8. Was wird in TTIP verhandelt - einige Hauptthemen

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Container-Terminal im Hafen von Lyon, Frankreich

Die TTIP-Verhandlungen sind in drei große Bereiche aufgeteilt: Marktzugang, regulatorische Zusammenarbeit und Regeln. Im Folgenden findet sich ein kurzer Überblick über wichtige Themen in den einzelnen Bereichen.


Verhandlungsdokumente und Positionspapiere der EU zu allen Bereichen finden sich auf der Website der EU-Kommission; die US-Seite publiziert ihre Positionen nicht in entsprechender Weise.


Marktzugang


Im Bereich Markzugang geht es um den Abbau von Zöllen. Da diese im Verhältnis zwischen den USA und der EU bereits niedrig sind, ist dies jedoch ein weniger wichtiger Bereich der Verhandlungen (siehe auch Frage 4 "Was sind Handelshemmnisse, welche will das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abbauen und warum?").


Weiterhin geht es auch um den Markzugang für Dienstleistungen. Nach dem Vorschlag der EU sollen allgemeine Regeln in TTIP enthalten sein, die Unternehmen den Zugang zum jeweils anderen Dienstleistungsmarkt erleichtern. Daneben soll es spezifische Regeln für einzelne Sektoren geben. Diese Vorschläge sind teilweise auf öffentliche Kritik gestoßen; Gewerkschaften und andere Organisationen befürchten, dass durch Regeln in TTIP die öffentliche Daseinsvorsorge (z. B. das Gesundheitssystem) in ihrer jetzigen Form gefährdet sein könnte. Demgegenüber betont die EU-Kommission, dass durch ihren Verhandlungsvorschlag öffentliche Dienstleistungen auf EU-Seite geschützt werden.


Ein weiterer wichtiger Teilbereich der Verhandlungen im Bereich Marktzugang befasst sich mit öffentlicher Beschaffung, d.h. der Vergabe von Aufträgen durch Behörden. Die öffentliche Beschaffung ist in Europa durch Richtlinien über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen deutlich stärker liberalisiert als in den USA: Aufträge ab einer bestimmten Größe müssen europaweit ausgeschrieben werden.


In den USA gilt dagegen immer noch der Buy American Act von 1933: Das Gesetz verpflichtet die Regierung der Vereinigten Staaten, in den USA hergestellte Produkte bei ihren eigenen Einkäufen zu bevorzugen. Zudem müssen bei öffentlichen Ausschreibungen in den USA angesiedelte Anbieter/innen zuerst berücksichtigt werden. Dies gilt beim Ausbau von Highways genauso wie bei der Anschaffung neuer Büromöbel für eine Bundesbehörde bis hin zum Fuhrpark der Polizei. Die amerikanischen Bundesstaaten haben für ihre Behörden ähnliche Vorschriften.


Der "Buy American Act" wurde immer wieder erneuert oder konkretisiert, zuletzt 2009: Auf dem Höhepunkt der US-Immobilien- und Bankenkrise beschloss Präsident Barack Obama eine "Buy American" Regelung als Teil des Konjunkturpakets "American Recovery and Investment Act" (PDF): Wer Mittel aus dem aufgelegten Konjunkturpaket zum Neubau oder zur Erhaltung öffentlicher Gebäude oder Infrastruktur verwenden wollte, durfte dafür grundsätzlich nur Eisen, Stahl sowie verarbeitete Produkte amerikanischer Herkunft verwenden.


Die Europäer/innen wollen diese "America first"-Politik in den Verhandlungen durch den Abschluss von TTIP beenden. Dies würde das Ungleichgewicht zwischen der EU und USA bezüglich gegenseitig verkaufter Dienstleistungen weiter zugunsten der EU schmählern. Eine Studie des Ifo-Institutes im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem Schluss, dass allein die Bundesrepublik 2010 im Verhältnis zu den USA ein Dienstleistungsdefizit von über 1 Milliarde US-Dollar aufwies. Das bedeutet: Die USA verkauften der Bundesrepublik Dienstleistungen im Wert von einer Milliarde Dollar mehr, als die Bundesrepublik in Amerika absetzen konnte (PDF).


Anderen EU-Ländern geht es genauso: Die USA exportierten deutlich mehr Dienstleistungen nach Europa, als die europäischen Staaten in die USA verkaufen können. Deshalb will die EU über die TTIP-Gespräche die "Buy America"-Regelungen kippen.


Regulatorische Zusammenarbeit


Mit dem Begriff der regulatorischen Zusammenarbeit oder Zusammenarbeit in Regulierungsfragen ist ein Bereich der TTIP-Verhandlungen überschrieben, in dem es darum geht, Hindernisse für den transatlantischen Handel und Investitionen abzubauen, die aus unterschiedlichen rechtlichen Regeln resultieren. Für ein Unternehmen ist es beispielsweise teurer, wenn ein Produkt verschiedene technische Standards für den EU- und US-Markt erfüllen muss und für beide Märkte jeweils extra zertifiziert werden muss.


Viele Organisationen aus der Zivilgesellschaft sehen diesen Bereich der Verhandlungen mit Sorge. Sie befürchten, dass unter dem Schlagwort regulatorische Zusammenarbeit Regelungen beispielsweise zum Schutz von Gesundheit, Umwelt, Verbraucher/innen oder Arbeitnehmer/innen abgebaut werden sollen; diese Befürchtungen rühren unter anderem daher, dass die USA und die EU unterschiedliche Ansätze z. B. zum Umgang mit Risiken haben (siehe auch Frage 7 "Um welche Regulierungsbereiche geht es genau?"). Befürworter/innen der regulatorischen Zusammenarbeit (PDF) verweisen dagegen darauf, dass in manchen Bereichen Regeln ähnlicher werden und damit die Kosten für Unternehmen gesenkt werden können, ohne dass dadurch das Schutzniveau sinkt.


