„Für mich ist Feminismus keine abstrakte Idee“

Dankesrede

Belarus ist ein Land, in dem Frauen mit Blumen auf die Straße gingen und in Gefangenentransporter geworfen wurden. In ihrer bewegenden Dankesrede spricht Darya Afanasyeva über den Widerstand der Frauen in Belarus, die trotz Unterdrückung und Gewalt nie aufgeben. Sie widmet ihren Preis den mutigen Frauen, die weiterhin für ihre Freiheit kämpfen.

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Foto: Eine lachende Frau steht an einem Rednerpult. Im Hintergrund ist ein Bildschirm mit Text, daneben der Anne-Klein-Frauenpreis

Ich stehe hier vor Ihnen, aber in Wirklichkeit sind Tausende Frauen mit mir hier. Frauen, die wissen, was es heißt zu kämpfen. Sie wissen, was es bedeutet, alles zu verlieren – Freiheit, Gesundheit, Körper, Stimme – jedoch nie sich selbst.

Ich weiß, was es bedeutet, in vier Wänden eingesperrt zu sein, wo man dich brechen will. Wo man es schaffen will, dass du nicht mehr du selbst bist. Wo dein Körper nicht mehr dir gehört und deine Stimme durch die Gitterstäbe gedämpft wird. Ich weiß, wie ein System aussieht, das Frauen hasst und sie fürchtet, weil Frauen für Stärke stehen.

Belarus ist ein Land, in dem Frauen mit Blumen auf die Straße gingen und in Gefangenentransporter geworfen wurden. Wo man für einen weißen Schal eine Haftstrafe bekommen kann. Wo es im Straflager unerträgliche Arbeit und endlose Demütigungen gibt, weil man uns unterwürfig machen will. Wo weibliche politische Gefangene nicht bloß Zahlen in der Statistik sind, sondern echte Schicksale, echte Namen, echte gebrochene Finger, gebrochene Leben.

Aber dass wir eingesperrt werden, heißt nicht, dass wir aufgeben.

Ich bin Feministin. Und für mich ist Feminismus keine abstrakte Idee. Es ist eine Notwendigkeit. Dies ist ein Kampf um das Recht zu sprechen, zu lieben, zu wählen. Dies ist ein Kampf für diejenigen, die man zum Schweigen bringen will, die nicht entkommen können, die Schmerzen haben, die Angst haben, die denken, sie seien alleine.

Aber wir sind nicht allein.

Ich weiß, was es heißt, kein Recht auf den eigenen Körper zu haben. Ich weiß, was das heißt, eine Frau zu sein, die die Gesellschaft in eine Schublade stecken möchte. Zu der man sagt: "Du hast keine Rechte." Auf die Stimme, auf die Liebe, auf die Freiheit.

Ich weiß, was es bedeutet, lesbisch in einem Land zu sein, in dem deine Liebe als Verbrechen gilt. Wo du wegen deiner Kleidung verprügelt werden kannst. Wo deine Rechte nicht existieren.

Aber uns gibt es. Uns gab es und uns wird es geben. Wir sind viele und wir werden nicht schweigen!

Und heute nehme ich diese Auszeichnung entgegen und möchte sagen: Ich bin hier, weil neben mir Frauen stehen, die nicht aufgeben! Denn es gab immer Menschen an meiner Seite, die gekämpft haben. Denn Tausende Frauen kämpfen weiter.

Ich möchte diesen Preis allen Frauen widmen, die jetzt gerade hinter Gittern sitzen. Allen, die gezwungen waren, auszureisen. Allen, die geblieben sind und weiterhin Widerstand leisten. Allen, die man zu brechen versuchte, die aber dennoch durchhalten.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit noch benötigt wird, bis wir frei atmen können. Aber eins weiß ich: Bei unserem Kampf geht es nicht um das „Ob“, sondern um das „Wann“.

Danke.


» Rede auf Russisch (PDF)