografie und wurde 1987 Mitglied der Künstlergruppe „Belarusisches Klima“. Im Alter von 25 Jahren schloss sich Iryna der Jugendorganisation „Next Stop – New Life“ an, die auch vom Umweltaktivismus geprägt war.

Zusammenarbeit mit dem Staat

1999 ratifizierte Belarus die Aarhus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Irina Sukhy nahm an Sitzungen teil, bei denen der in Vorbereitung befindliche Text der Konvention diskutiert wurde. Das Übereinkommen trat 2001 in Kraft und Irina wurde als nationale Koordinatorin für das europäische Projekt zur praktischen Umsetzung der Konvention in Belarus eingestellt.

Ich erinnere mich, wie deutsche Aktivist:innen zu uns kamen und uns fragten, ob wir uns politisch engagieren. Wir sagten nein und hätten es auch nicht vor. Doch bereits zu Beginn der Nullerjahre wurden die nachhaltige Entwicklung und das Recht der Bürger:innen auf saubere Umwelt zu den wichtigsten Umweltthemen in Belarus. Im Jahr 2001 trat die Konvention in Kraft, und das Land musste seine Gesetzgebung gemäß der Übereinkunft ändern. Von diesem Moment an begann die Zusammenarbeit zwischen Ecohome und dem Staat.

Unsere Beziehungen entwickelt sich nicht schlecht, aber hier ist vor allem von Mitarbeiter:innen des Umweltministeriums die Rede. Sie waren am Dialog mit uns interessiert. Wir fingen an, uns mit der Umweltgesetzgebung zu befassen, sie zu diskutieren, Kommentare zu verfassen und Änderungen vorzuschlagen. Auch wenn unsere Vorschläge oder Empfehlungen nicht umgesetzt wurden, waren unsere Gespräche doch recht konstruktiv“, erinnert sich Irina.

Doch einige Jahre später verschlechterte sich das Verhältnis. Im Jahr 2006 verkündete die Regierung die Pläne zum Bau eines Kernkraftwerks in Belarus und von da an bekam Ecohome ernsthafte Probleme.

Zunächst schickte die NGO ein Schreiben an das Energieministerium, mit dem Vorschlag die Öffentlichkeit an der Entscheidung zum Bau des AKW zu beteiligen, so wie es die Aarhus-Konvention vorschreibt. Das Energieministerium antwortete und teilte mit, die Öffentlichkeit könne etwas sinnvolleres tun, nämlich die Radiophobie in der Bevölkerung bekämpfen und den Bürger:innen erklären, warum der Bau des Kernkraftwerks notwendig ist.

2008 sind Aktivist:innen von Ecohome teil der „Belarusischen Anti-Atom-Kampagne“ (BAYAK) geworden, an der sich die Belarusische Partei „Die Grünen“ beteiligte, die Bürgerinitiative aus Astrawez „AKW Astrawez ist ein Verbrechen, die Bewegung „Wissenschaftler für ein atomfreies Belarus“ und viele andere Aktivisten. BAYAK organisierte Diskussionen und runde Tische mit Wissenschaftler:innen, Umweltjurist:innen kamen dazu. Das erste öffentliche Umweltgutachten des Landes wurde auf der Grundlage des Umweltschutzgesetzes erstellt. Die Statuten für das öffentliche Umweltgutachten hat der Umweltjurist von BAYAK, Sergej Magonow, gemeinsam mit einem Juristen aus dem Umweltministerium ausgearbeitet. Auf dieser Grundlage wurden seitdem mehrere Dutzend öffentliche Umweltgutachten erstellt.

Als „Anerkennung“ für diese Arbeit wurde Ecohome bereits 2008 von der Steuerbehörde und dem Justizministerium geprüft.

Damals 2008 war ich mir sicher, dass sie uns auch gleich schließen werden. Ich erinnere mich nicht mehr an den Namen des Beamten des Justizministeriums, der zu uns kam, aber ich weiß noch, dass er dafür bekannt war, dass er bereits zehn andere Organisationen geschlossen hatte. Das Justizministerium verteilte sogar dafür Verwarnungen, wenn ein Schild nicht korrekt an der Tür angebracht war. Zwei solche Verwarnungen und die Organisation wird geschlossen. Aber überraschenderweise wurden wir geprüft, irgendwelche Mängel wurden festgestellt, die wir dann aber korrigierten, es dem Justizministerium meldeten und man teilte uns mit, dass keine weiteren Forderungen gegen uns bestehen. Später hat uns auch die Steuerbehörde geprüft, stellte Mängel fest, aber alles ging glimpflich aus, vor allem verglichen mit jetzt“, lächelt Irina traurig.

