Kooperative Rüstungsbegrenzung und Abrüstung in Zeiten globalen Wandels

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Das dargestellte Nuklearsilo Titan II in Tuscon (Arizona) ist mittlerweile zu einem Museum umgebaut worden. Ansonsten sieht sich die Welt eher mit Auf- als nach Abrüstung konfrontiert

Die internationale Fachtagung zur Zukunft der Rüstungskontrolle ist gemeinsam von der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS), der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) organisiert und am 9.-10. September 2013 ausgerichtet worden.

Teilgenommen haben 20 Vortragende aus 13 Ländern sowie etwa 30 weiteren Teilnehmer/innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Ziel der Konferenz war es, zu diskutieren, welche Funktionen Rüstungskontrolle unter den sich wandelnden Bedingungen des 21. Jahrhunderts erfüllen kann und wie Maßnahmen der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung effektiver gestaltet werden können.

Rüstungskontrolle unter Bedingungen militärischer Asymmetrien

Panel 1 befasste sich mit der militärischen Überlegenheit der USA und den Auswirkungen sowohl auf die konventionelle wie auch die nukleare Rüstungskontrolle, zeigte die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Feldern auf und erörterte die Frage, mit welchen (neuen) Ansätzen die augenblicklich festgefahrenen Beziehungen zwischen den USA und Russland verbessert werden können.

Zum Thema der militärischen Überlegenheit der USA und der Frage, ob und wie sich diese auf Rüstungskontrollbemühungen auswirken, wurde zunächst auf die grundsätzliche Bereitschaft der Obama-Administration zu weiterer nuklearer Abrüstung hingewiesen. Russland hingegen habe bislang wenig Enthusiasmus in dieser Hinsicht gezeigt. Weitere nukleare Abrüstungsschritte verknüpfe vor allem Russland mit Zugeständnissen in den Bereichen der Raketenabwehr, dem Umgang mit konventionellen Prompt-Global-Strike-Systemen, der Multilateralisierung des Abrüstungsprozesses und Regelungen und Begrenzungen sowohl im Bereich der konventionellen Streitkräfte in Europa als auch im Weltraum.

In der Diskussion um die Zukunft der konventionellen Rüstungskontrolle wurde erneut deutlich, dass insbesondere den russischen nicht-strategischen Nuklearwaffen wegen der konventionellen Unterlegenheit der russischen Streitkräfte noch immer eine große Rolle zugemessen wird. Eine Aufgabe dieser Systeme sei daher aus russischer Sicht besonders problematisch. Zudem wurde argumentiert, dass Russland darauf aus sei, die Unterschiede im Bereich der konventionellen Fähigkeiten und Kapazitäten in den kommenden Jahren zu verringern und zu den USA aufzuschließen. Gelänge es gerade im Bereich neuer Technologien nicht, sich auf Rüstungskontrollmaßnahmen zu einigen, könnte es in naher Zukunft zu neuen Rüstungswettläufen kommen, vor allem wenn neben Russland etwa auch China neue Waffensysteme entwickelt und anschafft.

Im Rahmen der Diskussion, inwiefern nukleare Rüstungskontrolle auch in den nächsten Jahren von Bedeutung für die Sicherheit Europas ist und wie weitere Fortschritte erreicht werden können, wurden traditionelle Ansätze und Instrumente einer Bestandsaufnahme unterzogen. Insbesondere im Verhältnis zwischen Russland und den USA sollten beide Seiten ihre Rüstungskontrollagenden und -ansätze eher weiten, anstatt sich weiterhin am Problem der Asymmetrien im Bereich der militärischen Fähigkeiten aufzuhängen. Sie sollten sich um Kooperation in den Bereichen bemühen, in denen gemeinsame Interessen bestehen – wie vor allem Nuclear Safety und Security sowie Proliferation.

Nuklearwaffen: von der Kontrolle zur Abrüstung?

Panel 2 widmete sich der Leitfrage, wie eine bessere nukleare Ordnung mit dem langfristigen Ziel der vollständigen Abrüstung erreicht werden kann. Dabei wurden verschiedene Aspekte angesprochen: Grundfragen der Abschreckung und nuklearen Verwundbarkeit, humanitäre Ansätze und die besonderen Herausforderungen bei Exportkontrollen von Nukleartechnologien.

