Nach einem von Desinformation und Hasskampagnen geprägten turbulenten Wahlkampf fanden am 30. November in Honduras die Präsidentschaftswahlen statt. Die Regierungspartei Libre wurde für nicht erfüllte Versprechungen hart abgestraft. Noch immer steht der Wahlsieger nicht fest und nach der Einmischung von Donald Trump sowie der Freilassung des wegen Drogenhandels verurteilten Ex-Präsidenten Hernández ist die Lage vor Ort mehr als angespannt.
Das Interview mit Jennifer Ávila, Direktorin des investigativen Mediums ContraCorriente führte Mareike Bödefeld, Referentin Lateinamerika.
Mareike Bödefeld: Xiomara Castro und ihre Partei Libre wurden bei der Präsidentschaftswahl in Honduras am 30. November 2025 hart abgestraft. Sie hatte ihr Amt mit großen Versprechungen angetreten, die Erwartungen an sie waren hoch. Sie wollte etwa Honduras aus der sogenannten „Narco-Diktatur” befreien. Was hat sie erreicht und was waren ihre größten Herausforderungen? Sie war die erste Präsidentin des kleinen zentralamerikanischen Landes – inwiefern hat sie Politik für die honduranischen Frauen gemacht?
Jennifer Ávila: Xiomara Castro hat die Narco-Diktatur nicht abgeschafft, denn sie konnte die mafiösen Verbindungen ihrer Partei Libertad y Refundación (LIBRE) nicht auflösen, sondern hat vielmehr einen unbefristeten Ausnahmezustand verhängt. Dieser führte nicht zu konkreten Ergebnissen, etwa der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Das hat sich auf die Parlamentswahlen ausgewirkt, bei denen ihre Partei auf allen Ebenen abgestraft wurde. Sie konnte wenige strukturelle Änderungen der Machtverhältnisse anstoßen, die Macht der Kriminellen blieb jedoch unangetastet. Viele Versprechungen wurden nicht eingehalten: sie prangerte das Auslieferungsabkommen mit den USA an, nach dem Familienangehörige und andere Mitglieder ihrer Partei in den Drogenhandel verwickelt waren. Die internationale Kommission gegen Korruption konnte bis heute nicht im Land eingerichtet werden. Korrupten Persönlichkeiten, die von der Bevölkerung abgelehnt werden, wurde Amnestie gewährt. Auch gegenüber den Frauen hielt sie ihre Versprechen nicht: Seit Amtsantritt im Januar 2022 wurden keine wirksamen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen eingeführt, im Gegenteil, der Ausnahmezustand verschärfte die ohnehin schon prekäre Lage der schutzbedürftigen Gruppen des Landes noch weiter. Nach Angaben des Zentrums für Frauenrechte wurde seit Anfang Januar 2022 1.127 Frauen in Honduras ermordet.
Als erste Präsidentin des Landes stand Xiomara Castro den patriarchalen Strukturen der Gesellschaft gegenüber, in der Angriffe in den sozialen Netzwerken oder in den Medien gegen sie, stark von geschlechtsspezifischer Gewalt geprägt waren. Sie wurde heftig dafür kritisiert, dass ihr Ehemann und ihre beiden Söhne als Berater in der Regierung tätig waren, was zwar verwerflich ist, aber häufig zusätzlich betont wurde, dass sie ohne ihre Männer scheinbar nicht regieren könne.
Wie verlief der Wahlkampf und was waren die zentralen Themen? Welche Kandidat*innen standen zur Wahl? Inwieweit haben Akteure der organisierten Kriminalität die Wahlen beeinflusst?
