Honduras ist der gefährlichste Ort für Umweltschützer/innen. Der Mord an Berta Cáceres am 3. März ist Teil einer Serie von mehr als 100 Toten. Einblicke in ein System, das keinen Widerstand duldet.
In der Nacht vom 2. auf den 3. März drangen zwei Bewaffnete in das Wohnhaus von Berta Cáceres im Bezirk Líbano des honduranischen Städtchens La Esperanza ein und erschossen sie. Sie wussten offenbar, dass ihre drei Kinder, die in Mexiko und Argentinien studieren und die Semesterferien bei ihrer Mutter verbracht hatten, Stunden vorher abgereist waren. Sie wussten auch, dass die Leibwächter, die auf Anordnung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission auf die Umweltaktivistin aufpassen mussten, nicht auf ihrem Posten waren.
Berta Cáceres war schon vor ihrer Ermordung am 3. März eine Ikone. Eine Ikone des indigenen Widerstands gegen Umweltzerstörung, die bewiesen hat, dass gewaltfreier Protest etwas bewirkt, auch wenn er immer wieder gewaltsam verfolgt wird.
Die Mitbegründerin des indianischen Dachverbandes COPINH hatte sich sowohl die Regierung als auch die mächtigen Konzerne zu Feinden gemacht. Jahrelang hatte sie den Widerstand gegen das Kraftwerksprojekt Agua Zarca am Río Gualcarque angeführt und durch eine Straßenblockade erfolgreich verzögert. Immer wieder war sie von Sicherheitsleuten des Kraftwerkunternehmens DESA und Polizisten bedroht worden.
Umso befremdlicher, dass die Behörden nach ihrer Ermordung in eine einzige Richtung ermittelten. Das Verbrechen soll eine interne Abrechnung gewesen sein. Festgenommen wurde mit Aureliano Molina Villanueva ein COPINH-Mitglied, das sich laut mehreren Zeugen zur Tatzeit zwei Stunden entfernt befunden hatte. Gustavo Castro, ein Umweltaktivist und Partner der Heinrich-Böll-Stiftung in Mexiko, der von den Tätern mit einem Streifschuss am Kopf verletzt wurde, überlebte. Die Polizei konfrontierte ihn in stundenlangen Befragungen ausschließlich mit Bildern von COPINH-Märschen, auf denen er die Täter identifizieren sollte. Obwohl er als wichtigster Tatzeuge offensichtlich hochgradig gefährdet ist, verhängte Honduras ein 30-tägiges Ausreiseverbot.
Wie wenig den Behörden am Schutz gefährdeter Aktivist/innen gelegen ist, beweist der Mord an Nelson García, keine zwei Wochen später. Auch er war Mitglied von COPINH und Mitarbeiter von Berta Cáceres. Dass von den über 100 Morden, die seit dem Putsch vom 28. Juni 2009 an Umweltaktivistinnen und -aktivisten und etwa ebenso vielen Medienschaffenden begangen wurden, kein einziger aufgeklärt werden konnte, überrascht nicht. Die Regierung betrachtet sie als Feinde.
Zurück zur "Bananenrepublik"
Honduras galt seit jeher selbst für zentralamerikanische Standards als politisch besonders rückständig, als Inbegriff der "Bananenrepublik", in der die Regierungen auf Zuruf der transnationalen Konzerne ausgetauscht werden konnten und die lokalen Eliten jeden Widerstand gegen ihre Raffgier mit brutaler Gewalt beantworteten. Der von den USA in den 1980er Jahren erzwungene Demokratisierungsprozess, der ein kapitalistisches Gegenmodell zum "kommunistischen" Nicaragua schaffen sollte, stieß an seine Grenzen, als Präsident Juan Manuel Zelaya 2008 aus dem stillschweigenden neoliberalen Konsens ausscherte, dem alternativen Wirtschaftsbündnis ALBA von Hugo Chávez beitrat und die Unternehmer durch eine Erhöhung des miserablen Mindestlohns verärgerte.
Die Privatisierungsprojekte, an denen sich gutes Geld verdienen ließ, wurden gestoppt. Und um der Provokation die Krone aufzusetzen, strebte Zelaya eine zweite Regierungsperiode an. Die wollte er via Verfassungsreform ermöglichen. Dafür war eine Volksabstimmung nötig. In der Nacht, bevor darüber abgestimmt werden sollte, ob ein solches Referendum überhaupt stattfinden sollte, gingen Zelayas Gegner auf Nummer sicher. Militärs holten den Präsidenten aus dem Bett und verfrachteten ihn im Pyjama nach Costa Rica. Da er keine Rücktrittserklärung unterschreiben wollte, mussten die Putschisten seine Unterschrift fälschen. Später konstruierten sie eine Art Notwehrsituation, die ein Einschreiten erzwungen hätte.
