Natur: Weiterleben nur auf Pump

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Ausschnitt aus der Grafik "Gipfelbergbau brutal" (s.u.)

Die Zerstörung der Landschaft ist das große Problem der Tagebaue und ihrer Umgebung. Die Rekultivierung ist oft mangelhaft. Und wo unter Tage Stollen waren, senken sich die Böden. Ein Kapitel aus dem Kohleatlas.

Die Kohleförderung hat erhebliche Auswirkungen auf die Natur. In Tagebauen, die etwa 40 Prozent der ­Kohleförderung weltweit ausmachen, wird das gesamte über der Kohle liegende Erdreich abgeräumt und die Landschaft vollkommen zerstört. Fauna und Flora werden vernichtet, das lebendige Erdreich weggeschaufelt. Die Bagger graben gewaltige Krater von bis zu mehreren Hundert Metern Tiefe in den Boden. Ein besonders drastisches Beispiel der Tagebauförderung ist das sogenannte Mountaintop Removal in den Appalachen in den USA. Hier werden ganze Bergkuppen weggesprengt und in die Täler verfüllt, um an die Kohle zu gelangen.

Schnelle Landfresser: Die größten Lagerstätten in den USA beispielsweise sind in etwa 20 Jahren erschöpft
Auf der Erde gibt es Tausende Kohleminen. Gemessen an den Reserven ist die North Antelope Rochelle Mine im US-Bundesstaat Wyoming die größte der Welt. Ihre Reserven werden auf 2,3 Milliarden Tonnen Steinkohle geschätzt. Jährlich werden über 100 Millionen Tonnen in einem Tagebau von 250 Quadratkilometern Fläche gefördert. Mit geschätzten 1,7 Milliarden Tonnen Reserve und einer jährlichen Fördermenge von 20 Millionen Tonnen gilt die Haerwusu-Mine in der Inneren Mongolei in China als zweitgrößte Mine. Sie erstreckt sich über 67 Quadratkilometer. Weitere Mega-Minen liegen in Mosambik, Australien, Russland, Kolumbien, Südafrika und Indonesien.

Die aktiven deutschen Tagebaue erstrecken sich inzwischen über 590 Quadratkilometer. Sie fördern jedes Jahr mehr als 180 Millionen Tonnen Braunkohle. Für den genehmigten Abbau geht jeden Tag die Fläche von drei Fußballfeldern verloren, darunter Wald- und Ackerflächen, Wohnsiedlungen und geschützte Biotope. Insgesamt hat der deutsche Braunkohletagebau bislang eine Fläche doppelt so groß wie Berlin verbraucht. Zwar werden die Flächen nach Abschluss der Kohleförderung rekultiviert, in Deutschland bislang 70 Prozent. Das dauert jedoch nicht nur sehr lange, sondern kann auch den ursprünglichen Zustand nicht wiederherstellen. In vielen Regionen der Welt findet keine oder nur eine unzureichende Rekultivierung statt.

 Damit die Abbaugruben bei der Kohleförderung nicht mit Wasser volllaufen, wird der Grundwasserspiegel mithilfe von Pumpen abgesenkt. Im rheinischen Tagebau Hambach werden das während seiner Betriebszeit von planmäßig 60 Jahren insgesamt fast 45 Milliarden Kubikmeter Grundwasser sein, fast so viel Wasser wie im Bodensee. Die Trockenhaltung verändert den Wasserhaushalt auch großer Flächen um den Tagebau herum. Die Absenkung des Grundwassers auf bis zu 550 Metern Tiefe kann die Quellen von Bächen und Flüssen versiegen und Bäume absterben lassen, Feuchtgebiete und Moore schädigen und die Biodiversität in diesen Zonen reduzieren. Meist sind gerade diese Nachbargebiete wichtige, manchmal auch die einzigen Zufluchtsgebiete für seltene Pflanzen- und Tierarten, wenn der Tagebau bereits weite Teile ihres Lebensraums zerstört hat.

