Die Zahl der Landwirt*innen in Polen geht zurück, aber glücklicherweise gibt es in den ländlichen Gebieten eine Gruppe, die versucht, Betriebe nach neuen Prinzipien aufzubauen. Die jungen Frauen setzen sich für die Ideen von Agrarökologie ein: Diversifizierung der Produktion, Zusammenarbeit im ländlichen Raum und Umweltschutz.

Rund zwanzig Jahre ist es her, dass Polen und andere mitteleuropäische Länder der Europäischen Union beigetreten sind. Diese Zeit war geprägt von dynamischen Entwicklungen – und das dank der neu erhaltenen EU-Fördermittel auch für die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft in Polen hat sich seitdem stark professionalisiert, doch gleichzeitig kämpft sie - wie auch der Agrarsektor in den sogenannten alten EU-Ländern - mit zahlreichen Problemen.
So ist die Zahl der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zurückgegangen, Monokulturen nehmen zu, was zum einen die Qualität von Böden und Wasser verschlechtert. Zum anderen verstärkt dies die Überalterung in der Landwirtschaft, der Generationenwechsel wird zunehmend schwierig. Weltweit suchen immer mehr Menschen nach Alternativen, die es ihnen ermöglichen, auf diese Probleme zu reagieren – allen voran die Frauen.
Eine Form des Widerstands gegen das derzeit vorherrschende und oft kritisierte Modell des Ernährungssystems ist die Idee der Agrarökologie, die sowohl durch Graswurzelbewegungen als auch durch Betriebe vorangetrieben wird. In Polen steht für dieses Bestreben die Ökologische Volksuniversität1, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts gegründet und von Ewa Smuk-Stretenwerth und Peter Stratenwerth zusammen mit ihrem Team geleitet wurde. Die Polnische Schule für Agrarökologie ist seit einigen Jahren an diesem besonderen Ort angesiedelt und bringt Werte, die der Agrarökologie nahe stehen, Menschen nahe, die mit diesem Konzept nicht vertraut waren. Im Jahr 2024 fand hier auf Initiative des Instituts für ländliche und landwirtschaftliche Entwicklung und der Stiftung Agro-Perma-Lab erstmals auch ein agrarökologisches Treffen von landwirtschaftlichen Erzeugerinnen aus Mittel- und Osteuropa statt.
Ziel des Kongresses war es, Frauen, die in Mittel- und Osteuropa agrarökologisch tätig sind, miteinander zu vernetzen und sie in ihrer politischen Interessensvertretung zu stärken. Diejenigen, die die Ideen der Agrarökologie in ihrer täglichen Arbeit umsetzen, sollten befähigt werden, sich zusammenzuschließen und einen Paradigmenwechsel voranzutreiben, der auf Aufbau des gesamten Ernährungssystems ansetzt.
Während dieses viertägigen Treffens erarbeiteten die Teilnehmerinnen aus der Slowakei, der Tschechischen Republik, Polen, der Ukraine, Moldawien und Georgien, die Institutionen wie Gradina Moldovei, Elkana, AMPI, das slowakische Parlament für den ländlichen Raum und Permakultura in der Ukraine vertraten, Konzepte für Lobbyarbeit und Wege der Zusammenarbeit von Frauen in der Landwirtschaft. Sie formulierten politische Forderungen und diskutierten darüber, wie sie sich auf den höchsten Ebenen der europäischen Politik, also dort, wo Entscheidungen über das Leben im ländlichen Raum getroffen werden, Gehör verschaffen können.
Das wichtigste, aber auch das am wenigesten greifbare Ergebnis dieses Treffens war der Austausch von Erfahrungen und täglichen Praktiken, die allen agrarökologischen Bäuerinnen gemeinsam sind, unabhängig davon, ob sie in der slowakischen Tatra oder in den Weinbergen der Republik Moldau leben.
Eine dieser Frauen ist Dorota Dembińska, eine landwirtschaftliche Erzeugerin und Dorfvorsteherin, die nach ihrem Schulabschluss ihr Heimatdorf in Richtung Großstadt verließ, um eine höhere Ausbildung und einen guten Job in ihrem eigenen Unternehmen zu finden. Heute baut sie auf 16 Hektar Kräuter und Blumen an und züchtet Kaltblutpferde und Geflügel. Hätte ihr jedoch jemand vor 20 Jahren gesagt, dass sie sich heute mit Stolz als Landwirtin bezeichnen würde, hätte sie dies nicht geglaubt.
Ich habe nie daran gedacht, Bäuerin zu werden. Ich träumte davon, Psychologie zu studieren und in die Stadt zu fliehen. Aber als meine Eltern vor ein paar Jahren einen schweren Unfall hatten, beschloss ich, die Zügel in die Hand zu nehmen.