Einigkeit bestand zunächst in der Auffassung, dass sich die Voraussetzungen für Rüstungskontrolle grundlegend geändert haben. Die kurzfristigen Perspektiven für Rüstungskontrolle und Abrüstung seien zudem eher schlecht. Trotz aller Schwierigkeiten und der belasteten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sei eine sinnvolle zukünftige Gestaltung der nuklearen Ordnung nur in Absprache und Kooperation mit Russland möglich, das in Europa, aber auch im Nahen Osten, ein Schlüsselakteur ist sowie unumgänglicher Partner als eines der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (P5).

Wie zuvor bereits diskutiert, sei es sinnvoll, mit neuen Kooperationsbemühungen bei den gemeinsamen Interessen Russlands und der USA anzusetzen. So sehe der für 2014 geplante Nuclear Security Summit in den Niederlanden Gespräche über eine vertiefte technische Zusammenarbeit vor. Großbritannien sei zudem dazu bereit, vor der 2015er NVV-Überprüfungskonferenz ein Treffen zur Verifikation nuklearer Abrüstung auszurichten. Ausgangspunkt sollen freiwillige Verifikationsmaßnahmen wie transparenz- und vertrauensbildende Maßnahmen sein. Weitere Themen sollen unter anderem der Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material (FMCT)sowie die Bemühungen um eine nuklearwaffenfreie Zone im Nahen Osten sein.

Verschiedene Teilnehmende betonten die Vorzüge des P5-Dialogs. Der Rahmen der P5 ermögliche mehr Flexibilität und könnte ein mögliches zukünftiges Forum zur Multilateralisierung von Abrüstungsbemühungen sein. Insgesamt erweise sich der P5-Dialog als weitaus produktiver als erwartet.

Hingewiesen wurde im Folgenden noch einmal auf grundlegende Probleme von Rüstungskontrolle und Abrüstung – die zugrundeliegende Sicherheitssituation bzw. die Frage nach der globalen nuklearen Verwundbarkeit. Zunächst einmal sei kein Staat gleich verwundbar, aber auch kein Staat vollständig geschützt. Die Fähigkeit zur Schadensminderung sei grundsätzlich entscheidender als die zur Massenvernichtung. Gleichzeitig sei Verwundbarkeit „conditio sine qua non“ für das Funktionieren von Abschreckung. Nukleare Abschreckung sei also darauf angewiesen, dass auch die globale nukleare Verwundbarkeit endlos aufrechterhalten wird. Das wiederum bedeute, dass sich ein Staat fortwährend gegen die Möglichkeit eines nuklearen Angriffs schützen muss. Schon das Problem der Sicherheit vor Unfällen könnte jedoch nur durch weltweit absolut störungssichere Technologien gelöst werden. Denn die Frage sei nicht, ob die eigenen Arsenale sicher sind, sondern ob ein jedes nukleares Arsenal auf der Welt, das auf das Land X oder Y gerichtet ist, sicher ist.

Humanitäre Ansätze in der nuklearen Abrüstungsdebatte stellen den Menschen in den Mittelpunkt bzw. die Auswirkungen einer Nuklearwaffenexplosion. Während biologische und chemische Waffen mittlerweile verboten sind, werden Nuklearwaffen von der internationalen Staatengemeinschaft weiterhin nicht geächtet. Während es vor allem durch zivilgesellschaftlichen Druck seit Ende des Kalten Krieges gelungen ist, Landminen und Streumunition zu verbieten und zuletzt mit dem Arms Trade Treaty (ATT) im Bereich der Kleinwaffen und Leichtwaffen rüstungskontrollpolitische Fortschritte zu verzeichnen sind, ist ein Verbot von Nuklearwaffen auf absehbare Zeit nicht zu erreichen. Verhandlungen im Rahmen des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) und der UN Conference on Disarmament stagnieren seit Jahren. Allerdings haben einzelne Staaten die Initiative ergriffen und auf der NVV-Überprüfungskonferenz 2010 erstmals den „humanitären Imperativ“ eines Verbots von Nuklearwaffen zur Sprache gebracht. Auf der PrepCom 2012 unterzeichneten 31 NVV-Staaten eine Stellungnahme, 2013 waren es bereits 80 Staaten, die eine ähnliche Erklärung unterstützten. In der Zwischenzeit hatte im März 2013 eine erste Konferenz in Oslo stattgefunden, auf der die humanitären Folgen einer Nuklearwaffenexplosion diskutiert wurden. Insgesamt nahmen 107 Staaten teil. Alle offiziellen Nuklearwaffenstaaten blieben fern, allerdings beteiligten sich Indien und Pakistan sowie Iran.