Ein solches Abpumpen – Fachleute nennen es „Sümpfung“ – beeinträchtigt oder gefährdet auch die Versorgung mit Trinkwasser, wenn Brunnen trockenfallen. Es kann bis zu hundert Jahre dauern, bis das Grundwasser wieder seinen alten Spiegel erreicht hat. Um die Folgen zu verringern, sollen zwei neue Tagebaue in der Lausitz unterirdische Dichtwände erhalten, um die Sümpfungsflächen klein zu halten – die Wirkung ist ungewiss.

Bagger zerstören die Natur. Eingriffe in die Grundwasserverhältnisse wirken weit über die Tagebauflächen hinaus

Darüber hinaus führen das Abgraben und die groß­räumige Umlagerung der Bodenschichten bei bestimmten Bodenverhältnissen dazu, dass die darin enthaltenen Eisen- und Schwefelverbindungen mit Luft zu Eisen und Sulfat oxidieren. Wenn der Grundwasserspiegel nach dem Abbaggern der Braunkohle wieder ansteigt, bildet sich Schwefelsäure. Sie lässt die Tagebauseen sowie das Grundwasser versauern. Basische Stoffe wie Kalk können die Versauerung reduzieren, aber nicht vollkommen verhindern. Das durch die Baggerarbeiten freigesetzte Eisen wiederum wird teilweise zu Eisenhydroxid, dem sogenannten Eisenocker. Die „Verockerung“ von Fließgewässern, in Deutschland vor allem der Spree, ist als braune Verfärbung des Wassers sichtbar. Sie setzt technischen Anlagen wie Pumpen und Rohren zu. In der Natur zerstört sie Laichplätze von Fischen und verringert ihr Nahrungsangebot.

Auch in geologischer Hinsicht sind die Hinterlassenschaften der Kohleförderung problematisch. Bei den Tagebauen kann es auch nach Jahrzehnten noch zu lebensgefährlichen Rutschungen des Erdreiches kommen. Die Stollen unter Tage lassen den Grund absinken und führen zu Schäden an Gebäuden und Straßen. Solche Folgen der Kohleförderung werden nachkommende Generationen als „Ewigkeitslasten“ noch lange beschäftigen. In alten Kohleschächten muss der Wiederanstieg des Grundwasserspiegels durch ununterbrochenes Pumpen verhindert werden. Andernfalls würden zum Beispiel ganze Stadtteile im Ruhrgebiet überflutet werden, die sich in der Vergangenheit durch den Bergbau abgesenkt haben.

Das Dauerpumpen ist auch aus ökologischen Gründen notwendig, denn in früheren Bergwerksstollen wurde auch giftiger Sondermüll etwa aus Müllverbrennungsanlagen entsorgt – im Ruhrgebiet sind in mehreren stillgelegten Zechen rund 700.000 Tonnen Filterstäube eingelagert. Würde das Grundwasser wieder ansteigen, könnten diese Substanzen weiträumig in die Umwelt gelangen.

Auch die giftigen Kraftwerksaschen – ein Nebenprodukt bei der Verbrennung von Kohle – stellen ein Umweltproblem dar. Die Deponien sind oftmals ungenügend gesichert, und ihr toxischer Inhalt gerät in die Umwelt. Dabei muss es nicht immer so schlimm kommen wie 2008 in Tennessee, USA. Dort brach der Damm einer Deponie neben dem Kohlekraftwerk Kingston, und 4 Millionen Kubikmeter mit toxischen Schwermetallen belasteter Schlamm aus Asche verseuchten die Umgebung und einen nahe gelegenen Fluss.

Bergbauunternehmen hinterlassen Mondlandschaften. Solche Flächen sind kaum noch rekultivierbar
In Deutschland wurde zur Bewältigung der Ewigkeitslasten der Steinkohle eine Stiftung gegründet, deren Mittel aber voraussichtlich nicht ausreichen werden. Für die Braunkohle gibt es einen solchen Fonds bislang nicht. Höchstwahrscheinlich werden die Folgekosten der Braun- und Steinkohleförderung in der Zukunft auch mit Steuergeldern bezahlt werden müssen.