Verabredungen zum Sterbenlassen

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Der Druck, tätig zu werden, steigt - auch dank einer Resolution des Europäischen Parlaments am 29.4.2015

Wir setzen alles in Bewegung, was wir haben – aber ihr helft uns: Das war Italiens Ansage nach der Katastrophe vor Lampedusa 2013. Doch die EU wollte die Kosten für die Seenotrettung nicht mittragen. Ohne Mare Nostrum sind jetzt 15 Mal mehr Menschen im Mittelmeer gestorben.

Der Rekord hatte nicht lange Bestand. Am 15. April meldeten italienische Nachrichtenagenturen ein Schiffsunglück mit etwa 400 toten Flüchtlingen und Migrant/innen vor der Küste Libyens. Auf dem Boot, das zwei Tage zuvor nahe der Stadt Zuwara in See gestochen war, hatten sich nach Angaben von Überlebenden insgesamt etwa 550 Menschen befunden. Es kenterte offenbar, als seine Insassen einen Frachter erblickt hatten und die Menschen sich auf eine Seite des Decks drängten. Den Geretteten zufolge konnten die meisten Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder und Jugendliche, nicht schwimmen. Die Küstenwache Italiens nahm 144 Überlebende auf, neun Leichen wurden geborgen. Die übrigen blieben verschwunden.

An Bord des italienischen Marineschiffs  „Orione“ ging das Drama weiter: Eine junge, schwangere Frau starb völlig entkräftet, während zugleich eine andere schwangere ihr Kind gebar. Mitarbeiter/innen der Hilfsorganisation Save the Children berichteten die Geretteten von den Zuständen in den libyschen Lagern: Sie seien vier Monate lang in einer alten Sardinenfabrik gefangen gehalten und misshandelt worden.  

Es war die schlimmste Katastrophe auf dem Mittelmeer, seit im Oktober 2013 mehr als 360 Menschen vor der Insel Lampedusa umgekommen waren. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte:  „Die Mittelmeer-Grenze ist heutzutage die tödlichste Grenze der Welt.“ Der Direktor des UN-Flüchtlingswerks UNHCR, Antonio Guterres, appellierte „an alle Regierungen der betroffenen Region, der Rettung von Menschenleben Priorität einzuräumen.“ Die EU habe aus der Katastrophe vor Lampedusa 2013 „nichts gelernt“.

Drei Tage später: Am Samstagabend, 18. April, erreicht ein Notruf die italienische Rettungsleitstelle. Ein Schiff meldet Manövrierprobleme. Es handelt sich um einen rund 30 Meter langen Schiffskutter mit mindestens 700 Menschen an Bord. Die Flüchtlinge stammen aus Somalia, Eritrea, Mali, Senegal, Ghana, der Elfenbeinküste, Sierra Leone, Bangladesch und Surinam. Auch sie waren, soweit bekannt, in Libyen in See gestochen. Die italienische Behörde alarmiert den portugiesischen Frachter  „King Jacob“, der sich in der Nähe des havarierten Bootes befindet. Er erreicht das Flüchtlingsschiff gegen Mitternacht, etwa 90 Kilometer von der libyschen Küste und 190 Kilometer von der italienischen Insel Lampedusa entfernt.

"Die EU lässt die Menschen ertrinken"

Zu diesem Zeitpunkt kentert das Flüchtlingsboot. Italien setzt Schiffe der Küstenwache und der Marine in Bewegung und fordert alle in der Nähe befindlichen Handelsschiffe und Fischkutter zur Beteiligung an der Rettungsaktion auf. Auch aus Malta laufen Boote aus. Bis Sonntagmittag erreichen 17 Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber den Unglücksort. 28 Menschen können aus dem Wasser gerettet, 24 Opfer tot geborgen werden. 700 Menschen sind tot.  