Honduras ist das einzige Land der Region, in der sich das aus der Kolonialzeit stammende Zweiparteiensystem aus Konservativen (Nationale Partei) und Liberalen (Liberale Partei) erhalten hat. Die Konservativen stützen sich traditionell auf Großgrundbesitz und die katholische Kirche, während die Liberalen in den Städten zu Hause waren, auf Handel setzten und den Einfluss der Kirche zurückzudrängen trachteten. Diese ideologischen Unterschiede haben sich längst verwischt. Dennoch sah die deutsche, FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) in der Liberalen Partei ihren Ansprechpartner. José Manuel Zelaya war ihr Ziehkind und Hoffnungsträger, obwohl er als Großgrundbesitzer ein eher untypischer Liberaler war. Dass er sich als Präsident gegen seine Klasse stellen würde, war nicht vorherzusehen. Einmal an der Macht, dürfte er aber erkannt haben, dass die traditionelle Klientelpolitik das Land aussaugt.
"Seine Analyse der Problemlage im Lande war richtig", sagte ein unverdächtiger Zeuge, nämlich Christian Lüth, der damalige Büroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung, ein Jahr nach dem Putsch in einem Interview. Sein Fehler sei es gewesen, "dass er nicht alle Gesellschaftschichten eingebunden hat in seine Reformpläne. Das hat ihm das Genick gebrochen". Lüth stellte zwar klar: "dass wir als FNS die Phrase 'Putsch' nicht verwenden. Das war ein verfassungsmäßiger Übergang". Doch was die Putschisten betrifft, sei es nicht falsch, "dass es diejenigen Kräfte sind, die nach wie vor kein Interesse haben, dass Honduras sich öffnet, dass Honduras sich weiterentwickelt, erste Schritte aus der Armut tut und vor allen Dingen, dass alle gesellschaftlichen und ideologischen Schichten an der Politik dieses Landes beteiligt werden". Lüth ist inzwischen als Pressesprecher bei der AfD gelandet. Doch was er damals an einem lauen Juniabend in Tegucigalpa sagte, war vermutlich seine durch Erfahrung gedeckte persönliche Überzeugung.
Politik als Bereicherung
Als Interimspräsident ließ sich mit Roberto Micheletti der Präsident des Kongresses und ein Parteifreund von Zelaya vereidigen. Er diente nicht nur als verfassungsgemäßes Feigenblatt des Putschregimes, sondern hatte auch höchstpersönliches Interesse an einem politischen Kurswechsel. Micheletti, dem in den 1980er Jahren Verbindungen zum Drogenkartell von Medellín des Pablo Escobar nachgesagt wurden, stand unter Beobachtung der USA. Botschafter Hugo Llorens berichtete dem State Department in einer von Wikileaks veröffentlichten Email über eine dubiose Kraftwerkslizenz, die der De-facto-Staatschef quasi sich selbst erteilt habe. Als alle Kontrollinstanzen durch die bevorstehenden Wahlen abgelenkt waren, habe er ein großes Kraftwerksprojekt "mit geringem Nutzen für den Staat" bewilligt. An dem italienisch-honduranischen Konsortium, das die Lizenz für die Nutzung des Staudamms José Cecilio del Valle zugesprochen bekam, war Micheletti als Gesellschafter beteiligt.
Micheletti war nur das besonders sichtbare Antlitz einer Gruppe, die ihre persönlichen Interessen von Zelaya bedroht sah. Um es mit den Worten von Christian Lüth zu sagen: "zehn bis 20 Familien, die sehr große Steuervorteile genießen und bedacht sind, sie zu behalten". Familien, die zum Teil ihre Landtitel mit Urkunden des spanischen Königs belegen können. Land war bis vor wenigen Jahrzehnten die wichtigste Grundlage für die Anhäufung von Vermögen in Lateinamerika. Inzwischen hat die alte Land-Oligarchie auch in Honduras ihre Einkommensquellen diversifiziert: Banken, Import-Export, Bergbau. Um den privilegierten Zugang zu Schürflizenzen oder staatliche Großaufträge zu sichern, ist der direkte Zugang zur Macht unabdingbar. Mit dem unberechenbaren Zelaya war dieser Zugang verloren gegangen.