Im selben Jahr 2008 wurde Ecohome auch auf eine „Schwarze Liste“ gesetzt, und der Organisation wurde faktisch verboten im Bereich der Umweltbildung tätig zu sein.

Wir wurden zu einer jener Organisationen, bei welchen den Schulen 'nicht empfohlen' wurde mit ihnen zusammenzuarbeiten. Und entsprechend ist die Arbeit im Bildungsbereich komplett eingebrochen.“ 

Schon damals wurden die Aktivist:innen von Ecohome verhaftet, auch wenn das zu der Zeit nicht so alltäglich war wie heute. 2009 wurde einer der Aktivisten der Anti-Atom-Kampagne, der Russe Andrei Osharowski verhaftet, weil er versuchte an einer öffentlichen Anhörung zum AKW-Bau teilzunehmen. Und im Juni 2012 wurden die BAYAK-Gründerin Tatjana Nowikowa, Irina Sukhy und Osharowski für den Versuch festgenommen, einen offenen Appell gegen den AKW-Bau bei der Russischen Botschaft in Minsk einzureichen.  

„Ich kam damals mit einer Geldstrafe davon, weil ich eine minderjährige Tochter hatte, aber Tanja und Andrei bekamen 5 und 10 Tage Gefängnis“, erinnert sich Irina. Nach seiner Verhaftung wurde Andrei Osharowski für 10 Jahre verboten nach Belarus einzureisen.

Nichtsdestotrotz, betont Sukhi, konnte Ecohome weiterhin recht produktiv mit dem Umweltministerium zusammenarbeiten.

Bis zum Schluss, bis zu unserer Schließung, blieb Ecohome Mitglied des öffentlichen Beirats des Umweltministeriums und war Mitglied der Arbeitsgruppe für die Ausarbeitung von Umweltschutzgesetzen. Aus meiner Erfahrung mit dem Umweltministerium kann ich sagen, dass jeder nachfolgende Umweltminister schlechter war als der vorherige. Jedes Mal wurde es schwieriger zusammenzuarbeiten. Aber auch die Stimmung im Ministerium selbst verschlechterte sich. Die besten Fachleute verließen das Ministerium und das professionelle Potential des Umweltministeriums ist zur Zeit recht niedrig. Ich habe den Eindruck, der derzeitige Minister versteht von all den globalen Prozessen sehr wenig“, so die Aktivistin.

Die Arbeit mit Bürger:innen

Neben dem Umweltministerium und anderen Staatsbehörden musste Ecohome viel mit Kommunalbehörden zusammenarbeiten, um den Bürger:innen bei der Lösung verschiedener Umwelt- und Ökologiefragen vor Ort zu helfen. Darüber erzählte uns die Geschäftsführerin von Ecohome, Marina Dubina.

Marina Dubina - Portrait

Marina ist Juristin und kam vor etwa sieben Jahren zu Ecohome und koordinierte später die Rechtsabteilung der NGO: Sie engagierte sich für den Schutz der Rechte von Bürgern auf gesunde und saubere Umwelt und für die Beteiligung lokaler Initiativen an umweltrelevanten Entscheidungen. Ihr Weg zum Umweltaktivismus begann 2011, als Aktivist:innen, die sie kannte, sie zu einer öffentlichen Anhörung über die Bebauung des „Parks für Völkerfreundschaft“ eingeladen haben. Später, 2014, hatte sie sich für den Schutz des Oktober-Parks im Zentrum von Minsk engagiert. Damals wurde geplant einen Teil des Parks zur Eishockey-Weltmeisterschaft abzuholzen und das Hotel „Peking“ zu bauen.  

Die Anwohner:innen waren aktiv und wehrten sich gegen die Abholzung. Und irgendwie fühlte ich mich sehr persönlich betroffen. Gemeinsam mit Umweltaktivist:innen sprachen wir mit Anwohner:innen und versuchten zu verstehen, wie und wo wir ihnen helfen können. Wir bereiteten Anfragen vor, studierten die Bauunterlagen und schließlich geriet ich so in den Sog des Umweltaktivismus, erzählt Marina lächelnd.

