Schwammstädte: Hier kommt die Zukunft

Atlas

Extremwetter hat 2021 in Deutschland über 80 Milliarden Euro Schaden verursacht. Günstiger: Städte durch Umbau in Schwämme zu schützen 

Auswirkungen von Maßnahmen, die Städte in Schwammstädte verwandeln
Teaser Bild Untertitel
Extremwetter hat 2021 in Deutschland über 80 Milliarden Euro Schaden verursacht. Günstiger: Städte durch Umbau in Schwämme zu schützen

Folgen der Stadtversiegelung

Beton und Asphalt. Darunter liegt in den meisten Städten die Erde begraben. Diese Versiegelung führt zu zahlreichen Problemen. So kann zum Beispiel die Kanalisation nach starken Regenfällen überlaufen. In Hamburg heißt das konkret: Es kommt zu Überläufen in Elbe, Alster und Bille sowie deren Nebengewässern. Überschwemmungen bringen Abwasser aus Waschmaschinen und Toiletten an die Oberfläche, das sich in Kanälen und Flüssen mit Regenwasser, Hundekot und Partikeln von Autoreifen mischt. Überschwemmungen sind eine Gefahr, die in den nächsten Jahren zunehmen wird: Mit der Klimakrise erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Wetterextreme wie Starkregen enorm. Und bekanntlich steigt mit der Klimakrise auch die Temperatur und die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen. In Städten verschärft sich dieses Problem: Durch versiegelte Flächen und fehlendes Grün entstehen in den warmen Monaten Hitzeinseln. Hält die Hitze lang an, heizen Autos und Betonbauten, Stahlkonstruktionen und Glasfassaden die Stadt weiter auf. Für Menschen können die hohen Temperaturen lebensgefährlich werden – auch in Deutschland. 

Wasseratlas 2025

Der Wasseratlas 2025

Wasser ist lebenswichtig, doch Übernutzung, Verschmutzung und Klimawandel bedrohen die Vorräte. Besonders Industrie und Landwirtschaft bieten großes Potenzial für wasserschonendere Systeme, erfordern aber Veränderungsbereitschaft. Der Wasseratlas 2025 von Heinrich-Böll-Stiftung und BUND informiert über den Schutz von Wasserökosystemen und das Menschenrecht auf Wasser.


Grünflächen regulieren Wasserhaushalt

Dagegen kann das Konzept der Schwammstadt helfen. Es soll Städte in die Lage versetzen, wie ein Schwamm große Wassermengen aufzunehmen, sie zu reinigen und bei Bedarf nach und nach wieder an die Umgebung abzugeben. Eine der Städte in Deutschland, die sich zu einem Schwamm umbauen will, ist Hamburg – durch ihre Lage an der Elbe hat die Hansestadt jahrhundertelange Erfahrung mit Nutzen und Gefahren von Wasser.  Damit eine Stadt zum Schwamm werden kann, müssen Flächen entsiegelt, also Beton und Asphalt entfernt werden. Dadurch können Böden wieder Wasser speichern. Weil in Grünflächen Regenwasser gut versickert, helfen sie dabei, das Grundwasser aufzufüllen und das Überschwemmungsrisiko zu reduzieren. Je mehr Grünflächen eine Stadt hat, desto besser ist sie für Extremwetterereignisse gewappnet. Für Naturschutz sind Pflanzen ebenfalls enorm wichtig, weil sie Insekten und Vögeln als Lebensraum dienen. Und in Sommermonaten kühlen sie die Luft und spenden Schatten. Zum Beispiel durch große Laubbäume: Diese können mehrere Hundert Liter Wasser pro Tag aufnehmen und an heißen Tagen bis zu 500 Liter Wasser verdunsten. In Hamburg wird die Zahl der Parkbäume auf rund 600.000 geschätzt. Mit 224.000 Straßenbäumen hat die Stadt außerdem in Deutschland die meisten Bäume pro Kopf. Dieser Bestand allein bringt jedoch wenig, wenn es den Bäumen nicht auch langfristig gut geht. Die Schwammstadt muss daher auch die Pflege der Bäume sicherstellen. Als Grünflächen dienen nicht nur klassische Parks: Auch Dächer und Fassaden lassen sich bepflanzen. Je nach Ausgestaltung können begrünte Dächer bis zu 90 Prozent des Regenwassers zurückhalten. Sie funktionieren dabei wie eine Art Klimaanlage: Unter Dächern mit einer etwa 10 Zentimeter dicken Begrünung ist es an Sommertagen bis zu 8 Grad kühler. Geteerte Flachdächer hingegen heizen die Stadt weiter auf. 

Veränderung der jährlichen Niederschläge in Deutschland, Abweichung in 2023 gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1971 bis 2000
Mit den Temperaturen erhöhen sich die Niederschläge. Anpassungsmaßnahmen sind nötig, um Städte vor Überflutungen zu schützen, die immer häufiger drohen

Schutz natürlicher Wasserflächen

Bei Kanälen tritt Wasser schnell über die Ufer. Naturnahe, frei fließende Flüsse hingegen können große Mengen Wasser aufnehmen – und läuft das Wasser auch dort über, dienen die an die Ufer angeschlossenen Auen als natürliche Überschwemmungsgebiete, etwa im Umkreis großer Städte. Auch Moore können große Mengen Wasser speichern und so Schäden durch Hochwasser verringern. In Hamburg gibt es trotzdem nach wie vor Bauprojekte, für die Überschwemmungsflächen und Moore geopfert werden. So droht die geplante Autobahn A26 Ost wertvolle Moorböden zu zerstören.  Natürliche Flächen sind für den Wasserhaushalt und die Natur unerlässlich. Darum rückt Renaturierung verstärkt in den Fokus. Ein Beispiel aus Hamburg ist das BUND-Kooperationsprojekt Lebendige Alster. Seit 2012 wertet die Organisation mit vielen weiteren Beteiligten den Lebensraum in und an der Alster ökologisch auf: Auenbereiche werden renaturiert, Flachwasserzonen wiederhergestellt und Lebensraumstrukturen wie Kiessohlen am Gewässergrund eingebracht. 

Wen die Befragten der Wasserumfrage 2024 in der Pflicht sehen, für gute Wasserqualität zu sorgen, in Prozent
Studien zeigen: Auch deutsches Trinkwasser ist zunehmend belastet. Die Mehrheit sieht vor allem Verursacher und Politik in der Verantwortung

Herausforderungen beim Stadtumbau

Viele dieser Maßnahmen gehören in Hamburg und anderswo noch lange nicht zur gängigen Praxis. Der Bau von Straßen, Häusern und Industrieprojekten legt der nötigen Entsiegelung Beton in den Weg. Der Platz in der Stadt ist begrenzt und die Flächenkonkurrenz groß. Dadurch geraten viele nötige Maßnahmen ins Stocken. Das zeigt: Der Umbau zur Schwammstadt ist nicht nur eine planerische Aufgabe, sondern insbesondere eine politische Herausforderung. So wichtig Pilotprojekte und einzelne Maßnahmen bereits sind, sie sind nur der Anfang. Es muss nun die Bereitschaft zu einem grundlegenden Stadtumbau folgen, der auch die Verkehrsentwicklung, den Wohnungsbau und die Gewerbeentwicklung einbezieht.