Mecklenburg-Vorpommern: Wo die Megaställe stehen

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Ausschnitt aus der Grafik "Millionen Tiere für den Fleischkonsum" (s.u.)

Die Massentierhaltung zeigt Folgen. Nitrate im Boden, Ammoniak in der Luft, kaum neue Arbeitsplätze – doch die Landesregierung fördert unverdrossen weiter. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Unzersiedelte Landschaften, eine lange Ostseeküste, kulturell interessante Städte, dazu zahlreiche Nationalparks und Biosphärenreservate – diese Mischung lockt Jahr für Jahr Hunderttausende Besucherinnen und Besucher in den Nordosten Deutschlands. Einen großen Teil seiner Attraktivität bezieht Mecklenburg-Vorpommern aus der Vielfalt seiner Äcker, Wiesen und Weiden mit Bauminseln, Hecken und Kleingewässern. Die landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst rund 63 Prozent der Landesfläche.

Die weit weniger idyllische Seite der Landwirtschaft bilden die sehr großen, an wenigen Standorten konzentrierten Nutztierbestände. Zwar werden in anderen Bundesländern in absoluten Zahlen noch weit mehr Nutztiere gehalten. Die Mast- und Zuchtanlagen in Mecklenburg-Vorpommern gehören jedoch zu den größten Deutschlands. Über zwei Drittel aller Schweine entfielen 2014 auf Betriebe mit über 5.000 Tieren. Im Landesdurchschnitt sind es 4.700 Tiere je Betrieb. Selbst der Durchschnittswert von 1.280 Tieren pro Betrieb im „Schweineland“ Niedersachsen wird deutlich übertroffen.

Eine der größten Ferkelfabriken Europas, die Anlage bei Alt Tellin im Landkreis Vorpommern-Greifswald, hat seit dem Jahr 2013 Platz für 10.458 Muttersauen mit jährlich ungefähr 250.000 Ferkeln. In der im gleichen Landkreis gelegenen Rindermastanlage Ferdinandshof stehen 18.000 Tiere. In Vorpommern-Rügen ist es Geflügel: In Bassin bei Grimmen werden 966.000 Hähnchen gemästet, in drei Nachbarorten zusammen noch einmal 216.000 Tiere. Ein weiteres Zentrum der industriellen Tierhaltung befindet sich in Banzkow südlich von Schwerin. Hier stehen vier Legehennenanlagen für insgesamt 479.950 Hühner.

Das Land ist permanent überdüngt, das Grundwasser stark belastet

Die Massentierhaltung auf engstem Raum wirkt sich negativ auf die Tiere, aber auch auf die Umwelt aus. So tragen gewaltige Mengen an Gülle und der Ammoniakausstoß der Anlagen dazu bei, Böden, Biotope, Grundwasser, Seen, Flüsse und Küstengewässer permanent mit Nitrat zu überdüngen. Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile auf neun Prozent der Landwirtschaftsfläche ökologischer Landbau betrieben wird, ist das Grundwasser stark gefährdet: An fast jeder fünften der 260 Messstellen im Land wird der zulässige Grenzwert von 50 Milligramm je Liter überschritten.

In der Schweinemast- und Sauenanlage in Losten bei Bad Kleinen, eine der größten Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Deutschland, stehen 34.400 Schweine. Bei voller Auslastung können hier jährlich bis zu 100 Millionen Liter Gülle anfallen. Diese gewaltige Menge muss auf Äckern und Grünland verteilt werden. Dass inzwischen ein Teil der Gülle in einer Biogasanlage in Energie umgewandelt wird, ändert nichts an der Tatsache, dass der Nitratgehalt des Grundwassers um die Ortschaft Losten herum seit vielen Jahren den Grenzwert überschreitet – aktuell um mehr als das Vierfache.

Dies ist allerdings keine neue Entwicklung. Bereits in der DDR lag hier ein Zentrum der industriellen Tierproduktion. Die deutsche Einheit, die Neuordnung der Agrarbetriebe sowie ungünstige Marktbedingungen führten zu einer Halbierung der Nutztierbestände. Politische Entscheidungen sollten diese Entwicklungen stoppen. So beschloss die damalige Regierungskoalition aus SPD und PDS im Jahr 1999, Landesflächen nur noch an Landwirtschaftsbetriebe zu verpachten, wenn diese in Tierhaltungsanlagen investieren.

Zuschüsse für den Stallbau gegen meist an konventionelle Betriebe

Der beabsichtigte Zuwachs an Arbeitsplätzen blieb jedoch aus, denn heutige Nutztierställe mit Tausenden Tieren sind in weiten Teilen automatisiert und brauchen wenig Personal. Trotzdem setzten die Landesregierungen aus SPD und CDU ab 2006 die Förderung der industriellen Tierhaltung fort. Erhebliche Fördermittel aus dem sogenannten Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) flossen in zahlreiche Großställe. Das AFP ist als deutschlandweites Förderinstrument seit 1997 in den neuen Bundesländern verfügbar. Zwischen 2007 und 2011 wurden damit in Mecklenburg-Vorpommern 935 Agrarunternehmen mit knapp 98 Millionen Euro insbesondere im Bereich des Stallbaus bezuschusst – und dies vor allem im konventionellen Bereich. Im Jahr 2010 flossen allein 12,7 Millionen Euro in Stallgebäude der Schweine- und Geflügelhaltung.

Die mehrheitlich in Landesbesitz befindliche Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH organisierte bei etlichen Großstallbauvorhaben die Fördermittel aus dem AFP und übernahm die Planungsverfahren, so zum Beispiel für zwei benachbarte Geflügelmastanlagen bei Klein Daberkow im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte mit jeweils 200.000 Mastplätzen. Erst im Jahr 2012 passte die Landesregierung ihre Förderkriterien an und setzte auf etwas mehr Tierschutz und ökologische Tierhaltung. Trotzdem werden Stallneubauten in der konventionellen Geflügel- oder Schweinehaltung unter bestimmten Umständen weiterhin gefördert.
Ein Ende der Förderung von Massentierhaltung ist nicht in Sicht. Immer weniger Tierhalter, dafür eine hohe Konzentration von Nutztieren in immer größeren Anlagen – das ist der Trend in Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaft.

 

Quellen:

  • S. 18: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Viehbestände in Mecklenburg-Vorpommern, 3. November 2014 (Rinder, Schweine) http://bit.ly/1JtPSqX
  • Eigene Berechnungen nach der Kleinen Anfrage Drucksache 6/2816, 24. April 2014, Landtag Mecklenburg- Vorpommern, bei Geflügel: nur genehmigungspflichtige Anlagen nach BImSchG, http://bit.ly/1KFsuTM
  • S. 19: Umweltbundesamt, Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister, Berichtsjahr 2012, Datenbankabfrage, www.thru.de.
  • Eigene Berechnungen wie S. 18.
  • Text: Grenzwertüberschreitung, http://bit.ly/1YdBS8j
  • Schweinebestand je Betrieb: http://bit.ly/1JtPSqX, http://bit.ly/1J5Nrr9