Die Geretteten und die Toten werden an Bord des italienischen Küstenwachschiffs  „Gregoretti“ genommen, das zunächst im Hafen von Malta anlegt. Die Leichen werden an Land gebracht, anschließend nimmt das Schiff mit den Überlebenden Kurs auf Catania. Es ist das schwerste Flüchtlingsunglück, das sich jemals im Mittelmeer ereignet hat.

Die Initiative  „Watch the Med“ – zu Deutsch etwa: Schaut aufs Mittelmeer -, die seit Oktober eine Hotline für in Seenot geratene Flüchtlinge betreibt, spricht davon, dass die Europäische Union  „Flüchtlinge tötet“. In einer Erklärung der Initiative heißt es:  „Die EU hätte die Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Aber sie lässt die Menschen ertrinken.“ Die Aktivist/innen seien in den letzten Wochen direkte Zeug/innen geworden,  „wenn Flüchtlinge auf Booten um das Überleben kämpften und Angehörige um sie bangten“, so die Stellungnahme.

„Wir wurden zudem Zeug/innen, wie sich die Küstenwachen Italiens und Maltas sowie immer mehr Besatzungen kommerzieller Schiffe um Rettung bemühten, das Sterben aber oftmals nicht verhindern konnten, weil sie zur Rettung nicht ausreichend ausgerüstet waren.“

Die Verantwortung dafür trügen die EU-Spitzenpolitiker/innen, die am 27. August 2014 in Brüssel das Ende der italienischen  „Mare Nostrum“-Operation, das Herunterfahren der Rettungsprogramme im Mittelmeer und die  „Abschottungsoperation Triton-Frontex vor den italienischen Küsten beschlossen haben“, so die Initiative.

Viele, die sich seit längeren mit dem Sterben auf dem Mittelmeer befassen, hatten genau dies schon vor den beiden großen Katastrophen im April prophezeit: Das Ende von Mare Nostrum bedeute den Beginn neuer Katastrophen.

Die EU trug nur ein Zehntel der Kosten

Wir setzen alles in Bewegung, was wir haben – aber ihr helft uns: Das war Italiens Ansage an die EU nach der Katastrophe vor Lampedusa 2013. Damals hatte die italienische Regierung Mare Nostrum gestartet. Ein neuer Verband, die 29. Gruppo Navale, wurde eingerichtet. Er bestand aus einem Landungsschiff, das bis zu vier schwere Transporthubschrauber mit sich führt, zwei Fregatten, vier kleinen Kriegsschiffe mit Bordhubschraubern, zwei Patrouillenbooten mit Landemöglichkeiten für Helikopter; mehreren Transportschiffen, Cessna-Aufklärungsflugzeugen mit Wärmebildkameras, Seeaufklärern und Drohnen der Luftwaffe. Bis in libysche Gewässer patrouillierte der Verband.

Es war ein Novum – und ein substanzieller Beitrag zur Lebensrettung – auch wenn bei weitem nicht alle Unfälle verhindert werden konnten. Über 170.000 Menschen erreichten 2014 Italien, offiziell ertranken im selben Zeitraum etwa 3.600. Eine Dunkelziffer eingerechnet muss mit einer Sterberate von knapp 3 Prozent gerechnet werden – von 30 bis 40 Menschen, die die Überfahrt aus Libyen wagen, ertrank einer. Eine erschreckende Zahl, doch ohne „Mare Nostrum“ hätte es weit mehr Opfer gegeben: 2015, ohne Mare Nostrum, sind die absoluten Totenzahlen – nicht die Sterberate – bis April um den Faktor 15 gestiegen.

