Neue Klimaziele: Übernimmt China die Führung im Kampf gegen den Klimawandel?

Analyse

Die USA ziehen sich aus der globalen Klimapolitik zurück und die EU hat Schwierigkeiten, die Führungslücke zu füllen. Viele richten daher ihren Blick auf China, den weltweit größten Emittenten und gleichzeitig Vorreiter im Bereich erneuerbarer Energie. Was können wir von Chinas neuen Klimaschutzplänen für 2035 erwarten?

Auf einem grünen Hügel stehen mehrere Windräder, dahinter das Meer und ein bewölkter Himmel. Ein Weg schlängelt sich durch das Gelände.
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Für 2025 wird erwartet, dass die Zuwächse bei sauberer Energie den Rekord des letzten Jahres deutlich übertreffen werden.

Auf der UN-Generalversammlung im September 2025 skizzierte Chinas Präsident Xi Jinping mit der Bekanntgabe der chinesischen Klimaschutzpläne (Nationally Determined Contribution, NDC) für 2035 die Richtung, die China in den kommenden zehn Jahren einschlagen wird. Chinas Emissionspfad hat eine beispiellose Bedeutung für das globale Klima, da das Land allein einerseits rund 90 Prozent des Emissionsanstiegs in den letzten zehn Jahren verursacht hat, gleichzeitig aber bei der Expansion erneuerbarer Energien mit riesigem Abstand führend ist. 

Es ist das erste Mal, dass China absolute Emissionsreduktionsziele festgelegt hat, die alle Treibhausgase und alle Sektoren abdecken: sieben bis zehn Prozent bis 2035 unter dem – nicht genauer festgelegten – Höhepunkt der chinesischen Emissionen. Damit ist China eines der ersten Schwellenländer, das mittelfristige absolute Emissionsziele festgelegt hat.

Die Tatsache, dass Präsident Xi Jinping Chinas neue Klimaziele persönlich bekannt gegeben hat, ist als Geste positiv zu bewerten, da sie signalisiert, dass ein Engagement im globalen Kampf gegen die Klimakrise auf höchster Ebene angesiedelt ist. In den zusätzlichen sektoralen Zielen werden Solarenergie, Windenergie und Elektrofahrzeuge ausdrücklich als wichtige Lösungen zur Erreichung der Emissionsverpflichtungen genannt. Die Ziele machen deutlich, dass diese sauberen Energietechnologien im Mittelpunkt der chinesischen Energiestrategie stehen.

Diese Ankündigung von Xi ist ein dringend benötigtes Gegengewicht zur Trump-Regierung, die die Vorzüge umweltschädlicher fossiler Energien betont – insbesondere der, die aus den USA importiert werden.

Innenpolitische Widersprüche

Gleichzeitig spiegeln die Ziele die innerstaatlichen Widersprüche Chinas wider. Das übergeordnete Emissionsziel besteht darin, die Netto-Treibhausgasemissionen der gesamten Wirtschaft bis 2035 um sieben bis zehn Prozent unter dem Höhepunkt der chinesischen Emissionen zu reduzieren. Dabei wird China sich bemühen, noch mehr zu tun. Das formulierte Ziel bleibt weit hinter dem zurück, was zur Einhaltung des Pariser Abkommens erforderlich wäre: eine Emissionsreduktion von mindestens 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 2024 bis 2035. Vor allem aber bleibt es weit hinter dem zurück, was das Land auf der Grundlage der aktuellen Trends, Strategien und Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien erreichen könnte.

Das Ziel für die Solar- und Windkapazität liegt bei 3.600 Gigawatt (GW) bis 2035. Die absolute Größenordnung des angestrebten Ausbaus der sauberen Energie ist enorm – verglichen mit dem Ziel der EU von mehr als 1.100 GW bis 2030, das selbst schon eine starke und ehrgeizige Zahl ist. Dennoch ist Chinas Erneuerbaren-Sektor bereits auf dem besten Weg, das Ziel deutlich vor 2035 zu erreichen, wenn sich die aktuellen Trends fortsetzen.

Die aktuell formulierten Ziele sollten als Mindestziel und nicht als Obergrenze für Chinas Ambitionen angesehen werden.

