Saarland: Wenig Tiere, aber genug Milch

Grafik: Nutzviehhaltung im Saarland
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Kaum Schweine an der Saar – die Eigenversorgung liegt bei nur zwei Prozent

Noch immer wird der Agrarsektor von bäuerlichen Betrieben geprägt. Die industrielle Fleischproduktion ist vergleichsweise gering. Stattdessen werden viele tierische Lebensmittel importiert. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Im kleinen Saarland hat der agrarische Strukturwandel in den letzten Jahrzehnten besonders tiefe Spuren hinterlassen. Neue Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete verdrängten immer mehr landwirtschaftliche Flächen. Die berühmte Bergmannsziege der Nebenerwerbslandwirte, die bei wenig Ansprüchen an ihr Futter die regelmäßige Versorgung der Schwerarbeiter unter Tage mit Milch garantierte, verschwand ganz. Auf den Höfen findet sich kaum noch Nachwuchs. Geklagt wird über die schwierige Situation auf den Märkten und die Bürokratie im Agrarbereich. Gab es im Jahr 1960 noch etwa 26.000 landwirtschaftliche Betriebe, sind es heute gerade noch 1.250, und davon sind nur rund ein Drittel Haupterwerbsbetriebe.

190 dieser 400 Landwirte arbeiten als Milchbauern. Auf sie entfällt ein Drittel der Wertschöpfung in der saarländischen Landwirtschaft, die rund 100 Millionen Euro jährlich umsetzt. Auch nach Darstellung von Landesumwelt- und Agrarminister Reinhold Jost (SPD) ist die Milchviehhaltung die „tragende Säule der saarländischen Landwirtschaft“. Sie profitiert vom vielen Dauergrünland. Die Fläche der Tierweiden, hat sich bei etwa 18.000 Hektar stabilisiert.

Zwar ist die Zahl der milchviehhaltenden Betriebe in den vergangenen zwei Jahrzehnten um etwa 60 Prozent gesunken, doch blieb die Zahl der Milchkühe mit rund 15.000 konstant. Ihre Erzeugung lag im vergangenen Jahr bei rund 100.000 Tonnen und einer Milchleistung von 6.692 Kilogramm pro Kuh. Dies liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das kann auch als gutes Zeichen gesehen werden, weil die Produktion nicht von Höchstleistungskühen in Riesenställen bestimmt wird.

Viele Kleinbetriebe, die Milch erzeugen, sind allerdings im Begriff, das Geschäft aufzugeben. Die Preise für Milch und Milchprodukte befinden sich auf einem so niedrigen Niveau wie schon lange nicht mehr. Die Milchversorgung im Saarland liegt laut Alexander Welsch, dem Geschäftsführer der Landjugend Saar, dennoch rein rechnerisch bei rund 105 Prozent. Doch unter dem Preisdruck der großen Discounter, die den Landwirten zeitweise nur noch 28 Cent für den Liter Milch zahlen, geht etwa die Hälfte der heimischen Qualitätsmilch zu besseren Preisen in den Export bis hin nach Russland und China – und die Saarländer trinken ihrerseits viel Milch, die aus anderen Bundesländern kommt. Um die heimischen Betriebe zu erhalten, soll es für Minister Jost das Ziel aller Maßnahmen sein, die Talfahrt der Milchpreise zu stoppen und auf ein Niveau zu bringen, das für die Erzeuger wieder rentabel ist.

Hinter Nordrhein-Westfalen ist das Saarland heute das am dichtesten besiedelte Flächenland in der Bundesrepublik. Bei einem zudem überdurchschnittlich hohen Waldanteil an der Saar bleibt nur etwa ein Drittel der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar. In den Betrieben stehen derzeit rund 51.000 Rinder, 6.400 Schweine und 6.700 Schafe. Hinzu kommen noch etwa 125.000 Legehennen und 50.000 Masthähnchen, im Vergleich etwa zu manchen Landkreisen Niedersachsens oder Mecklenburg-Vorpommerns eher idyllische Größenordnungen.

Diese Bestände reichen allerdings für den Bedarf einer knappen Million Saarländerinnen und Saarländer bei Weitem nicht aus. Laut Agrarexperte Alfred Hoffmann vom saarländischen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz beträgt die Eigenversorgungsquote bei Rind- und Kalbfleisch rund 37 Prozent, bei Schweinefleisch nur knapp 2 Prozent und bei Schaf- und Ziegenfleisch etwa 10 Prozent. Bei Eiern und Geflügelfleisch sind es nur etwa 18 Prozent. Selbst für die im Saarland als Lieblingsspeise und Kulturgut vergötterte „Lyoner“, eine über Buchenholz geräucherte spezielle Fleischwurst mit einem hohen Anteil von Rindfleisch, für die gerade erst wieder die europäischen Markenrechte verlängert wurden, kommen die Fleischingredienzen längst nicht nur von heimischen Tieren.

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wissen von alledem so gut wie nichts. Wie im restlichen Deutschland haben auch im Saarland der Bauernverband und die Regierung verpasst zu erklären, wie grundlegend sich die landwirtschaftlichen Strukturen und damit die Produktion der Lebensmittel in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Ob im Fernsehen oder auf der Verpackung, die Werbung zeigt Kühe und Schweine auf der Wiese und in der heilen Natur. Da das schon seit Langem nichts mehr mit der Realität zu tun hat, fühlen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend verunsichert. Daher wundert es auch nicht, dass der Wunsch nach möglichst hoher Transparenz und klaren Kontrollsystemen im gesamten Lebensmittelbereich groß ist. Dabei ist es wieder der bürokratische Aufwand, der für kleine Betriebe abschreckender ist als für große.  

 

Quellen:

  • S. 38: Statistisches Amt Saarland, Viehbestände im Saarland 2007 bis 2014, http://bit.ly/1RMcvux
  • Landwirtschaftlich genutzte Fläche 2007 bis 2014 nach Hauptkulturarten, http://bit.ly/1lGF0hd
  • S. 39: Statistisches Amt Saarland, Viehhaltung in den Kreisen, März 2013, http://bit.ly/1TJPXZN. – Statistisches Amt Saarland, Milchwirtschaft im Saarland 1990 bis 2010, http://bit.ly/1lZfxiy
  • Text: Eigenversorgungsquote Schweinefleisch: mündl. Auskunft Alfred Hoffmann, Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Saarland