Hilfe bekam Italien allerdings nicht. Die EU trug nur etwa ein Zehntel der Kosten von etwa 9,3 Millionen Euro im Monat für Mare Nostrum. Italien aber blieb nicht nur auf diesen Ausgaben sitzen. Europa änderte auch nichts daran, dass das Land sich gemäß der so genannten Dublin III-Verordnung ganz allein um die Flüchtlinge kümmern muss, die Italiens Soldaten aus dem Wasser zogen. Es war klar, dass Rom das nicht lange mitmachen würde. Seit dem Frühjahr 2014 hatte es immer wieder Unterstützung aus Brüssel gefordert. Ohne Erfolg. Im Mai 2014 erhöhte es den Druck und zog sich etwa von Libyens Küste zurück. Sofort schnellten die Unfallzahlen hoch: 1.600 Flüchtlinge starben in jenem Monat. Die tödliche Demonstration ließ Europa unbeeindruckt. Denn anders als bei dem Unglück 2013 wurde jetzt langsam hintereinander weg gestorben, und nicht auf einen Schlag.

Grenzsicherung statt Seenotrettung

Der Streit eskalierte. Nach einem Gipfel von Italien, Frontex und der EU-Kommission am 27. August 2014 in Brüssel wurde  „Mare Nostrum“ eingestellt – die EU wollte die Kosten nicht mittragen. Gleichwohl fordert Rom ebenso wie etwa der UNHCR eine neue Rettungsmission - aufgestellt von der EU. Doch die wollte nicht mitziehen. Stattdessen schickte sie die Grenzschützer von Frontex, um „Mare Nostrum“ durch eine Grenzschutzmission namens  „Triton“ zu ersetzen. Es war eine Verabredung zum Sterbenlassen. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström dämpfte die Erwartungen an das Programm:  „Nicht vollständig ersetzen“ könne die neue Mission  „Mare Nostrum“. Denn anders als Italiens Marine verfügt die EU-Grenzschutzagentur nur über wenig Material und Personal.

Sicher war dagegen ein anderer zentraler Punkt: Das Einsatzgebiet für Triton würde deutlich kleiner sein und sich auf die Außengrenzen der EU – also die Gewässer Italiens – beschränken. Flüchtlinge, die vor Libyen ertrinken, können keine Hilfe mehr erwarten. So musste Rom seine Marine angewiesen, auf eigene Rechnung weiter zu retten – selbst außerhalb der eigenen Gewässer.  

Frontex selbst hingegen stellte immer wieder klar, wofür es sich verantwortlich fühlt – und wofür nicht:  „Frontex ist für die Überwachung der Grenzen zuständig und hat nicht den Auftrag, Flüchtlinge zu retten“, sagte ihr Vizedirektor Gil Arias vor einigen Monaten im Tagesspiegel. Auch nach den neuen Katastrophen im April gab der neue Frontex-Chef Fabrice Leggeri es im britischen Guardian zu Protokoll:  „Triton kann keine Such- und Rettungsoperation sein. Das ist nicht unser Mandat.“ Die EU-Grenzschutzbehörde ist zum Grenzen schützen da und keine Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger – das ist die simple Wahrheit.

Besonders deutlich wurde die, als der Frontex-Operativdirektor Klaus Rösler die italienische Regierung am 10. Dezember per Brief aufforderte, eben dies bleiben zu lassen. Etwas verklausuliert verlangte er vom Innenministerium auf, keinen Notrufen außerhalb der 30-Meilen-Zone mehr nachzukommen. Stattdessen solle die libysche Küstenwache ausrücken. Erst kurz zuvor hatte Frontex in einem Konzeptpapier festgestellt, dass Rettungseinsätze nahe Libyen Flüchtlinge und Migrant/innen „ermutigen“ würden, die Überfahrt anzutreten. In der Frontex-Logik ist das folgerichtig: Denn die Behörde ist nun mal dafür da, irreguläre Grenzübertritte zu verhindern. 

Der vage 10-Punkte Plan der EU

In Brüssel ignorierte man diesen Umstand. Vier Tage nach dem großen Schiffsunglück vom 19. April trafen sich dort die EU-Staats- und -Regierungschefs. Der Status quo ist keine Option“, so EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Europa müsse „alles tun“, um weitere Opfer zu verhindern. Viele hatten nach der entsetzlichen Zahl von Opfern auf eine Kurskorrektur gehofft. Doch die EU verfolgt das Programm der Abschottung entschiedener als zuvor.

