Klimawandel und die Wahlen in Südafrika

Während der regierende African National Congress (ANC) das Thema Klimawandel weitgehend in seinem Wahlkampf ignoriert, sind es einzig die kleineren Oppositionsparteien, welche in ihren Programmen detailliert zum Thema Stellung nehmen. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen über und aus Afrika.

Trotz der dramatischen Auswirkungen, welche der Klimawandel auf Südafrikas Gesellschaft und Wirtschaft haben wird, scheint in Südafrika nur ein geringer Teil der Öffentlichkeit ernsthaft um die umweltthematischen Probleme des Landes besorgt zu sein. So ist der Klimawandel im Wahlkampf zu den am 22. April 2009 stattfindenden Parlamentswahlen zwar erstmals ein Wahlkampfthema, nimmt jedoch bei weitem nicht den Platz ein, der der Dringlichkeit des Themas entspricht. Wie bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2004 sind auch in diesem Wahlkampf Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität sowie die Qualität und der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Bildung die dominierenden Themen. Während der regierende African National Congress (ANC) das Thema Klimawandel weitergehend in seinem Wahlkampf ignoriert, sind es einzig die kleineren Oppositionsparteien, welche in ihren Wahlprogrammen detailliert zum Thema Stellung nehmen.

Südafrika im Klimawandel

Obgleich Südafrika einen nicht geringen Beitrag zum Klimawandel leistet - das Land befindet sich derzeit auf Platz 14 der weltweit größten Treibhausgas-Emittenten - ist dieser jedoch im historischen Vergleich zu denen der entwickelten Länder als minimal zu bezeichnen. Gleichzeitig aber wird Südafrika, wie die restlichen Länder des afrikanischen Kontinents, vergleichsweise am schwersten von den Folgen des Klimawandels betroffen sein.

Für Südafrika bedeutet dies insbesondere steigende Temperaturen im ganzen Land. In den kommenden 50 Jahren wird sich die Küste des Landes um voraussichtlich ein Grad und das Inland im Norden gar um mehr als vier Grad erwärmen. Der Westen des Landes wird mehr und mehr austrocknen, während im Osten häufiger mit Überschwemmungen zu rechnen sein wird. Extreme Wetterereignisse - wie Hitzewellen, Dürre oder Hochwasser - welche die Wetterbedingungen des Landes seither bestimmt haben, werden insgesamt in ihrer Häufigkeit und Intensität deutlich zunehmen.

Dies wird nicht ohne drastische Auswirkungen vor allem auf die Wasserversorgung und Nahrungsmittelsicherheit der wachsenden südafrikanischen Gesellschaft bleiben, sofern sich die Regierung nicht rechtzeitig dazu entscheidet, dem Klimawandel und seinen Auswirkungen entschieden entgegen zu treten. Dabei ist damit zu rechnen, dass die ohnehin schon armen Bevölkerungsteile des Landes besonders hart von den Folgen betroffen sein werden. 

Die Regierung Südafrikas hat unter anderem mit der "South African Country Study on Climate Change" (2000), der "National Climate Response Strategy" (2004) oder mit dem "Long Term Mitigation Scenarios Planning" (2008) bereits eine Reihe von Politikansätzen und Strategiepapieren zum Thema Klimawandel entwickelt und sich der Reduzierung des Austosses von Treibhausgasen und der Anpassung an den Klimawandel verschrieben. Ebenso ist auf lokaler Regierungsebene - etwa in den städtischen Zentren des Landes Cape Town, Durban und Johannesburg - ein verstärktes Bewusstsein bezüglich des Themas Klimawandel zu beobachten.

Allerdings droht das Streben Südafrikas nach wirtschaftlicher Entwicklung diese positiven Trends zu konterkarieren: wirtschaftliches Wachstum braucht Energie und die Gewinnung von Energie ist in Südafrika die Hauptursache für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2), ein Treibhausgas das weltweit als Haupteinflussfaktor auf den Klimawandel gilt.