Dorota änderte nicht nur ihr Leben, sondern auch die Art und Weise, wie ihr Familienbetrieb geführt wurde. Sie stellte von der konventionellen Landwirtschaft auf ökologische Methoden um und verzichtete auf den Einsatz von synthetischen Düngemitteln und chemischen Pestiziden.
Sie legt großen Wert auf die Regeneration des Bodens und sorgt für einen geschlossenen Kreislauf auf dem Hof, indem sie lokal verfügbare Materialien wie Holzspäne, Altpapier und ihren eigenen Kompost verwendet. Für Dorota geht es bei der Agrarökologie darum, die Ressourcen, die die Landschaft zu bieten hat, zu kombinieren. Dorota fasst es so zusammen:
„Agrarökologie, das sind meine Felder, meine Wiesen, auf denen ich keine Chemikalien verwende. Wenn es notwendig ist, das darauf wachsende Unkraut zu bekämpfen, wende ich dafür nur natürliche Methoden an, die auf dem basieren, was ich auf dem Hof habe.
Die von Dorota beschriebenen Methoden zur Bodenbearbeitung, Unkraut- oder Schädlingsbekämpfung fallen unter eine der drei Dimensionen der Agrarökologie2: die ökologische Dimension. Nachhaltige Umweltpraktiken müssen jedoch in der ländlichen Lebensweise verwurzelt sein. Denn die Erhaltung widerstandsfähiger Ökosysteme garantiert nicht nur eine stabile landwirtschaftliche Produktion, die die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Betriebe sichert, sondern auch den Fortbestand einer Kultur, die die Grundlage der ländlichen Identität bildet.
Für Dorota ist dieser Aspekt entscheidend:
Meine Idee ist "vom Samen zum Laib Brot". Ich würde mir wünschen, dass die meisten Frauen auf dem Lande etwas anbauen, wissen, wie man Getreide verarbeitet, und ihr eigenes Brot backen. Ich weiß, dass die Viehzucht, insbesondere die Rinderzucht, heutzutage eine Seltenheit ist, aber in meinem Dorf gibt es noch Bäuerinnen und Bauern, die das tun. Aus der Milch, die man bei ihnen kauft, kann man seinen eigenen Käse herstellen. Es lohnt sich, die Kraft von Kräutern wie Lavendel, Thymian und Minze zu nutzen. Zusammen mit den Mädchen, mit denen ich arbeite, stelle ich auch natürliche Kräuterkosmetik her. Es geht darum, das zu nutzen, was in der Nähe ist - zu erkennen und zu wissen, wie man Kiefernsprossen oder Holunder verarbeitet. Und sich dieses Wissen nicht entgehen zu lassen.
Die Existenz starker ländlicher Gemeinschaften, die durch gemeinsame Werte und Lebensstile vereint sind, ist eine der Säulen der Agrarökologie. Diese Überzeugung vertreten sowohl Graswurzelbewegungen als auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.
Für unsere Überlegungen ist die Frage relevant: Wie können wir eine ländliche und landwirtschaftliche Gemeinschaft aufbauen in einer Zeit, die geprägt ist vom Sterben landwirtschafticher Bertriebe und der Flucht in die Städte? Wie können wir eine Identität aufbauen, die authentisch ist und zum Vorbild für jüngere Dorfbewohner*innen werden kann, um die Weitergabevon Traditionen zu gewährleisten? Und schließlich, wie findet man sich in dieser Rolle zurecht - sei es als jemand, der neu ins Dorf kommt, oder - wie Dorota - nach vielen Jahren in seine Gemeinde zurückkehrt?
Der Schlüssel in meinem Fall waren alte Bekannte aus meiner Schulzeit. Und der Wunsch zu handeln, der durch die Stadt in mir geweckt wurde. Nachdem ich aufs Land gezogen war, sah ich, dass sich viele Frauen in ihren Häusern einschlossen. Ich beschloss, dies zu ändern und mit Hilfe alter Freund*innen diese Mädchen aus ihren Wohnungen zu holen und sie in gemeinsame Aktivitäten einzubinden - aber solche, die im Alltag nützlich sind, damit keine von ihnen das Gefühl hat, ihre Zeit zu verschwenden. Wir mieteten einen Raum im Dorfgemeinschaftshaus und begannen, uns zu treffen und gemeinsam Konserven und Kosmetika herzustellen sowie neue Fertigkeiten zu erlernen. Das führte zu Ideen wie Käserei-Workshops und sogar Hausschlachtungen von Tieren, die von Leuten aus unserem Dorfgemeinschaftshaus durchgeführt wurden.