Zusammenarbeit in Regulierungsfragen kann verschiedene Formen annehmen, unter anderem:


  • die Einigung auf gemeinsame rechtliche Regeln, d.h. Harmonisierung von Rechtsnormen
  • die gegenseitige Anerkennung von Behördenentscheidungen, zum Beispiel zur Marktzulassung eines Produkts
  • die gegenseitige Anerkennung von Prüfverfahren

Nach Vorschlägen der EU soll TTIP Regeln über die zukünftige Zusammenarbeit zwischen EU- und US-Behörden enthalten. Ein permanentes Gremium soll geschaffen werden, das mögliche künftige Initiativen zum Abbau von Regulierungsunterschieden entwickelt. Zudem sollen Regeln geschaffen werden, wie sich beide Parteien gegenseitig frühzeitig über geplante Gesetzgebung informieren, so dass die jeweils andere Seite diese kommentieren kann.


Spezifischere Regelungen soll es zu technischen Standards und zu so genannten sanitären und pyhtosanitären (SPS) Maßnahmen geben, d.h. Regeln, die dem Gesundheitsschutz dienen (z. B. Regeln zu Lebensmittelsicherheit). Im Bereich der technischen Standards schlägt die EU zum Beispiel vor, dass beide Seiten im Hinblick auf Konformitätsbewertungen, d.h. die Prüfungen, ob ein Produkt technischen Standards entspricht, zusammenarbeiten sollen. Neben der gegenseitigen Anerkennung existierender Normen geht es auch um das gemeinsame Entwickeln neuer Standards. "Besonderes Potential verbirgt sich dort, wo Standards völlig neu definiert werden, etwa bei der Elektromobilität", sagt der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann.


Weiterhin geht es um eine Vereinfachung der Regeln für die Bestimmung der Herkunft eines Produkts. US-amerikanische und europäische Konzerne sind heute häufig eng miteinander verwoben. Der US-Konzern unterhält auch in der EU eine Tochterfirma, ein europäischer Konzern lässt auch in den USA produzieren. Über ein kompliziertes Verfahren wird festgelegt, ab wann beispielsweise ein Auto "made in U.S." ist – und damit zollfrei: Darf die Karosse in der EU gefertigt werden? Muss die Fabrik für die Außenspiegel auf US-amerikanischem Gebiet produzieren oder dürfen die Spiegel aus der EU importiert werden? Sind sie dann zollfrei? Vor allem mittelständische Unternehmen in der EU sind von diesem komplizierten Bestimmungsverfahren oft überfordert. Manche blicken daher hoffnungsvoll auf TTIP. Mit 15 Prozent aller deutschen Automobil-Exporte ist der US-amerikanische Markt der wichtigste Exportmarkt für die deutschen Autohersteller.


In Bezug auf SPS soll zum Beispiel geregelt werden, dass beide Parteien geltende, aber ansonsten rechtlich unverbindliche internationale Standards intern umsetzen.


Schließlich soll es noch Regeln zu einzelnen Produktgruppen wie Chemikalien, Kosmetika, Arzneimitteln oder Fahrzeugen geben. Dabei geht es, soweit sich dies bisher veröffentlichen Dokumente entnehmen lässt, nicht darum, dass die USA und die EU ihre rechtlichen Regelungen, die teilweise sehr unterschiedlich sind, vollständig angleichen. Geregelt werden sollen spezifische Aspekte wie zum Beispiel im Chemikalienrecht die Entwicklung von gemeinsamen Standards zur Bewertung und Klassifizierung von Chemikalien.


Regeln


Unter dem Begriff „Regeln“ verbergen sich verschiedene Themen, darunter der Investitionsschutz (siehe auch Frage 10).


Verhandelt werden soll nach EU-Vorschlägen auch über ein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung, das sich mit Umweltschutz und dem Schutz der Rechte von Arbeitnehmer/innen befasst. Die EU schlägt hier unter anderem Verpflichtungen für die Parteien vor, ein hohes Umweltschutzniveau anzustreben, ihre interne Umweltgesetzgebung oder internationale Kernarbeitsnormen einzuhalten.


Zu Energie und Rohstoffen möchte die EU unter anderem Regeln zum Abbau von Exportbeschränkungen der USA für bestimmte fossile Rohstoffe vereinbaren. Diese Vorschläge werden von Umweltorganisationen kritisiert (PDF), die negative Klima- und Umweltauswirkungen durch die verstärkte Nutzung von fossilen Ressourcen sowie Schiefergasförderung in den USA befürchten. Die Diskussion hat allerdings durch die jüngste Entscheidung der USA, Exportbeschränkungen für Rohöl unabhängig von TTIP aufzuheben an Schärfe verloren.


Zudem soll TTIP – wie andere internationale Wirtschaftsabkommen auch – Regeln über die Streitbeilegung im zwischenstaatlichen Verhältnis zwischen USA und EU enthalten. Dazu gehören auch Regeln über Entschädigung bzw. die Aussetzung von Zugeständnissen, wenn eine Partei Verpflichtungen aus dem Abkommen verletzt.


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