Eine weitere Konferenz ist im Februar 2014 in Mexiko geplant. Zur Frage, wie wichtig es wäre, dass die offiziellen Nuklearwaffenstaaten teilnehmen, wurde argumentiert, es habe einen positiven Effekt, sollten die Nuklearwaffenstaaten erneut nicht teilnehmen. Ohne die Nuklearmächte könne die Entwicklung des humanitären Ansatzes erfolgreicher vorangetrieben werden kann. Wichtig sei es hingegen, die Länder zu erreichen, die noch immer unter dem nuklearen Schutz der USA stehen, und sie zu einem Umdenken zu bewegen.

Die rüstungskontrollpolitischen Herausforderungen im Bereich von Nukleartechnologien sind vielschichtig. Zum einen stellt sich die Frage nach der Effektivität bestehender Exportkontrollen – werden die entscheidenden Materialien und Technologien kontrolliert und auf welche Weise? Und zum anderen die Frage nach dem politischen Willen entscheidender Akteure. Diskutiert wurden in diesem Zusammenhang, was die zukünftigen exportkontrollpolitischen Gefährdungen sein werden, wie Exportkontrollen effektiver gestaltet werden können und ob es wünschenswert und machbar ist, bestehende Konzepte der Exportkontrolle zu einem universal annehmbaren, multilateralen Instrument zu erweitern.

Seit ihrer Gründung nach dem indischen Nukleartest 1974 hat sich im Bereich nuklearer Exporte die Nuclear Suppliers Group (NSG) zur wichtigsten Institution entwickelt, während der NVV als Grundlage für Exportkontrollen erheblich an Bedeutung verloren hat. Die NSG hat ihre Richtlinien in den vergangenen Jahrzehnten fortwährend weiterentwickelt, 2011 zuletzt in den Bereichen Anreicherung und Wiederaufbereitung. Dennoch sei die Effektivität der NSG durch eine Anzahl von Entwicklungen gefährdet, insbesondere das weiter anwachsende Volumen von Nuklearexporten, eine steigende Anzahl von Ländern, die als Zwischenhändler auftreten, die Entstehung neuer Lieferländer und die Zunahme von Technologietransfers, die allein über das Internet erfolgen. Seit Ende des Kalten Krieges wird zudem Legitimität, Zuschnitt und Teilnehmerkreis der NSG zunehmend infrage gestellt.  Es wurden zwei mögliche Antworten auf diese Defizite debattiert. Zum einen sei es vorstellbar, einen universalen, multilateralen Vertrag über Exportkontrollen im Nuklearbereich auszuhandeln, auf Grundlage des NVV. Zum anderen könnten die heutigen Defizite schrittweise abgebaut werden – durch ein erneuertes Verhältnis zum NVV, einen glaubhafteren Umgang mit Verstößen gegen NSG-Richtlinien, eine zukünftige Erweiterung des Teilnehmenden- und Mitgliederkreises und Bemühungen, das Interesse an und ein gemeinsames Verständnis der Notwendigkeit von Exportkontrollen längerfristig aufrechtzuhalten.

Die Regulierung neuer Technologien?

Panel 3 beschäftigte sich mit den möglichen Chancen und Optionen, neue Technologien bzw. deren militärischen Verwendung zu regulieren. Entscheidende Einflussfaktoren in diesem Themenfeld sind der große Fortschritt im Bereich der Informationstechnologie und die daraus erwachsenden technischen Möglichkeiten. Exemplarisch wurden die Themen Prompt Global Strike-Systeme, Cyber Security und Drohnen diskutiert.