Tatsächlich würde das Erreichen von „nur” 3.600 GW bis 2035 eine deutliche Verlangsamung der jüngsten Trends bedeuten. Um das Ziel zu erreichen, müssen jährlich weniger als 200 GW an Solar- und Windenergie hinzukommen, verglichen mit den 360 GW, die 2024 zugebaut wurden, und einem weiteren Rekordzuwachs, der für dieses Jahr erwartet wird. Daher dürfte das Ziel deutlich übertroffen werden – wie bereits das vorherige Ziel für 2030, das sechs Jahre früher als geplant erreicht wurde.

Somit sollten die aktuell formulierten Ziele als Mindestziel und nicht als Obergrenze für Chinas Ambitionen angesehen werden. Die Kluft zwischen dem, was China als Ziele angekündigt hat, und dem, was es erreichen kann, ist groß – und wird die globalen Klimaprognosen für das kommende Jahrzehnt stark prägen.

Wann Chinas Emissionen ihren Höhepunkt erreichen, ist unklar

Die Festlegung des Ziels in Relation zum (nicht näher definierten) Höhepunkts der Emissionen anstatt auf der Grundlage eines bestimmten Basisjahres spiegelt die Uneinigkeit darüber wider, ob die chinesischen Emissionen ihren Höhepunkt (peak) bereits erreicht haben oder nicht. Chinas fossile CO2-Emissionen sind seit Anfang 2024 rückläufig, da das Wachstum der sauberen Stromerzeugung den Strombedarf übertroffen hat.

Allein die 2024 hinzugekommenen Kapazitäten zur Erzeugung von Solar-, Wind- und anderer nicht-fossiler Energie werden jährlich 580 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugen, mehr als genug, um Deutschland oder Großbritannien zweimal mit Strom zu versorgen. Vor allem reicht dies aus, um einen Anstieg des Strombedarfs von bis zu 5,9 Prozent zu decken, was über dem Durchschnitt von fünf Prozent pro Jahr liegt. Für 2025 wird erwartet, dass die Zuwächse bei sauberer Energie den Rekord des letzten Jahres deutlich übertreffen werden. Es ist daher eindeutig, dass China in der Lage wäre, seine Emissionen sofort zu begrenzen und zu senken.

Selbst ein paar Jahre zusätzlicher Anstieg auf dem aktuellen Niveau würden zu deutlich höheren kumulativen Emissionen führen und damit Klimaauswirkungen gravierend verschärfen.

Dennoch haben die politischen Entscheidungsträger*innen in der Zielformulierung die Möglichkeit für eine erneute Phase des Emissionsanstiegs offen gelassen, bevor die bereits bestehende Verpflichtung Chinas in Kraft tritt, dass die Emissionen vor 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben und von da an fallen sollen. Dass das exakte Niveau oder Jahr der Emissionswerte nicht genauer bestimmt ist, birgt die Gefahr, dass Unternehmen und Regionalregierungen einen kontraproduktiven Anreiz erhalten, ihre Emissionswerte kurzfristig noch einmal zu erhöhen. Dies könnte erhebliche Auswirkungen haben, da selbst ein paar Jahre zusätzlicher Anstieg auf dem aktuellen Niveau zu deutlich höheren kumulativen Emissionen führen und damit Klimaauswirkungen gravierend verschärfen würden.

Der lange Schatten der Kohle

Diese Ambivalenz hat vor allem mit der chinesischen Kohlepolitik zu tun. Als Reaktion auf die nationalen Stromausfälle der Jahre 2020 bis 2022 hat China die heimischen Kohleproduktion und die Kohlekraftwerkskapazitäten massiv ausgebaut. Trotz der Zusage von Präsident Xi im Jahr 2021, neue Kohlekraftwerke und das Wachstum der Kohlenachfrage während des laufenden 14. Fünfjahresplans „streng zu kontrollieren”, beschleunigten sich die Genehmigungen für neue Kohlekraftwerke und das Wachstum des Kohleverbrauchs erheblich.

Das grundlegende Dilemma ist klar: China kann nicht gleichzeitig ein rasantes Wachstum bei sauberen Energien und der Kohleindustrie aufrechterhalten. Irgendwann muss eines davon weichen. Die aktuellen Ziele deuten darauf hin, dass Peking diesen Widerspruch noch nicht gelöst hat und sich weigert, sich den wirtschaftlichen Folgen einer Verlangsamung der Entwicklung sauberer Energien oder den starken Interessen der Kohleindustrie zu stellen.

Was die bestehenden Ziele bedeuten

Dennoch bedeuten Chinas bestehende Ziele, wenn sie eingehalten werden, bereits eine Verringerung der Gesamtemissionen und des Kohleverbrauchs vor 2030.