Der Wahlkampf war geprägt von Desinformation und Manipulation durch die Medien und hat sich auf die beiden Kandidaten Salvador Nasralla (Liberalen Partei - Partido Liberal de Honduras) und Nasry Asfura (Nationale Partei - Partido Nacional de Honduras) konzentriert. Die Regierung von Xiomara Castro gab mehr als eine Milliarde Lempiras (etwa 40 Millionen USD) für eine Medienkampagne aus. Diese Kampagne verbreitete Desinformation und Angriffe auf kritische Stimmen und Medien. Diese von Hass geprägte Kampagne hatte auch Auswirkungen auf ihr Wahlergebnis. Kandidat Salvador Nasralla verbreitete während des gesamten Wahlkampfs polarisierende Botschaften, da er seine rechte Positionierung mit einer antikommunistischen Rhetorik verstärkte und er sich mit seiner guten Beziehung zu Trump rühmte. Er ahmte die MAGA-Bewegung („Make America Great Again“) nach. Nasralla ging 2021 ein Bündnis mit Xiomara Castro ein, zog seine eigene Kandidatur zurück und trat als Vize-Kanditat an, um gemeinsam mit Castro die Regierung zu übernehmen und die Nationale Partei zu verdrängen. So verlor er Zuspruch aus den USA, insbesondere durch Präsident Donald Trump. Dieser beschloss bei den Wahlen Ende November 2025, den Gegenkandidaten Nasry Asfura zu unterstützen. Nasry hatte nach den ersten Auszählungen der Stimmen eine knappe Mehrheit, die Ergebnisse sind aber bisher nicht anerkannt. Auch Nasry Asfuras Wahlkampf war von Desinformation und politischer Manipulation gekennzeichnet, vorwiegend in den sogenannten sozialen Netzwerken wie Tiktok. Damit wollte er auch jüngere Zielgruppen ansprechen. Nasry Asfura hat jetzt versprochen, die Beziehungen zu den USA zu stärken. Trump drohte dem ganzen Land, falls die knappe Stimmenmehrheit für Asfura nicht anerkannt würde.
Einen Tag nach den Wahlen, begnadigte Trump am 1. Dezember 2025 den ehemaligen Präsidenten Juan Orlando Hernández, der in den USA wegen Drogenhandel inhaftiert war. Die Entlassung führte zu einer unerwarteten Wende bei den Wahlen: die nach der Verhaftung in 2022 zersplitterte Nationale Partei schloss sich wieder zusammen und machte deutlich, dass ihre politischen Strukturen weiterhin intakt seien. Die mögliche Rückkehr von Persönlichkeiten wie Juan Orlando Hernández berührt einen schmerzhaften Nerv der honduranischen Gesellschaft: Seine verfassungswidrige Wiederwahl im Jahr 2017 und die repressiven Regierungsjahre haben tiefe politische Wunden hinterlassen. Zudem wird befürchtet, dass seine Präsenz die Wiederbelebung umstrittener, oligarchischer Familienclans im ländlichen Raum begünstigt und damit die Korruption und Machtstrukturen der Vergangenheit zementiert.
Auch Nasry Asfura ist stark umstritten: Seine weitreichende Korruptionsverbindungen, einschließlich der Verwaltung von Offshore-Konten während seiner Amtszeit als Bürgermeister der Hauptstadt Tegucigalpa, wurden auch in den Pandora Papers festgehalten. Rixi Moncada, Kandidatin der Regierungspartei Libre, die unter den Regierungen von Manuel Zelaya und Xiomara Castro als Staatsfrau und hohe Beamtin diente, setzte auf ideologische Polarisierung. Sie provozierte bewusst, indem sie die Regierungen von Maduro in Venezuela und Ortega in Nicaragua lobte und einen Wahlkampf gegen die Eliten des Landes führte.
Der Wahlkampf war sehr turbulent, welche Überraschungen gab es am Wahlabend und in den Tagen danach?
Überraschend war die Einmischung des Präsidenten der USA, Donald Trump, mit seiner ausdrücklichen Unterstützung für den Kandidaten der Nationalen Partei, Nasry Asfura, und der Ankündigung der Begnadigung des ehemaligen Präsidenten Juan Orlando Hernández. Während die Verluste für die Regierungspartei Libre als eine erwartbare Quittung der Wähler*innen galten, überraschte die unerwartete und geschlossene Einheit der Nationalen Partei viele Beobachter*innen. Viele Honduraner*innen lehnen diese Einmischung durch Trump ab. Salvador Nasralla profitierte davon. Der Abstand zwischen Nasralla und Asfura ist jedoch minimal. Mich überraschen die Proteststimmen gegen die Regierungspartei Libre und die Präsidentin Xiomara Castro überhaupt nicht. Sie hat ihre Versprechen nicht gehalten und sich bei der Ausübung ihres Amtes korrupt und unethisch verhalten. Entscheidend ist jedoch die Konsequenz: Durch die Enttäuschung scheint nun ein altes Zweiparteiensystem wieder hergestellt, symbolisiert durch die Nationale Partei. Das bedeutet auch eine Rückkehr zu Straffreiheitsabkommen und den traditionellen Machtstrukturen.