Unter dem Begriff Prompt Global Strike wird die Fähigkeit verstanden, innerhalb kürzester Zeit und weltweit mittels eines gezielten und begrenzten Militärschlags intervenieren zu können. Hierfür benötigt man sehr schnelle Trägersysteme. Die USA arbeiten seit vielen Jahren an diesen Kapazitäten, streben laut eigener Aussage aber weniger eine strategische, als vielmehr eine stark limitierte Nischenfähigkeit in kleiner Stückzahl an. Die vorherrschende konventionelle militärische Dominanz der USA ruft bei anderen Ländern aber Besorgnis hervor. In Russland und China wird an ähnlichen Programmen gearbeitet. Experten sehen in Prompt Global Strike-Systemen die Gefahr einer möglichen Schwächung der strategischen Stabilität, vor allem zwischen den USA und Russland, die weiteren nuklearen Abrüstungsschritten im Weg stehen könnte. Auch wegen der starken Ausrichtung auf präventive Militärschläge ist das Prompt Global Strike-Konzept umstritten.

Drohnen hingegen werden bislang vor allem zur Informationsgewinnung und Überwachung eingesetzt. Die Verbreitung von Drohnen hat stetig zugenommen und in den letzten Jahren ist eine Tendenz zu bewaffneten Drohnen zu beobachten. Bisher haben aber nur die USA, Großbritannien und Israel bewaffnete Drohnen eingesetzt. Die Verwendung bewaffneter Drohnen wirft eine Reihe kritischer Fragen auf, insbesondere in Hinsicht auf eine Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung. Bewaffnete Drohnen werden heute insbesondere in asymmetrischen Konflikten, wie z.B. der Bekämpfung von Aufständischen oder Terrorismus, und zumeist durch Geheimdienste eingesetzt. Eine zunehmende Verbreitung und Automatisierung bewaffneter Drohnensysteme könnten in vielen Konfliktregionen eine destabilisierende Wirkung haben und zu einer Zunahme an regionalem Wettrüsten führen.

Das Internet und die Informationstechnologie spielen für das moderne Leben eine fundamentale Rolle. Um die Funktionsfähigkeit und Sicherheit des Cyber Space gewährleisten zu können, investieren eine Vielzahl von Staaten in eigene Cyber-Security-Kapazitäten. Eine Reihe von Staaten strebt auch offensive Fähigkeiten an, die sich für einen Angriff nutzen lassen. Auf Grund des Dual-Use-Charakters der Netzwerktechnologien ist es aber kaum möglich, defensive und offensive Kapazitäten eindeutig voneinander abzugrenzen. Angriffe lassen sich wenn überhaupt nur sehr schwer zu den Verursachenden zurück verfolgen, eine Zuordnung und Unterscheidung zwischen staatlichen Hackerinnen und Hackern, Kriminellen oder Privatpersonen ist nur selten möglich. Dementsprechend schwierig gestalten sich auch internationale Verhandlungen zu einem Code of Conduct oder Bemühungen zur Regulierung des Netzes. Transparenz- und vertrauensbildende Maßnahmen können ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr internationaler Zusammenarbeit auf diesem Sektor sein.

Präventive Rüstungskontrolle und freiwillige Regulierungen bei der militärischen Verwendung neuer Technologien, aber auch die stärkere Einbindung konventioneller Rüstung in zukünftige nukleare Abrüstungsverhandlungen, können helfen, verlorengegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen, angespannte Verhältnisse zu stabilisieren und neuen Rüstungswettläufen vorzubeugen.

Die Kontrolle von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten

Panel 4 setzte sich mit den Bemühungen um eine massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten (WMDFZME) auseinander. Dabei kamen die verschiedenen Positionen der in der Region agierenden Parteien zur Sprache. Vorgeschlagen wurde eine Wiederbelebung des regionalen Rüstungskontrolldialogs sowie die Idee, mit transparenz- und vertrauensbildenden Maßnahmen im Bereich von Trägersystemen einen Austausch über gemeinsame Sicherheitsinteressen zu beginnen.

Ausgangspunkt der Diskussion war die Erkenntnis, dass bis zur Errichtung einer solchen Zone im Nahen Osten noch ein weiter Weg zurückzulegen ist. Die momentane Situation wurde allgemein als festgefahren beschrieben. Nachdem 2010 im Rahmen der NVV-Überprüfungskonferenz beschlossen worden war, bis Ende 2012 eine Konferenz über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen Osten einzuberufen und im Oktober 2011 der finnische Diplomat und Botschafter Jaako Laajava von den Vereinten Nationen als facilitator ernannt worden war, musste die Konferenz im November 2012 aufgrund der unüberbrückbaren Differenzen auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Bei der letzten NVV PrepCom verließ Ägypten aus Protest über die weitere Verschiebung der Nahostkonferenz während der Verhandlungen den Plenarsaal. Trotz der jüngsten positiven Entwicklungen seit der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Rohani, belastet der Konflikt um das iranische Nuklearprogramm noch immer die Beziehungen in der Region. Auch im Hinblick auf eine WMDFZME sind vertrauensbildende Maßnahmen möglicherweise die am einfachsten zu erreichenden ersten Schritte zu weiterer Verständigung.