Die Staatschefs beschlossen ein Sofortprogramm zur  „Verhütung weiterer Lebensverluste auf See“. Dessen Kern: eine Verdreifachung des Budgets der Frontex-Operation Triton auf 9 Millionen Euro im Monat – genau so viel wie die Seerettungsmission Mare Nostrum gekostet hatte. Einige Tage später wurde bekannt, was die EU-Mitgliedsstaaten Frontex zur Verfügung stellen werden: Lettland und Litauen etwa geben je einen Helikopter, dazu ein Boot und Nachtsichtfahrzeuge, Dänemark und Belgien je ein Boot, Polen ein Flugzeug, die Tschechen geben Geld, Frankreich ein Boot und ein Flugzeug, Deutschland elf Boote und Schiffe, ähnlich Großbritannien. Die offene Frage aber lautet: Wo kommen sie zum Einsatz? Denn bis heute ist das Triton-Mandat auf die unmittelbaren italienischen Küstengewässer beschränkt – weit entfernt vom Ort der Unglücke. Die EU-Kommission hatte angeregt, man  „könnte“ das Gebiet vergrößern – einen entsprechenden Beschluss des Rats gab es bis Ende April nicht.  

Doch nicht nur an dieser Stelle blieb die EU – gelinde gesagt – vage. Italien und andere südeuropäische Staaten verlangen, dass die geretteten Flüchtlinge nicht nur ihnen aufgebürdet werden. Eine ganze Reihe von EU-Staaten nimmt praktisch gar keine Flüchtlinge auf. Doch einen Vorstoß für einen europäischen Verteilungsschlüssel unternimmt die Kommission auch jetzt nicht. In ihrem 10-Punkte Plan findet sich lediglich ein „freiwilliges Pilotprojekt zur Verteilung von Flüchtlingen“. In einem ersten Schritt könnte dies 5.000 Plätze für schutzbedürftige Personen bieten - das wäre etwa 1 Prozent der im vergangenen Jahr in der EU Angekommenen. Wer die 5.000 Umzuverteilenden nach welchen Kriterien aussuchen soll, lässt das Kommissionspapier offen. Und falls diese denn freiwillig bereitgestellt werden müssten sie zwischen Italien, Griechenland, Zypern und möglicherweise Malta aufgeteilt werden.

Die ungleiche Lastenverteilung bleibt bestehen

Weiterhin sollen „Möglichkeiten ausgelotet werden, ob Flüchtlinge im Notfall über einen Sondermechanismus verteilt werden können“. Dem Vernehmen nach ist hierbei vor allem an Syrer/innen in Italien und Griechenland gedacht. Dorthin soll das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) Teams schicken, um Asylanträge schnell zu bearbeiten. Derzeit warten Antragsteller in diesen Ländern bis zu drei Jahre auf eine Entscheidung.

Die meisten aber stellen erst gar keinen Asylantrag, sondern gehen als irreguläre Migrant/innen weiter - nach Zentral- und Nordeuropa, wo sie nicht bleiben dürfen. Offen ist, ob dieser neue „Sondermechanismus“ mit den 5.000 Plätzen aus dem freiwilligen Kontingent zusammenfällt - und wer entscheidet, ob ein „Notfall“ vorliegt. Das grundsätzliche Problem der extrem ungleichen Lastenverteilung innerhalb der EU bleibt bestehen.

