Tatenlos bleiben, aber nicht so wirken: Auch Genf III verheißt kein Ende der Gewalt in Syrien

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Sitzungssaal in Genf: Ein zynisches Spiel

Alle Jahre wieder wird von Genf aus ein Plan für die Machtübergabe in Syrien gefordert. Auch die Gespräche, die am 29. Januar beginnen sollen, sind nur ein öffentlichkeitswirksamer Ersatz dafür, endlich das humanitär Notwendigste zu tun. Assad kann mit seinem Krieg gegen die Opposition fortfahren.

Die Türkei fordert, die kurdische PYD solle nicht eingeladen werden. Die Russen bestehen darauf. Die Opposition will die Verhandlungen boykottieren, solange das Regime seine Hungerblockaden aufrechterhält. Die USA beharren darauf, es sollten keinerlei Vorbedingungen gestellt werden. Nur eine Seite scheint in der Vorbereitung auf Genf III wunschlos glücklich: das syrische Regime.

Das sagt eigentlich schon alles über die Aussicht auf einen Erfolg der Verhandlungen.

Derart gelassen kann Assad der Konferenz entgegensehen, weil schon jetzt klar ist, dass er nichts zu fürchten hat. Die Staaten, die sein Abtreten gefordert haben, sind nach wie vor nicht bereit, darauf zu dringen. Seine Verbündeten, Russland und Iran, engagieren sich umso unverhohlener nicht nur diplomatisch sondern militärisch dafür, dass er im Amt bleibt. Assad setzt auf eine Verzögerungsstrategie. Kreuzbrav bekundet er seinen Verhandlungswillen.

Doch während international der Wien-Prozess und die Konferenz in Riad, bei der sich die wichtigsten Oppositionsvertreter und Rebellengruppen auf eine politische Lösung des Konfliktes verständigt hatten, als Schritte in Richtung einer diplomatischen Lösung betrachtet wurden, versucht Damaskus, den Prozess mit Gewalt zu sabotieren. Kaum war die Koalition ins Leben gerufen, verhaftete das syrische Regime, wenn auch nur kurzfristig, zwei Mitglieder auf dem Weg nach Saudi Arabien und rühmte sich, Zahran Alloush, Anführer der wichtigsten Rebellengruppe im Umland von Damaskus, mit einem Luftangriff getötet zu haben.

Ein zynisches Spiel

Die syrische und russische Luftwaffe setzten ungemindert ihre Bombardements fort – Bombardements die selten ISIS, häufig andere Rebellen und gezielt zivile Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäuser treffen. Auch die Belagerung Dutzender Ortschaften ist wieder in den Fokus gerückt, eine Strategie, die schon 2013 im Vorfeld von Genf II angewendet wurde. Damals mussten der Damaszener Vorort Mouadhamiya dran glauben, Arbin und Yarmouk. Heute ist es unter anderem Madaya, in der das Regime die humanitäre Lage jenseits alles Vorstellbaren getrieben hat.

Auch Rebellen belagern Ortschaften, doch niemand tut es so gnadenlos wie das syrische Regime. Angesichts der verheerenden Lage mahnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon: „Aushungern als Waffe einzusetzen, ist ein Kriegsverbrechen.“

Um die Tagesordnung der Genfer Verhandlungen zu ändern, tötet und gefährdet der syrische Staat Zivilisten, zu deren Schutz er völkerrechtlich eigentlich verpflichtet wäre. Damit erhöht er sozusagen die Anzahl der Verhandlungsgegenstände, um Konzessionen machen zu können, ohne von seinen genuinen Interessen etwas preisgeben zu müssen.