Die Baumfällung konnte nicht verhindert werden. Doch, so Marina, sorgte dieser Fall für öffentliche Resonanz und auch dafür, dass die Menschen sich mehr für die Fragen von Bebauung und Abholzung von Grünflächen interessierten. Seitdem versammelten sich immer mehr Menschen bei öffentlichen Anhörungen zu solchen Themen.

„Zur Arbeit von Ecohome gehörte die Unterstützung der Anwohner:innen bei der Kommunikation mit lokalen Behörden in Umweltfragen. Bis vor kurzem gingen bei Ecohome jedes Jahr etwa 300 Anfragen aus der Bevölkerung ein. Manchmal gingen wir vor Gericht, manchmal verfassten wir nur Beschwerden und Anfragen, manchmal erklärten wir einfach, welche Rechte die Anwohner:innen haben, was sie tun können, wohin sie sich wenden können, an wen sie schreiben können, was legal und was illegal ist.

Meine Erfahrungen mit den Behörden waren sehr unterschiedlich. Manchmal war es wirklich eine Konfrontation, aber es gab auch positive Dinge. Wir machten auch solche Erfahrungen, dass man uns einlud, Seminare und Schulungen für Vertreter:innen lokaler Behörden durchzuführen, darüber wie man öffentliche Anhörungen durchführen kann, wie Kommentare und Wünsche der Anwohner:innen berücksichtigt werden können. Manchmal erhielten wir Anrufe von regionalen Kommunalverwaltungen und die baten uns zu erklären, wie man am besten eine Webseite gestaltet, damit die Menschen vor Ort leichter die Rubrik zu öffentlichen Anhörungen finden.   

Wir haben in der Praxis gesehen, dass Kommunalverwaltungen, vor allem in der Provinz, die selten mit Umweltaktivist:innen zu tun hatten, sehr oft nicht mal die Umweltgesetzgebung kennen. Und deshalb war es für uns und die Menschen vor Ort wichtig, sie darüber aufzuklären, damit sie ihren Pflichten nachkommen, damit sie die Unterlagen im vollen Umfang zur Verfügung stellen, so wie es das Gesetz vorsieht. Und wir haben dann auch gesehen, dass die Kommunalverwaltungen, die häufiger mit Umweltfragen konfrontiert waren, später umso besser wussten, wie sie mit Anfragen von Bürger:innen umgehen sollten, sagt Marina Dubina.  

Im Jahr 2016 führten die Pläne zum Bau eines Akkumulatoren-Werkes in der Nähe von Brest  zu Protesten von Anwohner:innen. Ecohome engagierte sich dort über mehrere Jahre, organisierte runde Tische und versuchte eine öffentliche Begutachtung des Werk-Projekts auf die Beine zu stellen. Es gab sogar den Versuch ein lokales Referendum durchzuführen, doch dieser scheiterte (lange bevor Lukaschenko es selbst versprochen hat, um dieses Versprechen dann doch nicht einzuhalten). Laut Marina Dubina zeigte der Fall der Batteriefabrik eine überraschend starke Fähigkeit der lokalen Bevölkerung zu Selbstorganisation. Doch am Ende wurde die Fabrik nach einer Intervention von Lukschenko dennoch fertiggestellt und in Betrieb genommen, ohne Rücksicht auf die Meinung der Einwohner:innen von Brest. 

Liquidierung

Die belarusischen Umweltaktivist:innen – wie übrigens fast alle Aktivist:innen – waren bei der Unterdrückung der Proteste praktisch von Anfang an mitbetroffen. Bereits am 6. September 2020 wurde Irina Sukhy von Sicherheitskräften in ihrer Wohnung festgenommen. Wegen ihrer Teilnahme an Protesten wurde sie nach Art. 23.34 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für fünf Tage inhaftiert. Sicherheitskräfte suchten auch ihre Tochter sowie das Vorstandsmitglied von Ecohome, Ksenia Maljukowa auf, und versuchten in die Wohnung von Marina Dubina zu gelangen. Damals wurden auch andere Aktivist:innen festgenommen. Marina Dubina wurde im Oktober von Beamten in Zivil festgenommen und für dreizehn Tage inhaftiert. Zu „systematischen Maßnahmen“ kam es aber erst später, als auch andere NGOs davon betroffen waren. 