Diskutiert wurde, warum die bisherigen Ansätze zu einer massenvernichtungsfreien Zone im Nahen Osten bislang gescheitert sind. Israels bestehe weiterhin auf der Bedeutung des Kontexts, den Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten und der Notwendigkeit eines Friedensprozesses. Israelische Vertreter beklagten zudem die mangelnde Unterstützung durch Ägypten, die andauernde Konfrontation mit Iran sowie die Bedrohung durch Syriens Chemiewaffen. Insgesamt stelle man eine fortdauernde grundlegende Bedrohung der Sicherheit Israels fest.

Notwendig sei daher ein umfassender regionalen Ansatz, beginnend mit „weichen“ Sicherheitsfragen bis hin zu den harten Sicherheitsfragen. Solch ein umfassender regionaler Ansatz sollte auch Massenvernichtungswaffen umfassen, aber eben nicht ausschließlich. Es gehe in einem ersten Schritt darum auszuloten, in welchen Bereichen gemeinsame Sicherheitsinteressen bestehen.

Ein anderer Teilnehmer argumentierte, dass die Erwartungen an die Nahost-Konferenz zu hoch gewesen seien, insbesondere auf Seiten Ägyptens. Zusätzlich hätten die USA erheblichen Druck auf Israel ausgeübt, an der Konferenz teilzunehmen. Bei der äußerst verfahrenen und komplexen Situation teilten jedoch alle Staaten die Wahrnehmung eines Sicherheitsdilemmas. Notwendig sei daher die Suche nach einem analytischen angemessenen Konzept, um die Zusammenhänge zwischen den in der Region befindlichen Waffen und den Sicherheitsdilemmata zu erfassen. In diesem Zusammenhang seien auch Nuklearwaffen von Bedeutung und würden als Bedrohung wahrgenommen. Ein erster Schritt wäre eine gemeinsame Liste der Sicherheitsbedenken und möglicher vertrauensbildender Maßnahmen. Ein möglicher Ansatz, sicherheitspolitische Zusammenarbeit im Nahen Osten in einem weniger umstrittenen Bereich zu fördern, wäre, mit Transparenz- und vertrauensbildenden Maßnahmen und Reduzierungen im Bereich der Trägersysteme zu beginnen.

Rüstungskontrolle in Asien

Panel 5 setzte sich mit verschiedenen rüstungskontrollpolitischen Themen in Asien auseinander: der Rolle Indiens und Pakistans im nuklearen Nichtverbreitungsregime, der Auseinandersetzung um das nordkoreanische Atomprogramm und mit Chinas Rolle in der Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung.

Zur Situation Pakistans wurden zunächst folgende Feststellungen gemacht: Das Land mache keinen Hehl daraus, insbesondere sein Nuklearwaffenarsenal rasch auszubauen. Gleichzeitig befinde sich das Land in einem Zustand des Bürgerkriegs – allein in den letzten zehn Jahren seien mindestens 15.000 Menschen getötet worden. Es handele sich bei Pakistan jedoch um eine demokratisch gewählte Regierung. Trotz der momentan äußerst angespannten Beziehungen zu Indien, wolle diese mit Indien Frieden schließen und Handel treiben.

Gegenüber den USA bestehe eine tiefe Furcht im militärischen Establishment, dass die pakistanischen Nuklearwaffen durch die USA gesichert und außer Landes gebracht werden könnten. Wichtig wären daher Bemühungen der USA, diese Ängste zu zerstreuen.