Deutlich entschiedener will die EU hingegen in Sachen Schlepperbekämpfung zu Werke gehen: mit Waffengewalt. Offenbar sollen vor allem Schiffe von Schleuserbanden zerstört werden. Als Vorbild für eine mögliche Militäroperation hatte die EU-Kommission den Anti-Piraten-Einsatz Atalanta am Horn von Afrika genannt. Die daran beteiligten Einheiten hatten unter anderem die Befugnis, an Stränden gelegene Piratenlager anzugreifen. Unklar ist nicht nur, wie ein vergleichbares Vorgehen im Fall der libyschen Schlepperbanden überhaupt aussehen und völkerrechtlich begründet werden könnte, sondern auch, was mit den Flüchtlingen geschehen soll, die sich dann im zerfallenden Libyen aufstauen würden.

Staaten wie Sudan, Mali und Niger sollen Geld bekommen, damit diese Flüchtlinge schon tief in Afrika aufhalten. Programme zur Zusammenarbeit bei der Migrationskontrolle im Sahel gibt es schon seit einigen Jahren - nun sollen sie intensiviert werden.

Die Beschlüsse wurden von vielen Organisationen äußert kritisch aufgenommen. Von einem „Programm zur Sterbebegleitung“ sprach Karl Kopp von Pro Asyl. „De facto wurde den Flüchtlingen einmal mehr der Krieg erklärt“, befand Ramona Lenz von medico international. „Der Beschluss ist ein weiteres Aussitzen der humanitären Katastrophe und wird in den nächsten Monaten viele weitere Menschenleben kosten“, sagte Selmin Çal¦kan, die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. „Der Fokus bleibt darauf gerichtet, die Grenzen zu schützen, statt jene zu retten, die beim Versuch, diese Grenzen zu erreichen, sterben“, sagte Human-Rights-Watch-Direktor Kenneth Roth. „Menschenleben zu retten hat für die EU keine Priorität“, befand Aurélie Ponthieu von Ärzte ohne Grenzen.

Der Druck, tätig zu werden, nimmt zu

Am 29. April beschloss das Europäische Parlament eine Resolution für die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer und forderte weitgehende Reformen der europäischen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Es forderte ein europäisches Seenotrettungsprogramm nach dem Vorbild von Mare Nostrum. Als Sofortmaßnahme müsse das Einsatzgebiet von Triton ausgeweitet werden.  „Es reicht nicht, mehr Geld und Schiffe für den „Triton“-Einsatz der Grenzschutzagentur Frontex zur Verfügung zu stellen. Die Schiffe müssen dort eingesetzt werden, wo die Flüchtlinge tatsächlich in Seenot geraten“, sagte die Abgeordnete Ska Keller, die den Antrag eingebracht hatte.

Zudem forderte das Europäische Parlament die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten auf, mehr sichere und legale Zugangswege für Flüchtlinge schaffen. Dazu gehören humanitäre Visa und die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus den Nachbarländern Syriens über das Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, UNHCR. Derzeit stellen die EU-Mitgliedstaaten nur ein Zehntel der vom UNHCR benötigten Plätze bereit, 13 Mitgliedstaaten nehmen derzeit überhaupt keine Flüchtlinge über das Resettlement-Programm auf. Die Abgeordneten sprachen sich zudem für verbindliche Quoten für eine gerechte Verteilung von Asylsuchenden unter den EU-Staaten aus.

Ob sich Rat und Kommission davon beeindrucken lassen, ist fraglich. Seit Jahren sehen Teile des Parlaments das Gebaren der EU in Sachen Asyl und Migration kritisch, insbesondere was das Dublin-System und Frontex angeht. Die Mitgliedsstaaten hat dies in der Regel nicht interessiert. Gleichwohl: Der Parlamentsbeschluss ist Ausdruck einer EU-weiten Debatte, die durch die beiden Katastrophen stärker als je zuvor befeuert wurde. Dem Druck, tätig zu werden, konnte sich auch die Bundesregierung nicht entziehen. Das letzte Wort in der Sache ist also noch nicht gesprochen – zumal die kommende Jahreszeit erfahrungsgemäß die ist, in der die Zahl der Überfahrten aus Nordafrika stark zunimmt.