Trump und Big Tech: Europas Souveränität steht auf dem Spiel

Vorstandskolumne

Noch hat die EU durchsetzungsstarke Regeln für die großen digitalen Plattformen. Doch unter Donald Trump und seinen Verbündeten entwickeln sich die USA zum offenen Gegner dieser Regularien. Ob durch Zölle auf Waren aus der EU oder Rückzug aus Sicherheitsgarantien: Trump und mächtige Tech-CEOs wie Musk und Zuckerberg wollen Europa gemeinsam in die Knie zwingen.

Foto von Jan Philipp Albrecht, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

Schon bevor Donald Trump zum zweiten Mal als neuer US-Präsident eingeschworen worden ist, hat er die Welt bereits in Aufruhr versetzt – und fundamentale politische Veränderungen losgetreten. Während der angehende Präsident in der Außen- und Sicherheitspolitik bis jetzt vor allem großspurige Ansagen und Drohungen formuliert, wirken sich die neuen Machtverhältnisse schon jetzt unmittelbar auf die Regulierung großer Tech-Unternehmen aus. 

Trump, Musk und die neue Machtallianz

Viel zu tun hat das mit Trumps mächtigem Verbündeten und Staatsreform-Beauftragten Elon Musk, reichster Mensch der Welt, CEO von Tesla und Space X - und Inhaber der zumindest noch so relevanten wie umstrittenen Kurznachrichtenplattform X. Der Tech-Milliardärund künftige US-Sonderberater für Regierungseffizienz nutzt seine Macht und Reichweite offen, um rechtsextreme Kräfte in westlichen Demokratien zu unterstützen. Gleichzeitig delegitimiert er rechtsstaatliche Strukturen und verbreitet munter Verschwörungsnarrative, die so auch aus dem Kreml kommen könnten.

Vor Trumps Wahlerfolg musste Musk noch fürchten, dass die mangelnde Regulierung auf X auch in den USA geahndet werden könnte. Nun aber kann er aufatmen – und Desinformation und Propaganda freien Lauf lassen: Auf seinen Vorschlag hin hat Trump nun Brendan Carr zum künftigen Chef der diesbezüglich verantwortlichen Regierungsbehörde FCC benannt. Während diese Behörde eigentlich dafür zuständig ist, Vorschriften und Leitlinien für Kommunikationsmedien in den Vereinigten Staaten zu verabschieden und durchzusetzen ist Regulierung für ihrem künftigen Kopf Carr eher ein Fremdwort. 

Wie Tech-Milliardäre Einfluss auf die US-Politik nehmen

Auch von Trumps Vize J.D. Vance bekommt Musk Rückendeckung. Er drohte bereits der EU, die USA könnten ihre Hilfen für die Ukraine in Frage stellen, sollte die EU ihre Regeln gegenüber X durchsetzen. Es ist offensichtlich, warum sich der Tech-Milliardär Musk mit einer Viertelmilliarde Dollar, öffentlichen Wahlempfehlungen und Wahlkampfauftritten für Trump eingesetzt hat. Und es ist unverkennbar, wie sehr Musk den neuen US-Präsidenten damit in seiner Hand hat.

Dass das auch andere Tech-CEOs nicht unberührt lässt, überrascht wenig. Während des Wahlkampfs nahm Amazon-Gründer Jeff Bezos als Eigentümer der renommierten US-Zeitung Washington Post Einfluss auf deren Inhalt und untersagte eine geplante Wahlempfehlung für die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris. 

Die ultralibertäre Grundhaltung von Trump und Musk hat in vorauseilendem Gehorsam nun auch Meta-CEO Mark Zuckerberg übernommen. Kurzerhand und ohne Vorwarnung beendete er in den USA seine Kooperationen mit Faktencheck-Redaktionen. Großspurig verkündete er dies in einer Videobotschaft – ergänzt durch einen Vorwurf gegenüber Europa, der es in sich hat: Auf der anderen Seite des Atlantik gäbe es immer mehr Gesetze, durch die die Zensur institutionalisiert würde. Auch wenn EU-Kommissionsvizechefin Henna Virkkunen dies umgehend zurückwies – Zuckerbergs Worte wirken weiter. Und hinter seinen Ankündigungen steckt Kalkül.

