Boden ist knapp. Er wird nicht nur für Siedlungen, Industrie, Infrastruktur und Landwirtschaft genutzt. Platz braucht auch die Natur: Auf begrenzter Fläche muss daher nachhaltige Bodennutzung mit Klima- und Umweltschutz einhergehen.
Biodiversität ist entscheidend für das Funktionieren von Ökosystemen und damit die Grundlage für gesunde Nahrung, sauberes Wasser, gute Luft und ein stabiles Klima. Diese Grundlage für unser Überleben ist bedroht. Die Vielfalt an Lebensformen auf der Erde, einschließlich Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, geht dramatisch zurück. Weltweit sind rund eine Million Arten vom Aussterben bedroht; allein rund 30 Prozent aller Pflanzenarten. Die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher. Nach einem Bericht zur Lage der Natur in Deutschland sind rund 70 Prozent der untersuchten Lebensräume von der Ostsee bis zu den Alpen in einem ungünstig-unzureichenden oder sogar einem schlechten Zustand.
Eine Hauptursache des Artensterbens ist die Zerstörung und Verschlechterung natürlicher Lebensräume, getrieben durch Land- und Forstwirtschaft, Abbau und Nutzung von natürlichen Rohstoffen wie Metallen und Kohle sowie Siedlungs- und Infrastrukturbau. Auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene wurden deswegen in den letzten Jahren diverse Initiativen gestartet, um die Natur wiederherzustellen und den ökologischen Zustand zu verbessern. Beispiele sind die europäische oder deutsche Biodiversitätsstrategie. International ist das Übereinkommen der Weltnaturkonferenz zu nennen, die 2022 in Montreal stattfand. Die 196 Teilnehmerstaaten haben sich dort unter anderem dazu verpflichtet, mindestens 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresfläche bis 2030 zu schützen. Außerdem ist vorgesehen, 30 Prozent der geschädigten Flächen wiederherzustellen. In Deutschland sollen beispielsweise trockengelegte Moorflächen wiedervernässt, Auen renaturiert, oder Wirtschaftsforste zu Naturwäldern umgewandelt werden.
In öffentlichen Debatten werden Naturschutz und andere Nutzungsformen von Land und Boden immer wieder in Konkurrenz zueinander gesetzt. Ein aktuelles Beispiel ist die Beschleunigung von Planungsprozessen: Gesetzlich vorgegebene Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen zu Gunsten eines schnelleren Baus von Infrastrukturprojekten eingeschränkt werden. Für viel Aufmerksamkeit sorgten 2021 die Proteste von Landwirt*innen, die mit Treckern bis zum Bundeslandwirtschaftsministerium fuhren, um gegen eine strengere Düngeverordnung und Insektenschutzstrategien zu protestieren. Dieses Beispiel legt nahe, dass mehr Naturschutz nur gelingen kann, wenn er von den Betroffenen getragen wird – und soziale und wirtschaftliche Vorteile bringt. Dafür muss Umweltschutz bei unterschiedlichen Formen der Bodennutzung stärker mitgedacht werden. Innovative Modelle, die verschiedene Nutzungsformen kombinieren, können naturverträglich gestaltete Agri- oder Biodiversitäts-Photovoltaik-Anlagen sein, also die gleichzeitige Nutzung von landwirtschaftlichen oder Naturschutzflächen für Solarenergie.
Landwirtschaftliche Betriebe müssen stärker beim Umweltschutz unterstützt werden. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) könnte als Förderinstrument der Europäischen Union (EU) Ökosystemleistungen auf ihren Flächen besser honorieren. Dafür muss die GAP umgestaltet werden. Durch eine Revitalisierung der Natur können Ökosystemleistungen gestärkt werden, die letztlich allen Nutzer*innen zugutekommen. Mehr Hecken sorgen zum Beispiel für Erosionsschutz, intakte Auen und Moore sind Wasserspeicher. Die landwirtschaftliche Nutzung nasser Moore mit sogenannten Paludikulturen verspricht nachhaltige Bewirtschaftung, beispielsweise durch Haltung von Wasserbüffeln oder Anbau von Rohrkolben und Schilf als Baustoffe. Naturschutz und Landnutzung sind kein Gegensatz, sondern können in Einklang gebracht werden.
Damit die Ziele zum Schutz der Biodiversität erreicht werden können, braucht es neben mehr Beachtung von Umweltschutz in der Landwirtschaft einen Stopp für Versiegelung und industriellen Bodenverbrauch sowie eine Begrenzung des Ressourcenverbrauchs. Derzeit werden täglich 55 Hektar für Siedlungen und Verkehrsinfrastruktur umgewidmet. Konkrete Schutzmaßnahmen sollten in der anstehenden Novellierung des Bundesbodenschutzgesetzes aufgenommen werden. Bodenschutz darf nicht mehr hinter anderen Fachgesetzen anstehen und das Vorsorgeprinzip, also die Verhinderung von schädlichen Bodeneingriffen, muss stärker berücksichtigt werden. Der Verbrauch von Fläche könnte dadurch begrenzt werden, dass Bodenschutz in einem Ressourcenschutzgesetz einbezogen wird, das die Nutzung von Rohstoffen und den Ressourcenverbrauch Deutschlands gerechter regelt. Dazu müsste es verbindliche Reduktionspfade geben, deren Einhaltung kontrolliert wird und die bei Zielverfehlungen Sanktionen nach sich ziehen. Ziele müssen dabei ein geringerer Flächenverbrauch und der Erhalt der Bodenfunktionen sein. Denn die Versiegelung für Straßen, Industrie und Siedlungen bedeutet Zerstörung von Böden und Ökosystemen – und Biodiversitäts- und Naturschutz funktioniert nur auf gesunden Böden. Dem Naturschutz Raum in Flächen- und Bodennutzungsformen einzuräumen, erhält also auch unsere Lebensgrundlage.