
Die große Mehrheit der Menschen verdient Einkommen durch Erwerbsarbeit. Wer aber erwerbslos ist oder aus anderen Gründen nicht genügend Einkünfte erzielen kann, ist auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen.

In einer hoch entwickelten Marktökonomie, in der fast alle Güter und Dienstleistungen gekauft werden müssen, ist ein ausreichendes Einkommen eine unabdingbare Voraussetzung dafür, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Abhängig Beschäftigte erwirtschaften ihre Löhne und Gehälter über Erwerbsarbeit. Selbstständige erwirtschaften Umsätze und leben vom daraus erzielten Gewinn. Nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung ist so wohlhabend, dass das Vermögen ausreicht, um davon leben zu können. Der Aufbau und die Sicherung der Existenz durch Erwerbsarbeit gerät an ihre Grenzen, wenn das Einkommen infolge von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder anderen eintretenden Risiken wegfällt und auch die Familie nicht einspringen kann. Das staatliche Sicherungssystem ist eine Antwort auf dieses Problem: Durch Geldleistungen wird der Lebensunterhalt all jener gesichert, die kein Einkommen beziehen oder wo es zum Leben nicht ausreicht.
Leistungsanspruch bei Hilfsbedürftigkeit
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte erhalten, wenn sie arbeitslos oder krank werden, zeitlich begrenzte Ersatzleistungen, die den ausgefallenen Lohn teilweise ausgleichen, so etwa das Arbeitslosengeld. In der Regel beziehen sie es zwölf Monate lang, Arbeitslose ab einem Alter von 50 Jahren bis zu 24 Monate. Die Höhe richtet sich nach dem zuvor erzielten Arbeitseinkommen, sie beträgt 60 Prozent und mit Kindern 67 Prozent vom letzten Nettoverdienst. Selbstständige hingegen unterliegen der Versicherungspflicht nicht.
Dagegen hat jede Person Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, aber nur dann, wenn eine Hilfsbedürftigkeit besteht und es keine anderweitigen Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts gibt. Dafür werden Einkünfte und Vermögen geprüft – und zwar die aller in einem Haushalt lebenden Menschen, der sogenannten Bedarfsgemeinschaft. Die Leistungshöhe richtet sich nicht nach dem vormaligen Arbeitseinkommen, sondern wird pauschal ermittelt. Im Jahr 2022 liegt der Betrag für eine alleinstehende Person bei 449 Euro im Monat. Hinzu kommen die Beträge für eine angemessene Unterkunft, die je nach Kommune unterschiedlich hoch sind.
Mindestlohn wichtige Basis der Grundsicherung
Dieses System besteht aus mehreren Säulen: Grundsicherung für Arbeitsuchende, Grundsicherung im Alter, Sozialhilfe und Leistungen für Asylsuchende. Die mit Abstand umfangreichste Säule ist die 2005 im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) festgelegte Grundsicherung für Arbeitsuchende, genannt Hartz IV. Anders als der Name suggeriert, haben nicht nur Arbeitslose einen Leistungsanspruch, sondern alle erwerbsfähigen Menschen bis zum Erreichen des Rentenalters sowie deren Familienangehörige. Berechtigt sind auch Erwerbstätige, deren Einkommen nicht ausreicht, um damit den Lebensunterhalt zu bestreiten. 930.000 Menschen hatten 2020 Anspruch auf die aufstockende Grundsicherung. Diese Zahl wird man nur senken, wenn der gesetzliche Mindestlohn ausreichend hoch ist und Menschen verlässlich von ihrer Arbeit leben können.
Fordern und Fördern
Betrachtet man die Zahlungen an Arbeitslose, zeigt sich, dass mit 57,8 Prozent mehr als die Hälfte Grundsicherung beziehen. Im Jahr 2020 waren das 1,6 Millionen Empfänger und Empfängerinnen, während nur 1,1 Millionen das Arbeitslosengeld I bezogen. Die Arbeitslosenversicherung als Instrument zu stärken wäre ein Weg, um im Fall von Arbeitslosigkeit die Notwendigkeit, Grundsicherung zu beantragen, möglichst zu vermeiden. Und zum Schutz der Selbstständigen wäre es notwendig, sie in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen. Die Gesamtzahl der Hartz-IV-Berechtigten bleibt mit rund 5,5 Millionen, Stand 2020, hoch. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung entspricht dies einer Quote von 8,3 Prozent. Gut 40 Prozent davon beziehen die Leistungen vier Jahre und länger. Die Regelung, dass erwerbslose Menschen im Grundsatz jeden Job annehmen müssen, weil ihnen ansonsten Kürzungen drohen, sollte in Verbindung mit arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen zu ihrer schnellen Eingliederung führen. Dieser Ansatz, „Fordern und Fördern“ genannt, funktioniert jedoch bei vielen Langzeitbeziehenden nicht. Auch deswegen steht die Verhängung von Sanktionen seit Jahren in der Kritik. Notwendig ist vielmehr, die Fördermaßnahmen auszubauen, um so den Empfängerinnen und Empfängern bessere Möglichkeiten zu bieten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dennoch stellt sich immer wieder die Frage, ob Sanktionen rechtmäßig und Hartz-IV-Sätze ausreichend hoch sind. Ein wissenschaftlich ableitbares Maß dafür kann es nicht geben. Letztlich wird deshalb politisch darüber entschieden, was es in Geldbeträgen bedeutet, „den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht“ – denn das ist es, was das Sozialgesetzbuch verlangt.