Europäische Regulierungen unter Beschuss

Denn mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act hat Europa zwar neue Vorschriften implementiert, die die Macht großer Online-Plattformen inklusive der sozialen Netzwerke einschränken sollen. Doch die Umsetzung durch die europäischen Regulierungsbehörden geht nur schleppend voran. Und schon werden die ersten Stimmen hörbar, die eine Überprüfung eingeleiteter Verfahren und gar eine mögliche Anpassung der verabschiedeten Regeln ins Spiel bringen.

Für Tech-CEOs wie Zuckerberg und Musk bringt dies zusammen mit der weltpolitischen Lage und dem Machtwechsel in Washington, D.C. nun eine Chance mit sich. Sie wollen eine harte Durchsetzung der Brüsseler Regulierungen noch abzuwenden, indem die neue US-Regierung massiven politischen Druck auf die EU ausübt. Dass die von einer sich noch ankommenden Kommission geleitete Europäische Union derzeit durch Regierungskrisen in Berlin und Paris sowie schwierige Mehrheitsverhältnisse in Parlament und Rat gebeutelt und am Rande der Handlungsunfähigkeit ist, dürfte Trump und sowie Musk und Co nur bestärken.

In dieser Lage ergibt sich für die unheilige Allianz zwischen Trumps MAGA-Regierung und den von Musk angeführten Tech-CEOs die einmalige Chance, Europa in seine Schranken zu weisen. Während die EU ein Verfahren gegen Meta, Google und Apple wegen Verstößen gegen den Digital Markets Act vorantreibt, kommen in den USA Forderungen nach einem Handelskrieg in Form von Zöllen auf europäische Produkte auf. Den europäischen Staats- und Regierungschefs sowie der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen sollte spätestens jetzt völlig klar sein: Europas Souveränität steht hier auf dem Spiel. Reagiert die EU nicht mit klarer Replik, werden die Angriffe aus den USA weitergehen.

EU muss sich gegen den Druck aus Washington behaupten

Dabei verbirgt sich hinter dem Verhalten der US-Seite vor allem eines: Panik. Denn mittlerweile ist klar, dass es die europäischen Staaten tatsächlich ernst meinen mit der Durchsetzung ihrer eigenen Regeln im eigenen gemeinsamen Markt – dem größten Binnenmarkt der Welt. Offensichtlich ist auch, dass die EU ihren Regulierungsbehörden anders als die USA nicht zunehmend die Zähne gezogen, sondern sie stattdessen endlich mit scharfen Schwertern ausgestattet hat. Zu ihrem eigenen Besten: Denn nur so kann die Union sicherstellen, dass es auf ihrem eigenen Markt einen fairen Wettbewerb und starke Rechte für Nutzer*innen von digitalen Diensten gibt. Und nur so wird Europa dafür sorgen können, dass die in den Parlamenten Europas verabschiedeten Gesetze hierzulande auch tatsächlich durchgesetzt werden können.

Die Frage der Souveränität Europas wird sich in der nun kommenden Zeit daran entscheiden, ob sich die Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten – also auch und gerade der deutschen Bundesregierung – zu den gemeinsam verabschiedeten Regelungen bekennt und den Regulierungsbehörden den Rücken stärkt. Unbeirrbarkeit ist hier dringend angeraten - selbst wenn es um die mächtigsten und wertvollsten Unternehmen der Welt geht und Trump mit schwersten Drohungen gegenüber der europäischen Politik hantiert. Die ökonomischen Interessen europäischer Wettbewerber sind – auch im immer heftiger werdenden Medienmarkt – von diesen Entscheidungen abhängig. Genauso wie die Freiheit und die Souveränität der Menschen in Europa.


 

Die Kolumne ist zuerst bei Tagesspiegel Background erschienen.

Imme und Jan Philipp

Einmischen - die Vorstandskolumne

Einmischen! Als einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben. So hat es Heinrich Böll formuliert und diese Ermutigung inspiriert uns bis heute. Mit dieser Kolumne mischen wir uns als Vorstand der Stiftung in den aktuellen politisch-gesellschaftlichen Diskurs ein. Jeden Monat schreiben hier im Wechsel: Jan Philipp Albrecht und Imme Scholz.

>> Alle Beiträge im Überblick