Die informelle Zusammenarbeit, die Selbstorganisation und das Lernen voneinander sind wichtige soziale Aspekte der Agrarökologie. Der horizontale Wissensaustausch und vor allem die Anerkennung, dass traditionelle landwirtschaftliche Methoden ebenso wertvoll sind wie neue Technologien, bilden die Grundlage, um die von unseren Vorfahren geschaffenen Landschaften zu bewahren. Der Rückgang der Landwirtschaft, wie Dorota ebenfalls betont, bleibt in diesem Zusammenhang ein Problem:
Es gibt immer weniger Bäuerinnen. In meinem Dorf gibt es buchstäblich nur noch sechs Bauernhöfe, von denen zwei in der Milchviehhaltung tätig sind. In anderen Orten, die ich besuche, stelle ich dagegen einen Trend fest: Bei den Frauen über 45 dominieren die Miteigentümerinnen von Bauernhöfen und spielen eine unterstützende Rolle, während die meisten landwirtschaftlichen Aufgaben von ihren Ehemännern übernommen werden. Im Gegensatz dazu beginnen jüngere, gebildete und mit der Stadt vertraute Frauen zwischen 20 und 40 Jahren, die Landwirtschaft studiert oder ihr Wissen auf andere Weise erweitert haben, tatsächlich die Verantwortung für ihre Höfe zu übernehmen. Sie denken darüber nach, wie sie diese ausbauen können, sie betreiben Agrotourismus, sie stellen auf Ökologie um, sie gründen „Sorgebetriebe“ und sie beteiligen sich am Dorfleben. Ökologisches Bewusstsein und der Wunsch, eine Gemeinschaft aufzubauen, sind bei ihnen deutlich stärker ausgeprägt als bei den Männern.
Dorotas Beobachtungen decken sich mit Daten aus öffentlichen Statistiken, aus denen ein bestimmtes Profil der von Frauen geführten Betriebe hervorgeht. In der Regel handelt es sich bei dieser Art von Betrieben eher um Selbstversorgerbetriebe, multifunktionale Betriebe, Wohnbetriebe, die das Familienbudget aufbessern, aber auch um Betriebe, die eher zu "Innovationen" neigen, etwa durch Heimverarbeitung, Direktvermarktung, ökologische Erzeugung, Kunsthandwerk, Agrotourismus und vieles mehr.
Allerdings spiegeln die öffentlichen polnischen Daten kein vollständiges Bild der Landwirtschaft im Allgemeinen oder der Präsenz von Frauen in der Landwirtschaft wider. Die tatsächliche Zahl derlandwirtschaftlichen Betriebe ist zu hoch angesetzt. Vermutlich ist dies auch in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas der Fall.
Die Situation der polnischen Bäuerinnen ist durch besondere Umstände geprägt. Unser Land durchlief die sozialistische Periode ohne die groß angelegte Verstaatlichung von landwirtschaftlichen Flächen (wie in anderen Ostblockländern). Es unterlag dem Narrativ der Gleichberechtigung der Frauen im Berufsleben, das allen sozialistischen Ländern gemein war, was jedoch den kulturellen Druck auf Frauen, Haus- und Pflegearbeit zu leisten, nicht minderte3. Darüber hinaus werden die Einstellungen und Verhaltensweisen von Landwirtinnen in Polen durch Botschaften über die Rolle der Frau aus konservativen Kreisen beeinflusst, die in ländlichen Gebieten stärker wirken.
Bis vor kurzem war die Familie für die meisten Frauen das wichtigste Betätigungsfeld, und ihre Identität wurde durch die Rolle der Ehefrau und Mutter geprägt. Öffentliche Aktivitäten, selbst in landwirtschaftlichen Kreisen oder anderen Berufsverbänden, waren für sie unerreichbar. Versuche von Landfrauen, aus diesen klar vorgeschriebenen Rollen auszubrechen, stießen in der Regel auf die Missbilligung der Gemeinschaft4.
Heutzutage wächst jedoch vor allem bei den jüngeren Frauengenerationen der Wunsch, sich selbst weiterzuentwickeln, eine Ausbildung zu absolvieren und ihre eigenen Berufswünsche zu verwirklichen, ohne ihre Heimatstadt verlassen zu müssen, wie Dorotas Aussage zeigt.