Energie und Klimawandel

Um die von der Apartheid-Ära geerbte Massenarmut und krassen Einkommensunterschiede zu überwinden, hat die südafrikanische Regierung bisher insbesondere auf schnelles wirtschaftliches Wachstum als eine erprobte Lösung dieser Probleme gesetzt. Dabei konnte Südafrika seine geringen Energiepreise, welche sich weltweit zu den Niedrigsten zählen lassen, als komparativen Standortvorteil nutzen, um verstärkt ausländische Direktinvestitionen anzuziehen. Die niedrigen Energiepreise werden vor allem dadurch ermöglicht, dass Südafrika seine im Überfluss vorhandenen Kohlevorkommen dazu nutzt, etwa 90 Prozent seiner Energie zu erzeugen. Obwohl Kohlekraftwerke durch ihren enormen Ausstoß von CO2-Gasen direkt zur Beschleunigung der Effekte des Klimawandels beitragen - der Anteil des südafrikanischen Energiesektors an den gesamten CO2-Emissionen des Landes liegt bei 91.1 Prozent - will die Regierung auch in Zukunft an dieser Ressource zur Energiegewinnung festhalten.

Hauptgrund hierfür ist die anhaltende Energiekrise, in der sich das Land seit Ende 2005 befindet. Das unerwartet hohe wirtschaftliche Wachstum Südafrikas hat die noch in den 1990er Jahren reichlich vorhandenen Energieüberkapazitäten fast vollständig absorbiert und letztlich zu Beginn des Jahres 2008 das Stromnetz landesweit zum Erliegen gebracht. Die weitere Verwendung fossiler Brennstoffe (und Nuklearenergien) verspricht eine schnelle Antwort auf die Krise zu sein und somit hat die Regierung den Bau weiterer Kohlekraftwerke angekündigt.

In der durch die Regierung vor allem auf Energiesicherheit fixierten Debatte über geeignete Wege aus der Energiekrise, spielt das Thema Nachhaltigkeit bisher lediglich eine Nebenrolle. Die enormen Potenziale Südafrikas für die Nutzung Erneuerbarer Energien bleiben weitestgehend unberücksichtigt: Das Land verfügt über große Mengen an Biomasse und bietet zudem reichlich Ressourcen für die Gewinnung von Sonnen- und Windenergie.

Zwar hat sich die Regierung mit dem "White Paper on Renewable Energies" aus dem Jahr 2003 dem Ziel verschrieben, bis 2013 vier Prozent seiner Energie (etwa 10.000 GWh des prognostizierten Energieverbrauchs) aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen zu wollen, jedoch bleibt dies enttäuschend weit hinter dem was möglich wäre, zurück. Experten gehen davon aus, dass der Anteil Erneuerbarer Energien in diesem Zeitraum auf 10-15 Prozent erhöht werden könnte und somit ein wichtiger Beitrag zur Beendigung der Energiekrise geleistet werden könnte. Insgesamt ist das Engagement der Regierung hinsichtlich erneuerbarer Energien mehr durch Lippenbekenntnisse als durch tatsächliche Investitionen gekennzeichnet und so wurden bisher von dem genannten Ziel nur drei Prozent (278 GWh von 10.000 GWh) erreicht.
 
Die Tatsache, dass durch eine verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien auch zahlreiche neue und dringend benötigte Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, hat den Dachverband der südafrikanischen Gewerkschaften und politischen Allianzpartner des regierenden ANC, COSATU (Congress of South African Trade Unions), dazu veranlasst, sich in den letzten Jahren verstärkt für den Ausbau Erneuerbarer Energien einzusetzen. So hat etwa COSATU Vize Bheki Ntshalintshali in seiner Rede auf dem nationalen Gipfel für Klimawandel im März diesen Jahres die vertretenen Regierungsmitglieder erneut dazu aufgefordert, stärker als bisher in die "grüne Wirtschaft" zu investieren.

Die Wahlprogramme

Vor diesem Hintergrund und angesichts der neuen politischen Nähe des ANC unter Jacob Zuma zu seinem Allianzpartner COSATU verwundert es dann wenig, dass die Regierungspartei in ihrem Wahlprogramm das Thema Klimawandel direkt mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze verbindet. Der wahrscheinliche Gewinner der Wahlen schließt an seinen Klima-Beschluss der Polokwane Konferenz aus dem Jahr 2007 an und verspricht, "to develop and invest in a programme to create large numbers of 'green jobs', namely employment in industries and facilities that are designed to mitigate the effects of climate change". Womit das Thema Klimawandel bzw. Umwelt in den Augen des ANC dann auch ausreichend für den Wahlkampf abgedeckt wäre.