Diskutiert wurde anschließend, was getan werden könne, um den bestehenden Konflikt zu entschärfen und weitere militärische Auseinandersetzungen zwischen Pakistan und Indien zu verhindern. Was könne Pakistan tun, um die Lage im Land zu stabilisieren? Pakistan solle sich zunächst auf seine innenpolitischen Probleme wie die Wirtschaftslage des Landes konzentrieren. Die Unterstützung bzw. versuchte Zusammenarbeit mit dschihadistischen Gruppen müsse aufgegeben werden. Ebenso die Hoffnung, diese könnten im Sinne Pakistans Kontrolle in Afghanistan gewinnen, insbesondere wenn die US-Truppen vollständig abgezogen sein werden. Dieses Kalkül des pakistanischen Militärs werde nicht aufgehen. Was könne Indien tun? Obgleich die Terroranschläge in Mumbai eindeutig von Teilen des pakistanischen Establishments unterstützt worden seien, sollte Indien auf die Androhung militärischer Vergeltungsschläge verzichten. Beide Länder sollten einsehen, dass der Kaschmir-Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann. Pakistan sei mittlerweile auf einen Krieg mit taktischen Nuklearwaffen eingestellt. Das bedeute, diese Länder dürften es nicht auf einen Krieg miteinander ankommen lassen.

Im Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm gab es bereits drei Anläufe, das Problem der nordkoreanischen Nuklearwaffen zu lösen. Beide Male hätten in einem enttäuschenden Scheitern geendet. Keinerlei Anzeichen deuteten darauf hin, dass Nordkorea bereit wäre, sein Nuklearwaffenprogramm aufzugeben und abzurüsten. Währenddessen ergäben Umfragen in Südkorea, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Stationierung von Nuklearwaffen im eigenen Staatsgebiet befürwortet. Ähnliche Meinungsäußerungen gäbe es in Japan, selbst von hochrangigen Politikern. Das Verhalten Nordkoreas sowie die Reaktion Südkoreas, Japans und die Verstärkung von US-Truppen in der Region wiederum förderten auf chinesischer Seite nicht gerade den Willen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle. In der Diskussion bestand Einigkeit, dass auf absehbare Zeit ein Einlenken Nordkoreas und Abrüsten der nordkoreanischen Nuklearwaffen unwahrscheinlich ist. Gleichzeitig seien Nuklearwaffen ungeeignet, konventionelle Provokationen zu verhindern. Es bestehe daher kein Anlass, auf extended deterrence durch die USA zu beharren. Im Gegenteil würde es die Möglichkeiten für nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle in der Region fördern, wenn es gelänge, die Bedeutung von nuklearer Abschreckung für die Sicherheit der Region weiter abzuschwächen.

Was die Rolle Chinas in der Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung angehe, so engagiere sich China zunehmend. Damit einhergehend habe sich auch die Einstellung gegenüber dem internationalen Nichtverbreitungsregime positiv verändert. Nach chinesischer Ansicht solle durch Rüstungskontrolle mehr Sicherheit für alle erreicht werden, dabei müsse das Prinzip der Gleichberechtigung aller Parteien gelten. China habe ein Interesse an diplomatischen Lösungen der bestehenden Konflikte im Bereich der Nichtverbreitung und wolle militärische Lösungen vermeiden. Im Bereich der nuklearen Rüstungskontrolle sei China bereits ein proaktiverer und selbstbewussterer Akteur, aber auch in den Bereichen Weltraum und Cyber möchte es sein Engagement weiter ausbauen und mehr eigene Vorschläge einbringen. Gleichzeitig werde China mit der Modernisierung seines Nukleararsenals fortfahren und dessen Effektivität weiter steigern. Es bestehe weiterhin die Sorge, mehr Transparenz hinsichtlich der eigenen Nuklearkräfte könnte die strategische Stabilität gefährden. In den kommenden Jahren werde China aber zu mehr Transparenz bereit sein. Es dürfe nicht vergessen werden, dass China noch immer ein Entwicklungsland sei, auch was die militärischen Kapazitäten im Vergleich zu denen des Westens betreffe. Rüstungskontrolle sei im Übrigen traditionell kein Bestandteil chinesisch strategischer Kultur, es bedürfe daher noch Zeit, zu lernen und ein eigenes chinesisches Verständnis von Rüstungskontrolle zu entwickeln, bis westliche und chinesische Ansätze besser integriert werden könnten.

