Social Media begünstigt die Verbreitung von Desinformationen. Doch Desinformationen sind kein isoliertes Technologieproblem. Ursachen und Auswirkungen sind komplex – entsprechend brauchen wir viele verschiedene Gegenmaßnahmen.

81 Prozent der Menschen in Deutschland sehen in Desinformationen eine Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch die Politik hat das Problem erkannt: Die neue Bundesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag, dass „digitale Kompetenzen gestärkt werden sollen, um „unsere Demokratie resilienter gegen Desinformation und Manipulation zu machen“ und dass „die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit […] gegen Informationsmanipulation“ vorgehen können soll. Doch was sind Desinformationen überhaupt und wie wirken sie?
Was sind Desinformationen?
Die Absender*innen von Desinformationen haben das Ziel, die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen und zu manipulieren – etwa um öffentliche Diskurse zu beeinflussen und politische Interessen durchzusetzen. Ein zentrales Motiv ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die Medienberichterstattung und in gemeinsam geteilte Fakten und Wahrheiten zu untergraben. Das schwächt die demokratischen Strukturen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wahre Informationen oder Fakten werden aus dem Kontext gerissen, Teilaspekte einer an sich wahren Geschichte geändert oder Informationen ganz neu erfunden. Auch um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, verbreiten Akteur*innen Desinformationen.
Damit eine falsche Information als Desinformation gilt, ist die dahinterstehende Täuschungsabsicht ausschlaggebend. Satire, reißerische Überschriften (sogenanntes Clickbait) oder Fehlinformationen, die von Medien oder Personen aus Versehen geteilt werden, zählen nicht zu Desinformationen.
Desinformationen werden als Texte, Bilder oder Videos verbreitet. Neue generative KI-Anwendungen können das vereinfachen: Mithilfe von KI-Tools lassen sich ohne viel Vorwissen und mit wenig Aufwand und Kosten gefälschte Bilder und Videos erstellen (sogenannte Deepfakes).
Desinformationskampagnen mit manipulativen Bildern und Videos gibt es nicht erst seitdem KI-Anwendungen dem Markt sind: Oft werden echte Bilder oder Videos einfach nur aus dem Kontext gerissen oder mit herkömmlichen Tools abgeändert. Auch für die Wirkung von Desinformationen ist es unerheblich, ob ein Video KI-erstellt ist oder anders verändert wurde. KI kann es als weiteres Werkzeug aber erleichtern, manipulative Inhalte zu erstellen und zu teilen.
Wer teilt Desinformationen?
Desinformationskampagnen verbreiten einerseits andere Staaten, um Gesellschaften zu destabilisieren – und sind damit Teil von sogenanntem „FIMI – Foreign Information Manipulation and Interference“. Die russische Desinformationskampagne „Doppelgänger“ hatte in Deutschland etwa das Ziel, die AfD zu stärken, Zukunftsängste zu verstärken und die Unterstützung für die Ukraine zu verringern. Dazu wurden gefälschte Nachrichten auf Webseiten, die existierende Medienangebote nachahmten, veröffentlicht und gefälschte Inhalte auf Social-Media-Plattformen geteilt.
Auch inländische Akteur*innen wie Parteien, Organisationen oder Einzelpersonen verbreiten Desinformationen. Zur Frage, wer Desinformationen erstellt und teilt, ist allerdings mehr Forschung nötig – vor allem Untersuchungen zu inländischen Akteur*innen sind in der Wissenschaft unterbeleuchtet.
Die Rolle von Social Media
Die Geschäftsmodelle der großen Social Media Plattformen wie Instagram, TikTok, YouTube und X begünstigen, dass sich Desinformationen und digitale Propaganda schneller verbreiten als seriöse Informationsangebote. Hinzu kommt der Schulterschluss der Big-Tech-Oligarchen mit der Trump-Regierung, und deren autoritäre politische Ausrichtung. Instagram und Facebook haben in den USA etwa ihr Fact-Checking-Programm eingestellt. Elon Musk steht mit seiner Plattform X in der Kritik, im Vorfeld der Bundestagswahlen im Januar 2025 gezielt Desinformationen geteilt und die AfD gefördert zu haben.
Die Auswirkungen von Social-Media-Plattformen in Hinblick auf die gesellschaftliche Polarisierung und die Meinungsänderungen von Nutzer*innen wird in der Öffentlichkeit jedoch teilweise überschätzt. Gleichzeitig wird die Rolle von traditionellen Medien bei der Verbreitung von Desinformationen eher unterschätzt: Große Reichweite erzielen manipulative Inhalte vor allem dann, wenn über sie in seriösen Medien berichtet wird. Es gilt daher, das gesamte Informations-Ökosystem in den Blick zu nehmen.
Menschen haben eigene Entscheidungsmacht
Menschen ändern nicht sofort ihre Meinung, nur weil sie eine manipulative Information gesehen oder gelesen haben. Personen sind keine passiven „Opfer“ von Desinformationen, sondern aktive Gestalter*innen ihres eigenen Medienkonsums: Sie können – in Ländern mit Pressefreiheit – selbst entscheiden, welche Medienangebote sie konsumieren und ob sie Nachrichten vor allem auf Social-Media-Plattformen und in Telegram-Gruppen oder in der Mediathek des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsumieren. Auch eine Studie von Nature zeigt, dass Menschen, die Desinformationen besonders häufig konsumieren, stark motiviert sind, solche manipulativen Informationen zu suchen.
Ob und inwiefern Desinformationskampagnen auf Social-Media-Plattformen mittel- oder langfristig zu Meinungsänderungen von Menschen führen können, ist empirisch schwer zu untersuchen, da die Prozesse zur Entscheidungsfindung sehr komplex sind und von zahlreichen Faktoren abhängen. Insgesamt braucht es mehr Forschung. Eine Herausforderung ist dabei, dass die großen Social-Media-Plattformen Wissenschaftler*innen bislang keinen ausreichenden Zugang zu Daten bereitstellen, die für solche Forschungsprojekte notwendig sind.
Das macht Maßnahmen gegen Desinformationen aber nicht weniger wichtig: Social-Media-Plattformen und Messengerdienste erleichtern die Verbreitung von Desinformationen und haben eine mobilisierende Wirkung.
Maßnahmen gegen Desinformationen
Desinformationen sind kein isoliertes Technologieproblem, sondern können als Symptom sowie Verstärker tieferliegender Krisen verstanden werden – wie fehlendem Vertrauen in die Politik, in den Qualitätsjournalismus oder in das demokratisch verfasste System und den Rechtsstaat.
Da die Ursachen und Wirkungsweisen von Desinformationen komplex sind, braucht es eine Vielzahl von Strategien und Maßnahmen, um die Verbreitung von Desinformationen einzudämmen. Einige Ansätze stellt unser Dossier „Was tun gegen Desinformationen und digitale Propaganda?“ vor:
Dazu zählen Medienbildung und politische Bildung, Plattformregulierung sowie die Förderung von alternativen Online-Plattformen und von freiem Wissen. Der erste Artikel des Dossiers nimmt das gesamte Informations-Ökosystem in den Blick und analysiert, welche Akteur*innen was tun können, um dem Problem der Desinformation wirksam zu begegnen.