Die ANC Splitterpartei Congress of the People (COPE) macht die Verbindung zwischen Umweltschutz und der Schaffung von Arbeitsplätzen noch expliziter, indem sie das "Expanded Public Works Programme" dazu einsetzen möchte, eine saubere und grüne Umwelt zu schaffen - ohne jedoch ausdrücklich Klimawandel in diesem Kontext zu erwähnen. Das Wahlprogramm beinhaltet zwar das Thema Klimawandel, etwa als Teil einer Liste “[of] important global challenges [such] as the reform of the United Nations and other institutions of global governance in the multilateral system, [...] transnational organised crime, and international terrorism", insgesamt ist dazu jedoch wenig substantielles oder überzeugendes zu finden.

Das Wahlmanifesto der DA wie auch der ID beinhalten dagegen beide detailreiche Abschnitte zum Thema Klimawandel und Energie.

Die DA ist klar der Meinung, dass Südafrika "cannot afford to wait in responding to the challenges of climate change". Zur Abminderung des Klimawandels setzt die Partei vor allem auf Kohlendioxid-Assimilation und die Festlegung von klaren Zielen zur Optimierung der Energieeffizienz in verschiedenen Sektoren.  
Der Abschnitt zu Energie beinhaltet einen starken Verweis auf Erneuerbare Energien und die Partei möchte bis zum Jahr 2020 den Anteil alternativer Energien auf 15 Prozent erhöhen.

In Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel fokussiert die Partei auf die Themen Wasser, extreme Wetterereignisse, Bildung und Agrarwirtschaft.

Die ID vertritt unter all den politischen Parteien Südafrikas den wohl deutlichsten Standpunkt zum Thema Klimawandel und baut als Lösung klar auf die Nutzung von erneuerbaren Energien. Das Wahlprogramm hält fest, "South Africa is currently the fourteenth-biggest emitter of greenhouse gases in the world", und betont die entsprechenden Auswirkungen auf Biodiversität, Wasser und Versalzungseffekte.

Die ID fokussiert ihre Vorschläge zum Thema Energie auf das Thema Nachhaltigkeit und ist in ihren Ausführungen weitaus expliziter als andere Parteien. Sie verfolgt die Vision "that sees South Africa at the forefront of the global energy revolution, where we can strategically position ourselves as a leader in certain technologies, particularly solar thermal and solar photovoltaic".

Einen wichtigen Schritt für die Umsetzung ihrer nachhaltigen Energievision sieht die Partei in der Beendigung des Energiemonopols des halbstaatlichen Energieversorgers Eskom und damit in der Diversifizierung und Demokratisierung des südafrikanischen Energiemarktes. Die Partei teilt mit dem ANC die Ansicht, dass durch Investitionen in Erneuerbare Energien tausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

Während die anderen Parteien zum Thema Atomenergie schweigen, fordert die ID die Erstellung von Studien über die Strahlenbelastung durch das Kernkraftwerk Köberg sowie über die Endlagerung von Atommüll.

Das United Democratic Movement (UDM) identifiziert Klimawandel, die Knappheit von Wasser und Energie als die drei größten Krisen, denen sich die Welt derzeit gegenüber sieht. Im Falle Südafrikas sieht die Partei eine klare Verbindung zwischen Armut und Klimawandel, "high levels of poverty in many parts of the country [are a result of] the destruction of the environment", und betont, dass die bereits bestehenden Belastungen der armen Bevölkerungsteile durch die vom Klimawandel ausgelösten extremen Wetterereignisse weiter zunehmen werden. Im Detail bietet das Wahlprogramm dann allerdings recht wenig.

Die Qual der Wahl

Wer in Südafrika also auf Grundlage des Themas Klimawandel entscheiden möchte, welche Partei seine Wahlstimme erhalten soll, hat folgende Wahl: Entweder man gibt seine Stimme einer der kleinen Parteien mit einer expliziten Agenda zum Thema Klimawandel - sei es mit Betonung auf saubere Energie oder Armut - jedoch ohne große Aussicht auf deren Umsetzung oder man entscheidet sich doch für die größte Partei und hofft, dass sich hinter dem knappen Statement über grüne Jobs und Klimawandel große Taten verbergen werden.


Jochen Luckscheiter ist Mitarbeiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Südafrika, Kapstadt

Weitere Informationen zur Wahl in Südafrika finden Sie in unserem englischen Dossier: South African Elections 2009