Am 21. Juni 2021 feierte Ecohome das 25-jährige Jubiläum seines Bestehens. Gleich am nächsten Tag schickte das Justizministerium ein Schreiben zu einer außerplanmäßigen Kontrolle. Aus irgendwelchen Gründen war dieses Schreiben erstaunlich lange unterwegs. Erst am 6. Juli erfuhr die NGO davon, als nur noch drei Tage dafür übrig blieben, um dem Justizministerium eine große Anzahl von Unterlagen vorzulegen. Mitte Juli gab es eine Hausdurchsuchung bei Marina Dubina. Am 31. August entschied das Oberste Gerichtshof Ecohome zu liquidieren. Die Entscheidung zur Liquidierung wurde von der Richterin Anna Sokolowskaja getroffen. Der Organisation wurden zudem 87 Rubel Gerichtsgebühren in Rechnung gestellt. Trotz der engen und erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Staat setzte sich kein Beamter für Ecohome ein oder äußerte seine Unterstützung persönlich nach der Liquidationsentscheidung.

Irina Sukhy und Marina Dubina waren gezwungen Belarus zu verlassen, aber – auch deshalb – setzen sie ihre Arbeit fort. Wie diese jetzt organisiert ist, dazu sagen die beiden Führungsfrauen von Ecohome aus Sicherheitsgründen nichts Bestimmtes. Doch im Gespräch mit Reform.by geben sie zu, dass sie den Verlust des offiziellen Status von Ecohome nicht mehr allzu sehr bedauern.  

Früher bot die Registrierung einer Organisation die Möglichkeit, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Aber jetzt bringt der Status einer juristischen Person keine Vorteile, nur Probleme. Wenn sich in Belarus alles ändert, dann wird es, denke ich, kein Problem sein, den Status wiederherzustellen. Das Wichtigste ist nicht der Status, sondern das, was wir tun können und tun müssen.

Es gibt Dinge, die nicht auf den demokratischen Wandel warten können: Alle unsere Wälder werden abgeholzt, die Sümpfe werden zerstört. Und kein demokratischer Wandel wird sie zurückbringen. Es ist wichtig, unsere Arbeit fortzusetzen, den Menschen zu helfen, ihr Recht auf eine saubere Umwelt zu schützen und unsere Natur zu bewahren. Für unsere glückliche Zukunft“, betont Irina Sukhy.

Aber nicht alle Umweltorganisationen werden ihre Arbeit nach der Liquidierung fortsetzen können, hebt Marina Dubina hervor.

„Die Aktivist:innen werden unter Druck gesetzt, die Repressionen gehen weiter, Organisationen sind gezwungen, sich aufzulösen. Und nicht alle sind bereit, öffentlich darüber zu sprechen“, sagt Marina mit Bedauern.

Und doch gibt es auch etwas Positives, fügt Marina hinzu. In den Jahren ihrer Arbeit bei Ecohome habe sie festgestellt, wie die Nachfrage der Belarus:innen nach einer Beteiligung an umweltpolitischen Entscheidungen gewachsen ist.

„Es ist ermutigend, dass die Menschen sich mehr für Umweltfragen interessieren, sie verfolgen aufmerksamer, welche Versprechen der Staat eingehalten hat, welche Verpflichtungen erfüllt werden und welche nicht. Das Interesse für Umweltthemen begann so um das Jahr 2015 zu wachsen und hat sehr stark zugenommen. Noch vor sieben Jahren kamen nur drei Aktivist:innen und zwei Journalist:innen zu öffentlichen Anhörungen zu Umweltthemen. In den letzten Jahren waren die Säle voll von engagierten Menschen. Lokale Anwohner:innen bildeten thematische Gruppen und Chats in sozialen Netzwerken. In den letzten Jahren haben die Menschen einige Illusionen über das Staatssystem hinter sich gelassen. Und das ist auch wichtig für das zivilgesellschaftliche Selbstbewusstsein im Allgemeinen“, sagt die Aktivistin.

Wir publizieren den Text in einer leicht gekürzten Fassung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von Reform.by[1]. Übersetzt aus dem Russischen von Wanja Müller.


[1 Insgesamt sind aktuell 272 NGOs landesweit aufgelöst oder warten auf den formalen Gerichtsbeschluss zu ihrer Schließung. Eine Übersicht bieten „Lawtrend“ und OEEC, zwei belarusische NGOs, die selbst von der aktuellen Verbotswelle betroffen sind: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1qHDjDaoq1Fz9TnVsbTIh-sFbWP_4U1f….

[2] Im Originalbeitrag auf Reform.by werden noch zwei weitere verbotene Umwelt-NGOs portraitiert, BAHNA und „Earth Time“: https://reform.news/262691-jekodom-lesa-i-bolota-ne-mogut-zhdat-demokra….