Aserbaidschan wäscht mit der COP29 seinen Autoritarismus rein

Kommentar

Für das aserbaidschanische Regime ist die Ausrichtung der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29) in Baku eine Chance, seine schlechte Klimabilanz und seine unerbittlichen Angriffe auf die Zivilgesellschaft zu verschleiern. In Wirklichkeit scheint die Regierung weitaus mehr daran interessiert zu sein, von der steigenden Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu profitieren, als die globale Erwärmung zu bekämpfen.

Photo: A row of police officers in helmets holding back a crowd. Some individuals are shouting, one person wears a vest labeled "Press."
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Baku, Aserbaidschan.

Am 11. November eröffneten Tausende von Staats- und Regierungschef*innen, internationalen Akteur*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft die 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29) in Baku. Angesichts der steigenden Treibhausgasemissionen und der zunehmenden globalen Erwärmung hat der diesjährige Gipfel die Klimafinanzierung zu Recht ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Aber der Veranstaltungsort ist alles andere als ideal: Das aserbaidschanische Regime setzt darauf, dass es das Treffen nutzen kann, um seine Klimabilanz und seine zunehmend repressive Politik zu verschleiern.

Nach der COP28 in Dubai im vergangenen Jahr stieß die Entscheidung, die COP29 in der Hauptstadt eines weiteren Landes abzuhalten, das fossile Brennstoffe fördert, bereits bei ihrer Ankündigung auf breite Skepsis. Kritiker wiesen auf Aserbaidschans fragwürdige Klimapolitik, Angriffe auf die Zivilgesellschaft und schlechte Regierungsführung hin und stellten die Glaubwürdigkeit des Gipfels in Frage.

Anfang dieses Monats veröffentlichte Global Witness ein Video, das zeigt, wie Elnur Soltanov - Aserbaidschans stellvertretender Energieminister und Leiter der COP29 - die fossilen Rohstoffinteressen seines Landes verfolgt und versucht, Geschäfte für die staatliche Ölgesellschaft von Aserbaidschan (SOCAR) einzufädeln. Das Filmmaterial hat Sorgen hinsichtlich des Engagements und der Fähigkeit der Regierung geschürt, die Energieeffizienz zu steigern oder langfristige Nachhaltigkeit zu anzustreben.

Die Untersuchungshaft zahlreicher zivilgesellschaftlicher und politischer Aktivist*innen unterstreicht die anhaltende Missachtung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten durch die Regierung, und es gibt kaum Anzeichen dafür, dass sich ihr Vorgehen in naher Zukunft ändern wird.

Aserbaidschan hat zwar mehrere Klimaabkommen unterzeichnet und nationale Pläne zur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorgelegt, doch das Land hat kaum Fortschritte bei der Erreichung seiner Klimaziele gemacht. Da es keine nachhaltigen, langfristigen Regierungsprogramme gibt, ist es nicht verwunderlich, dass sich das Land noch kein eigenes Netto-Null-Ziel gesetzt hat.

Das wird in absehbarer Zeit auch nicht der Fall sein. Aserbaidschans anhaltendes Versäumnis, seine von fossilen Rohstoffen abhängige Wirtschaft zu diversifizieren, hat in Verbindung mit schwindenden Ölreserven und einer starren vertikalen Regierungsstruktur dazu geführt, dass das Land keine ehrgeizige Klimaziele - z. B. Netto-Null-Emissionen oder eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 30 Prozent bis 2030 - erreichen kann.

Laut dem RISE-Index 2022 der Weltbank, der die nationalen Energiepolitiken und -vorschriften bewertet, liegt Aserbaidschan bei den erneuerbaren Energiequellen auf Platz 122 (von 140 Ländern), was das Fehlen eines ordnungspolitischen Rahmens und einer gezielten Politik zur Förderung von erneuerbaren Energien unterstreicht. Selbst der für die Förderung erneuerbarer Energien zuständigen Regulierungsbehörde fehlt es an Unabhängigkeit und Autorität, um die notwendigen Reformen durchzuführen.