Rüstungskontrolle in Afrika

Panel 6 befasste sich mit rüstungskontrollpolitischen Interessen und Ansätzen in Afrika. Während die Bedrohung durch Nuklearwaffen heutzutage im Wesentlichen abstrakt ist, sind der Einsatz und der Tod zahlreicher Menschen durch Kleinwaffen und leichte Waffen in vielen afrikanischen Staaten täglich Realität. Viele Länder sind zudem noch immer mit Landminen verseucht. Insbesondere die Bemühungen der vergangenen Jahre im Bereich der humanitären Rüstungskontrolle waren daher von besonderem Interesse für viele afrikanische Staaten.

Im Bereich der humanitären Rüstungskontrolle, genauer bei den Verhandlungen zum Landminenverbot und dem Verbot von Streumunition, war man deswegen erfolgreich, weil man von traditionellen Prinzipien der Rüstungskontrolle abgewichen ist. So entschloss man sich entgegen bisheriger Praxis für einen Abschluss der Verträge, obwohl wesentliche Staaten nicht zugestimmt hatten. Aus afrikanischer Sicht besonders wichtig war der Abschluss des Arm Trade Treaty, der erstmals allgemein verbindliche Exportrichtlinien im Bereich der Kleinwaffen und leichten Waffen festlegt. Eine erfolgreiche Umsetzung des ATT in den nächsten Jahren werde allerdings durch grundlegende interne Probleme erschwert. Genannt wurden unter anderem die Bekämpfung von Krankheiten, innerstaatliche Konflikte und Naturkatastrophen, die unmittelbar das Leben der Menschen bedrohen und auf welche die ohnehin begrenzten finanziellen Ressourcen vor allem verwendet werden.

Eine besondere Bedrohung sind bewaffnete nichtstaatliche Gruppen. In nicht weniger als 25 afrikanischen Staaten gibt es mindestens eine wenn nicht mehrere bewaffnete nichtstaatliche Gruppen. Sie sind hauptsächlich mit Kleinwaffen und leichten Waffen bewaffnet. Die drei maßgeblichen Waffentypen sind AKs (Sturmgewehre), Maschinengewehre und MANPADS (schultergestützte Boden-Luft-Flugabwehrraketensysteme). Ein wesentliches Problem afrikanischer Streitkräfte und vor allem bewaffneter nichtstaatlicher Akteure ist, dass Waffen- und Munitionslager nur unzureichend gesichert sind und nur mangelhaft kontrolliert werden. Vor allem staatliche Bestände zu sichern, um die Entwendung von Waffen und Munition zu verhindern, ist daher ein Ansatz von Rüstungskontrollmaßnahmen in diesem Bereich. Die Quellen für Waffen und Munition sind allerdings vielfältig: Überlassenschaften zusammenbrechender Staaten, vergrabene Bestände, unzureichend gesicherte staatliche Bestände, Verluste auf Schlachtfeldern, staatliche Lieferungen, illegal gehandelte Waffen. Für Bemühungen verstärkte Rüstungskontrolle sei es wichtig, zu klären, ob Waffen aus internen oder externen Quellen stammen. Die Möglichkeiten, illegalen Handel insbesondere durch bessere Exportkontrollen zu unterbinden, sind in den letzten Jahren gestiegen.

Unter anderem kommt es vermehrt zu Bemühungen um verbesserte Abstimmung und gemeinsame Exportkontrollmaßnahmen im Rahmen der Southern African Development Community (SADC). Zur Vereinheitlichung nationaler Regulierung und um eine bessere Implementierung bestehender Richtlinien zu erreichen, legt die SADC Auflagen und Maßnahmen in Form von Protokollen fest, welche die teilnehmenden Staaten unterzeichnen und die von der Organisation implementiert werden. Vorrangiges Ziel ist die effektivere Exportkontrolle von Feuerwaffen. Größte Herausforderung sind dabei Waffenreimporte und die häufig schnell wechselnde politische Situation in Mitgliedsstaaten. Um die Arbeit der SADC in den nächsten Jahren zu verbessern, sei es vor allem ein größeres zivilgesellschaftliches Engagement notwendig sowie die verstärkte Nutzung sozialer Medien.

 

 

Weitere Informationen und Hintergründe zur Thematik finden Sie auch in unserer englischsprachigen Publikation The Future of Arms Control im Rahmen unserer Publikationsreihe Schriften zur Demokratie.