Die Gleichstellung der Geschlechter und die Wertschätzung der Rolle der Frauen ist ein wichtiger Aspekt der Agrarökologie. In Polen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Arbeit von Frauen herabgewürdigt wird. Sie sind hauptsächlich mit Verwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben auf dem Hof beschäftigt - Tätigkeiten, die für das Funktionieren des Betriebs als zweitrangig angesehen werden. Es wird betont, dass der Mann eine größere Rolle bei der Übernahme von Tätigkeiten spielt, die mehr körperliche Kraft und Kenntnisse bei der Bedienung und Reparatur schwerer Geräte erfordern. Und doch sind im heutigen landwirtschaftlichen Umfeld Management, Organisation, Planung und die Beschaffung von Mitteln für den Betrieb von entscheidender Bedeutung. Dorota dazu:
Ich denke, dass es für Frauen genauso einfach ist, Landwirtin zu werden wie für Männer. Wir haben nicht nur die körperliche Kraft, sondern auch alle Veranlagungen dazu. Frauen können genauso wie Männer anbauen und sogar Maschinen bedienen. Außerdem - so meine Beobachtung - sind Frauen diejenigen, die den Papierkram erledigen: Sie sind diejenigen, die sich merken, wie die Betriebsnummer lautet, welche Formulare bis wann ausgefüllt werden müssen. Und sie sind diejenigen, die die Dinge in den Büros erledigen. Und das ist heutzutage ein sehr wichtiger Teil der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs. Und doch gibt es hier immer noch Stereotypen - Frauen seien kleiner, hätten weniger Möglichkeiten. Deshalb ist es mir so wichtig, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sich zu treffen, miteinander zu reden. Denn Männer haben viele Möglichkeiten, sich zu treffen - sie feiern zusammen, sie reden. Und sie verstehen sich! Das sieht man vor allem in den Landwirtschaftskammern – 99 Prozent der Mitglieder dieser Organisationen sind Männer, die ihre Position damit begründen, dass sie diejenigen sind, die von Kindesbeinen an auf dem Hof gearbeitet haben, sie sind diejenigen, die dieses Wissen, diese Erfahrung, die goldene Mitte für alles haben. Die männliche Stimme zählt immer noch doppelt.
Der agrarökologische Ansatz ist in Mittel- und Osteuropa nach wie vor ein Nischenkonzept und wird noch immer nicht allgemein anerkannt. Dennoch waren viele der Merkmale, die die Agrarökologie kennzeichnen, etwa Selbstorganisation und geschlossene Kreislaufsysteme auf den Höfen, jahrhundertelang typisch für bäuerliche Praktiken (auch wenn sie in den letzten Jahrzehnten zunehmend verzerrt wurden). Heute sind es häufiger Frauen als Männer, die bereit sind, Antworten auf ökologisch-soziale Herausforderungen in solchen Praktiken zu suchen, die auch in der Vergangenheit gut funktioniert haben.
Weitere Informationen und lokale Projekte
Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO). The 10 Elements of Agroecology: Guiding the Transition to Sustainable Food and Agricultural Systems,
Ökologische Volksuniversität in Grzybów.
Polnische Schule für Agrarökologie.
SWIFT: Unterstützung der von Frauen geführten Innovation in landwirtschaftlichen Gebieten.
Fußnoten
- 1 Die Ökologische Volksuniversität in Grzybów ist sowohl eine Volksuniversität, in der die Studierenden durch die Praxis lernen, als auch ein agrarökologischer Bauernhof, eine Bäckerei und eine Sozialgenossenschaft, die eine Kantine für Studierende und Gäste betreibt. Von Anfang an wollten die Gründer*innen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus verschiedenen Bereichen rund um das Thema Agrarökologie zusammenbringen. Die "Gute Ernte", die sie seit zwanzig Jahren jährlich veranstalten, ist eine Veranstaltung, die Biobauern und -bäuerinnen zusammenbringt und die Verbreitung bewährter Verfahren in diesem Bereich fördert.
- 2 Im Rahmen des Projekts SWIFT (Supporting Women-led Innovation in Farming Territories) von Horizon Europe wurden die Dimensionen der Agrarökologie in drei Gruppen eingeteilt: Ökologisch, wirtschaftlich und sozial.
- 3 Fidelis, M. (2020). Równouprawnienie czy konserwatywna nowoczesność? Kobiety pracujące [Gender equality or conservative modernity? Working women] in: Klich-Kluczewska, B., Stańczak-Wiślicz, K., Fidelis, M., & Perkowski, P., Kobiety w Polsce 1945–1989: nowoczesność – równouprawnienie – komunizm [Women in Poland 1945–1989: Modernity – Equality – Communism]. Kraków: Universitas Publishing House.
- 4 Siehe Michalska, S. (2013). Tradycyjne i nowe role kobiet wiejskich [Traditionelle und neue Rollen von Frauen auf dem Land]. Wieś i Rolnictwo Kwartalnik, (2).