Inwieweit konnte ihr investigatives Medium, ContraCorriente, frei über den Wahlkampf berichten?
Es war ein komplizierter Wahlprozess mit Angriffen im digitalen Raum und Verleumdungskampagnen, die vor allem von regierungsnahen Accounts ausgingen. Regierungsbeamte behinderten den Zugang zu öffentlichen Informationen. Außerdem hält die Regierung von Präsidentin Xiomara Castro einen Ausnahmezustand aufrecht, der die verfassungsmäßigen Rechte einschränkt und der Militärpolizei größere Befugnisse zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung einräumt. Trotzdem konnten wir über den Wahlprozess berichten und hatten Zugang dazu.
Wie würdest du die aktuelle Lage, heute am 8. Dezember, beschreiben?
Nach Auszählung von 97,67 Prozent der übermittelten Stimmzettel durch den Nationalen Wahlrat (CNE) liegt Nasry Asfura von der Nationalen Partei mit einem knappen Vorsprung von 42.110 Stimmen vor Salvador Nasralla, dem Kandidaten der Liberalen Partei. Das ist sehr knapp.
Derzeit liegen zwei zentrale Vorschläge zum Umgang mit den Betrugsvorwürfen vor: Die Liberale Partei und die sozialdemokratische Partei PINU fordern aufgrund von Unstimmigkeiten in etwa 20 Prozent der Wahlprotokolle eine erneute Auszählung der Stimmen. Die Regierungspartei Partido Libertad y Refundación (Libre) hingegen verlangt die vollständige Annullierung der Wahlen. Libre hat darüberhinaus angekündigt, zu Straßenprotesten aufzurufen. Ziel ist es, politischen Druck auszuüben und die offiziellen Abläufe zur Amtsübergabe an den designierten Wahlsieger zu blockieren. Dies könnte beispielsweise eintreten, falls der Wahlberater der Regierungspartei der Wahlverkündung fern bleibt, die spätestens am 30. Dezember 2025 erfolgen müsste. Sollte er nicht erscheinen und auch keine gemäß den Vorschriften vorgesehene Vollversammlung stattfinden, kann kein Gewinner bekannt gegeben werden. In diesem Fall müsste der Nationalkongress Neuwahlen ausrufen. Dies würde das Land Milliarden Lempiras kosten (1 Euro entspricht aktuell 31 Lempiras) und mindestens sechs Monate lang institutionelles Chaos verursachen, da zunächst eine Übergangsregierung ernannt werden müsste.
Kandidat Asfura hat sich bislang nicht zum Wahlsieger erklärt, da die Legitimität des gesamten Prozesses durch eine Vielzahl an Faktoren beeinträchtigt wird. Dazu gehören Betrugsvorwürfe, die Begnadigung des ehemaligen Präsidenten Juan Orlando Hernández sowie die mutmaßliche Einmischung der US-Regierung, die deren Lobbyist*innen und Berater*innen zugeschrieben wird. Da die beiden großen Parteien gleichauf liegen, ist die Gültigkeit der Betrugsvorwürfe derzeit schwer einzuschätzen. Die Wahlprotokolle mit auffälligen Unregelmäßigkeiten wurden noch nicht gesondert überprüft und die Parteien haben sie noch nicht mit ihren eigenen Zählungen abgeglichen. Die Tatsache, dass Nasralla sich bereits vor der ersten Auszählung zum Sieger erklärt hat und dass die Regierung Trump sich in die honduranischen Wahlen einmischte, unterstreicht die völlige Delegitimierung des gesamten Wahlprozesses.
Weitere Informationen zu den Wahlen in Honduras:
- Betrugsvorwürfe und Sorgen nach Trumps Einmischung
Ein Interview mit Ingrid Hausinger, Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung Zentralamerika
Von Jenny Barke, ARD Mexiko City