In den nächsten fünf Jahren werden absolute Emissionsreduktionen erforderlich sein, um das Kohlenstoffintensitätsziel für 2030 noch zu erreichen.

Chinas Ziel für die CO2-Intensität ist in diesem Kontext am relevantesten. China hat sich verpflichtet, die CO2-Intensität, also CO2-Emissionen pro Einheit des Bruttoinlandsproduktes, bis 2030 um über 65 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Aufgrund der emissionsintensiven Erholungsphase nach Covid ist China derzeit jedoch weit von seinem Zwischenziel für die Kohlenstoffintensität für 2025 entfernt. Das bedeutet, dass in den nächsten fünf Jahren absolute Emissionsreduktionen erforderlich sein werden, um das Kohlenstoffintensitätsziel für 2030 noch zu erreichen. Damit sind die Ziele für 2030 effektiv strenger als das absolute Emissionsziel für 2035.

Die Zusage Chinas, den Kohleverbrauch während des 15. Fünfjahresplans schrittweise zu reduzieren, stellt eine weitere entscheidende Begrenzung für das Emissionswachstum dar. Diese Zusage, die ursprünglich von Präsident Xi im Jahr 2021 angekündigt wurde, wurde zwar in der Bekanntgabe des NDC nicht erneut bekräftigt, aber in der Auslegung des NDC durch das chinesische Umweltministerium wiederholt. Es wird entscheidend sein, wie die Regierung diese Verpflichtung in den kommenden Fünfjahresplan einbezieht.

Als Präsident Xi 2020 das CO2-Intensitätsziel für 2030 bekannt gab, betonte er

„China hält seine Verpflichtungen stets ein.“ 

Die Umsetzung des NDC und der Ziele im kommenden Fünfjahresplans Chinas werden sich an diesen Worten messen müssen.

Globale Auswirkungen

Trotz der Schwächen und Lücken ist Chinas neues Klimaversprechen ein Schritt nach vorne. Durch die Festlegung absoluter Emissionsreduktionsziele für alle Sektoren und Treibhausgase signalisiert China der Welt, dass es eine klarer definierte Rolle bei der Ausgestaltung der globalen Transformation spielen will.

Insbesondere besteht kein Zweifel an Chinas Entschlossenheit, die grundlegenden Technologien des Zeitalters der sauberen Elektrizität – Solarenergie, Windenergie, Elektrofahrzeuge und dekarbonisierte industrielle Prozesse auf Basis sauberer Elektrizität – zu entwickeln und in die Welt zu exportieren. Das Eindämmen und Senken der eigenen Emissionen wird es China wahrscheinlich ermöglichen, die Umstellung auf saubere Energie weltweit viel proaktiver voranzutreiben.

Die Zurückhaltung in der Zielformulierung – sowohl im Verhältnis zum Potenzial des Landes als auch zu den Pariser Klimazielen – offenbart jedoch eine strategische Vorsicht, die in innenpolitischen und wirtschaftlichen Zwängen begründet ist.

Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Welt werden weniger allein von den formalen Zielvorgaben abhängen als vielmehr von Chinas tatsächlicher Fortschritt in der Energiewende. 

Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Welt werden weniger allein von den formalen Zielvorgaben abhängen als vielmehr von Chinas tatsächlicher Fortschritt in der Energiewende. Wenn sich die aktuellen Trends im Bereich der sauberen Energie fortsetzen, könnte China die globalen Emissionen schneller zum Sinken bringen als in seiner Zusage vorgesehen und dabei gleichzeitig die Energiemärkte umgestalten, die Kosten für erneuerbarenbasierte Technologien senken und Wettbewerbsdruck auf andere große Emittenten ausüben.

Chinas Klimaziele sind nicht nur numerische Vorgaben, sondern auch politische Erklärungen, die die Richtung für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Chinas vorgeben. Präsident Xi sagte

„Anstatt nur zu reden, müssen wir Taten sprechen lassen. Wir müssen unsere Ziele durch systematische Politik und konkrete Maßnahmen in greifbare Ergebnisse umsetzen.“ 

Daher stellt Chinas NDC keine endgültige Erklärung dar, sondern einen Ausgangspunkt und eine Leitlinie für Chinas Entwicklung. Der bevorstehende 15. Fünfjahresplan und die Jahre bis 2030 werden den politischen Entscheidungsträger*innen weitere Möglichkeiten bieten, die auf der Grundlage der realen Entwicklungen festgelegten Ziele zu verfeinern und zu überarbeiten.

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