Untergraben durch zentralisierte staatliche Kontrolle, unzureichende politische Rahmenbedingungen und mangelhafte Umsetzung sind Aserbaidschans Bestrebungen im Bereich sauberer Energie kaum mehr als leere Rhetorik. Tatsächlich scheint die oberste Priorität der Regierung darin zu bestehen, aus der wachsenden Nachfrage nach fossilen Brennstoffen Kapital zu schlagen, anstatt die globale Erwärmung zu bekämpfen. In seiner Rede auf dem Petersberger Klimadialog im April erklärte Präsident Ilham Alijew, dass Aserbaidschan nicht die Absicht habe, die Förderung fossiler Brennstoffe einzustellen. Er bezeichnete die fossilen Ressourcen des Landes als "Geschenk Gottes" und kündigte Pläne zur Ausweitung der Erdgas-Exporte nach Europa an. Alijew hat diesen Ansatz auf der COP29 noch einmal bekräftigt und darauf bestanden, dass die Länder, die fossile Brennstoffe produzieren, "nicht dafür beschuldigt werden sollten". Für die Regierung scheint es bei der COP29 mehr um Imagepflege und Greenwashing als um sinnvolle Maßnahmen zu gehen.

Die Beteiligung Aserbaidschans an den globalen Klimadiskussionen ist zwar eine relativ neue Entwicklung, nicht aber seine schlechte Menschenrechtsbilanz. Die jahrzehntelange autoritäre Entwicklung des Landes lässt sich bis zur Präsidentschaft von Heydar Alijew zurückverfolgen, der 1993 an die Macht kam und ein Jahrzehnt lang die Grundlagen für ein dynastisches Regime legte.

Als Alijews Sohn Ilham 2003 die Macht übernahm, war die junge postsowjetische Demokratie Aserbaidschans bereits ausgehöhlt worden. Internationale Beobachter*innen, darunter die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), verurteilten die offenkundig manipulierten Wahlen von 2003 und jede nachfolgende Wahl, einschließlich der vorgezogenen Präsidentschaftswahlen vom Februar 2024, die Alijews Herrschaft um weitere sieben Jahre verlängerten.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat Alijew die vertikale Machtstruktur, die er von seinem verstorbenen Vater geerbt hat, weiter gefestigt, so dass politische Entscheidungen vollständig von den persönlichen Vorlieben und Weisungen des Präsidenten abhängig sind. 2017 nahm Alijew eine Kabinettsumbildung vor und ernannte seine Frau Mehriban Alijewa zur ersten Vizepräsidentin des Landes. Außerdem installierte er einen Kader ihm treu ergebener "befähigteTechnokraten", die seine durch leitende Beamte heruntergereichten Anweisungen umsetzten. Es überrascht nicht, dass diese Schritte nichts an den systemischen Schwächen der Regierungsführung in Aserbaidschan änderten, die von Freedom House wie folgt identifiziert wurden: die „Dominanz der Exekutive“, die weit verbreitete Korruption, die „repressiven Bedingungen, die die Zivilgesellschaft einschränken“, und eine ihren Bürgern gegenüber kaum rechenschaftspflichtige Regierung.

Das Regime ist in regelmäßigen Abständen gegen die Zivilgesellschaft vorgegangen, oft ausgelöst durch äußere Ereignisse, und hat dabei eine Reihe von repressiven Taktiken wie drakonische Gesetze, physische Einschüchterung, Verhaftungen und Erpressung angewandt. In den letzten 20 Jahren haben diese Maßnahmen den zivilgesellschaftlichen Raum immer weiter ausgehöhlt und die verbliebenen Aktivist*innen und Organisationen gezwungen, unter ständiger Androhung von Verhaftungen zu arbeiten.

Das harte Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen, unabhängige Journalist*innen, Bürgerrechtler*innen und politische Aktivist*innen im Jahr 2013 zeigte und verstärkte die Unfähigkeit der aserbaidschanischen Zivilgesellschaft, sich gegen staatliche Unterdrückung zu wehren. Obwohl die Vereinigungsfreiheit in der Verfassung verankert ist, wurde sie stark untergraben. Die letzte genehmigte Kundgebung der Opposition fand 2019 statt, seither wurden alle öffentlichen Proteste rasch und gewaltsam aufgelöst.

Während die Staats- und Regierungschef*innen der Welt in Baku über Klimamaßnahmen diskutieren, sitzen Dutzende von Journalist*innen, Expert*innen und Aktivist*innen aufgrund erfundener Anschuldigungen, die von Hochverrat und Schmuggel bis hin zu Betrug und Erpressung reichen, weiterhin im Gefängnis. Die Teilnehmer*innen der COP29 genießen die herzliche Gastfreundschaft eines Landes, dessen normale Bürger*innen - insbesondere diejenigen, die es wagen, das Regime herauszufordern - oft weit weniger freundlich behandelt werden.


Dieser Artikel erschien zuerst bei Project Syndicate