Bayern: Die kleine Alternative zum großen Schlachthof

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Der Einsatz der mobilen Schlachtbox. Die komplette Grafik finden Sie weiter unten im Text

Wer Fleisch – auch Öko-Ware – verzehrt, muss das Töten von Tieren akzeptieren. Großschlachthöfe stehen in der Kritik. Doch es geht auch dezentral. Bauern im Allgäu wollen es mit der mobilen Schlachtbox vormachen. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Die traditonelle handwerkliche Schlachtung und Verarbeitung von Tieren geht immer mehr zurück. Dazu hat auch die EU-Hygieneverordnung für Schlachträume beigetragen. Die dort geforderten Investitionen waren für viele kleinere Metzgereien zu hoch. Die industrielle, arbeitsteilige Schlachtung ist heute Standard. Die Schlachthöfe werden zentralisiert und immer größer. Die bayerische Landesregierung meldete für das Jahr 2014 rund 900.000 Rinder in gewerblicher Schlachtung – gegenüber nur 10.000 in Hausschlachtung.

Wegen der Konzentration der Schlachthöfe haben Tiertransporte deutlich zugenommen. Häufig kommt es zu Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften, sei es Überladung, die fehlende Versorgung mit Wasser oder die Überschreitung der Transportzeit. Die Tiere leiden massiv unter den Belastungen. Die unzureichenden Tierschutzvorgaben und die mangelnde Kontrolldichte werden von allen Tierschutzorganisationen kritisiert.

Weidevieh, im Hänger eingesperrt und abtransportiert, reagiert besonders gestresst

Ein mittlerer Schlachtbetrieb schlachtet am Tag 300 Rinder, größere Betriebe bis zu 70 Rinder pro Stunde. So bleibt in vielen Fällen für eine Schlachtung – sie besteht aus Betäuben, Stechen und Entbluten – nicht einmal eine Minute Zeit. Bei der Betäubung kommt es laut Auskunft der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen von 2012 zu einer Fehlerquote von neun bis zwölf Prozent. Hunderttausende Tiere werden also bei Bewusstsein gestochen und entblutet.

Außerdem bedeuten Transport und Schlachthofumgebung für alle Tiere Stress. Dies gilt vor allem für Weiderinder, die die meiste Zeit im Herdenverband im Freien leben und es nicht gewöhnt sind, in einen Hänger verladen zu werden. Dabei ist auch die Unfallgefahr für die Menschen hoch.

Hier setzt die mobile Schlachtbox von Ernst Hermann Maier an. Sie soll es erlauben, schonender mit dem Tier umzugehen. Und ohne Ausschüttung von Stress- und Angsthormonen ist das Fleisch bekömmlicher. Die Schlachtbox ist der mobile Teil einer EU-zugelassenen Schlachtstätte. Sie ist hinten an der Traktorhydraulik angebaut. Das Schlachttier wird in der Herde, in seiner gewohnten Umgebung auf der Weide, mit einem Kopfschuss (Kugel- oder Bolzenschuss) betäubt. Die Herdenmitglieder reagieren auf den Schuss mit schallgedämpfter Kugel-Langwaffe kaum oder gar nicht.

Nach dem Tierschutzgesetz darf ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist. So nimmt es den eigentlichen Tötungsakt, das Ausbluten, nicht wahr. Die im Zusammenhang mit der Schlachtbox eingesetzte Betäubung durch einen Kugelschuss wirkt um ein Vielfaches stärker als der sonst übliche Bolzenschuss. Dennoch führt, wenn die richtige Munition verwendet wird, hier nicht schon der Schuss selbst zum Tod; die staatlichen Lehr- und Versuchsanstalten bieten Sachkundelehrgänge zur Anwendung des Kugelschusses auf der Weide an.

Nach mehr als 20 Jahren Tüfteln und vielen Auseinandersetzungen mit den Behörden hat Maier die Zulassung für sein Verfahren erhalten. Durch den Schuss sackt das Tier bewusstlos zusammen und wird nach Kontrolle der Vitalzeichen mittels hydraulischer Winden in die Schlachtbox gehoben. Mit einem Stechmesser öffnet der Schlachter oder die Schlachterin anschließend die beiden Halsschlagadern. Für die Handreinigung nach dem Tod des Tieres ist eine Hygienebox eingebaut. Der Transport erfolgt in der geschlossenen Box. Im Schlachtbetrieb wird das Tier abgehäutet, ausgeweidet, halbiert und gekühlt. Das in der Boxenwanne aufgefangene Blut wird vorschriftsmäßig entsorgt und die Box gereinigt.

Zwar dürfen Rinder seit 2011 auf der Weide geschlachtet werden. Aber bisher ist für jedes Tier eine Genehmigung nötig, ein Tierarzt muss anwesend sein und der Ort nachher gereinigt werden. Der Einsatz der mobilen Schlachtbox erspare das, wirbt Maier. Jeder EU-zertifizierte Schlachtbetrieb kann dafür eine Genehmigung nach der EU-Hygieneverordnung erhalten. Für viele Fachbehörden ist dies allerdings Neuland, weshalb manchmal einige Überzeugungsarbeit nötig sein wird. Nach der momentanen Gesetzeslage ist die Box Bestandteil des jeweiligen Schlachtbetriebs und darf nur von diesem Betrieb verwendet werden. Praktischer und wirtschaftlicher wäre es allerdings, wenn mehrere Schlachtbetriebe eine Box nutzen könnten.

Die mobile Schlachtbox soll keine Konkurrenz zu regionalen Schlachtbetrieben sein, die tierschutzkonform arbeiten, sondern im Gegenteil solche Betriebe sinnvoll ergänzen und sie dadurch stärken. Denn in fast allen Fällen ist nur mit einer solchen mobilen Einrichtung eine stress- und gefahrenfreie Schlachtung möglich. Abgesehen von den Tierschutzaspekten stärkt die mobile Schlachtbox in jedem Fall die handwerklichen Schlachtbetriebe und hilft so beim Schutz regionaler Strukturen – deshalb unterstützt auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) das Projekt.

Laut Herbert Siegel, Regionalsprecher der AbL Allgäu und Vorstandsmitglied des Schlachtvereins Weitnau-Missen-Buchenberg, interessieren sich viele Bauern für das Projekt. Gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern hat der Biobauer aus dem Oberallgäu als erster in Bayern bei Maier eine Schlachtbox bestellt. Die Kosten liegen bei etwa 15.000 Euro. Sechs bis acht Bauern werden das Gerät – voraussichtlich ab Herbst – nutzen, sagt Siegel. Er hofft, dass es schnell mehr werden. Die Konkurrenz zu den regionalen Betrieben in Bayern bleibt derweil begrenzt: Für das erste Jahr rechnet Siegel mit 30 bis 50 Schlachtungen.  

 

Quellen:

  • S. 42: Ellen Stockmar/Atlas-Manufaktur.
  • S. 43: Bayerisches Landesamt für Statistik, Tierische Erzeugnisse in Bayern 2014, S. 14–29, http://bit.ly/1JDAWTf. – LFL: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Fleisch- und Geflügelwirtschaft in Bayern 2013, Juni 2014, S. 24, http://bit.ly/1gSWXXc.
  • Text: Anfrage 2012, http://bit.ly/1MbOYfn