Die Vereinten Nationen spielen dieses zynische Spiel mit. Erst vergangene Woche veröffentlichte Buzzfeed, welche Redigaturen Damaskus am jüngsten Humanitarian Response Plan der Vereinten Nationen vorgenommen hat. Konsequent haben Vertreter des Regimes die Formulierung „belagerte Gebiete“ gestrichen und durch harmlosere Formulierungen ersetzt, Minenräumung und andere dem Regime unliebsame Themen ausgeblendet und die dramatische Lage heruntergespielt. Für 91 Hilfslieferungen suchte die UN im vergangenen Jahr die Zustimmung der Regierung in Damaskus. Noch nicht einmal einem Drittel davon stimmte das Regime prinzipiell zu, und letztlich wurden lediglich 13 tatsächlich umgesetzt.

Der Sicherheitsrat hätte längst tätig werden müssen

Humanitärer Zugang zu allen Gebieten, Freilassung politischer Gefangener, ein Ende des Bombardements ziviler Einrichtungen, des Einsatzes von Fassbomben und Chlorgas – auf all dies haben sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates inklusive Russland in einer Reihe von Resolutionen verständigt. Es ist jedoch noch nicht einmal ein Bemühen erkennbar, diese Forderungen auch durchzusetzen. Insofern mutet es grotesk an, wenn die internationale Gemeinschaft nun der Opposition vorhält, sie würde „Vorbedingungen“ stellen, wenn sie lediglich die gleichen Dinge fordert, die der Sicherheitsrat längst von selbst hätte in Angriff nehmen sollen. Die Hungerblockaden aufzuheben, humanitärer Zugang zu gewähren und Luftangriffe auf Zivilisten einzustellen, sind eine humanitäre Notwendigkeit, nicht etwas, um das geschachert werden sollte.

Für einen Friedensprozess in Syrien unter der Ägide der UN – wie in Wien vorgesehen - braucht es eine starke und glaubhafte UN. Höchste Zeit also, dass ihre mächtigsten Mitglieder ihren Worten endlich Taten folgen lassen. Wenn schon in diesen Fragen, in denen sie sich einigen konnten, kein Vorstoß gemacht wird: Wie soll die UN eine entscheidende Rolle bei der weitaus heikleren Frage einer Machtübergabe in Syrien spielen?

Schon Genf I 2012 hatte einen konkreten Plan für eine Machtübergabe gefordert. Drei Jahre sind seither verstrichen, ohne dass Russland und der Rest der Welt sich darüber einig geworden sind, ob, wann und wie Assad abtreten soll. Neu an der jetzigen Konstellation ist also nur, dass Assads Verbündeter Wladimir Putin noch deutlicher zeigt, wie weit er bereit ist, zu einer Verteidigung seiner Interessen zu gehen. Hier und in der Ukraine hat sich gezeigt, dass er mit wenig internationalem Widerstand rechnen muss.

Assads Gegner werden geschwächt

Die UN kann nur so stark sein, wie ihre Mitgliedsstaaten es zulassen. Bei Syrien ist hier also nicht viel zu erwarten. Wenn der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura also trotz dieser ungünstigen Konstellation darauf drängt, die Verhandlungen stattfinden zu lassen, ohne dass feststeht, dass es zu maßgeblichen Veränderungen kommen wird, heißt das: Es geht eher um die Simulation eines Prozesses als darum, tatsächlich eine Einigung zu erzielen. Die Konferenzen sind öffentlichkeitswirksamer Ersatz dafür, tatsächlich etwas zu tun.

Assad und seine Verbündeten werden bestärkt darin, statt einer politischen Lösung an einer militärischen Auslöschung der Opposition fortzufahren. Wann immer die internationale Gemeinschaft die Erfahrung gemacht hat, dass sie bei Assad auf taube Ohren stößt, hat sie zum Umkehrschluss gegriffen und stattdessen von der Opposition verlangt, bescheidener in ihren Forderungen zu werden. Die größte Gefahr also ist, dass Assads Gegner durch die anstehenden Verhandlungen weiter geschwächt werden, da nicht erkennbar ist, warum sie überhaupt an den Verhandlungstisch kommen sollten.