Die neuen alten Machthaber beeilten sich, das von Zelaya in Gang gesetzte Landumverteilungsprogramm, das die über mehr als 50 Jahre hinausgezögerte Agrarreform zumindest teilweise umsetzen sollte, zu stoppen. Die Folge waren blutige Konflikte im Gebiet des Bajo Aguán an der Atlantikküste, wo der Magnat Miguel Facussé wie ein kolonialer Feudalherrscher die meisten Ländereien unter seine Kontrolle gebracht hat und mehreren Bauerngenossenschaften ihr Land streitig macht. Wenige Tage nach dem Putsch wurden außerdem mehrere Dutzend Schürflizenzen erteilt. Ein neues Bergbaugesetz aus dem Jahr 2013 schafft ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren für Bergbaukonzessionen. Das Gesetz nimmt keinen Bezug auf das von Honduras ratifizierte Abkommen 169 der ILO, das die Konsultation mit betroffenen indigenen Gemeinschaften vor einer Lizenzerteilung zwingend vorschreibt. Auch die geschützten Räume in Nationalparks, Biosphären oder archäologischen Stätten finden keine Berücksichtigung. Vielmehr wird dem Bergbaugesetz Vorrang eingeräumt, soweit es irgendeinem anderen Gesetz widerspricht, wie zum Beispiel dem Gemeindegesetz, dem Waldschutzgesetz und dem Informationsfreiheitsgesetz.
Neben metallischen Bodenschätzen werden auch die Flüsse zur Ausbeutung freigegeben. Berta Cáceres machte 2014 öffentlich, dass allein in den Departamentos Intibucá, Lempira und La Paz 17 Konzessionen für die Nutzung von Flüssen vergeben worden seien.
Am 3. Mai 2014 wurde in der Gemeinde El Níspero, Departamento Santa Bárbara, der Umweltaktivist Rigoberto López brutal ermordet. Den Leichnam fand man mit durchschnittener Kehle und herausgeschnittener Zunge, also wie Mafiabanden ihren Gegnern signalisieren, dass Widerstand nicht geduldet werde. López hatte gegen eine Eisenerzmine in den Quita Ganas Bergen gekämpft, die die Trinkwasserquellen für mehrere Gemeinschaften in El Níspero verseuchen würde.
Der nationale Investitionsförderungsplan 2010-2014, der unter dem Motto "Honduras is open for business" steht, sieht Privatisierungen in fast allen Bereichen vor. Steuervorteile gelten insbesondere für die Bereiche Agrobusiness, Energiewirtschaft, Wald, Infrastruktur, Textil, globale Dienstleistungen (wie Maquilas) und Tourismus. Mit der Coalianza wurde eine Institution zur Umwandlung staatlicher in private Unternehmen oder Private Public Partnerships geschaffen. Kritiker sehen darin ein neues Instrument zur Privatisierung von Gewinnen bei gleichzeitiger Vergesellschaftung von Verlusten. Dass Angehörige und Freunde der Regierung dabei bevorzugt zum Zug kommen, darf angenommen werden.
Green Grabbing
Umwelt wird in erster Linie als Quelle privater Bereicherung gesehen. Das zeigt sich nicht nur bei der Privatisierung von Flüssen, sondern auch bei dem im August 2013 von der Regierung unterzeichneten Kooperationsvertrag, der eine Anzahl von Wäldern zur kommerziellen Nutzung an die Armee übergibt. Viele der Projekte werden mit einem grünen Mäntelchen verbrämt. Dazu muss man wissen, dass Honduras ein sehr waldreiches Land ist. Etwa die Hälfte des Territoriums ist mit Laub- oder Nadelwäldern bedeckt. 40 Prozent dieser Fläche befinden sich in Privatbesitz, nur fünf Prozent sind durch kollektive Titel vor allem indianischer Gemeinschaften geschützt. Allerdings liegen 70 Prozent der Regenwälder auf indigenem Territorium.
Das profitorientierte Denken der herrschenden Elite steht in schroffem Gegensatz zur Philosophie der indianischen Völker. COPINH, der von Berta Cáceres gegründete Dachverband indigener Organisationen, sieht auch das von Weltbank und Vereinten Nationen geförderte Waldschutzprogramm REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) im honduranischen Kontext als neokolonialen Zugriff auf indigenes Land. Berta Cáceres in einem Interview in Wien vor vier Jahren:
"Die REDD-Projekte gehen nicht von den indigenen Gemeinden aus. Das ist eine Erfindung des grünen Kapitalismus. Die Gemeinden wollen eine Lösung für ihre Probleme, wie die Invasion ihrer Territorien durch Transnationale Unternehmen. Jetzt kommen Institutionen wie das Forstinstitut, das Agrarinstitut und das Umweltsekretariat und fördern solche Projekte. Sie treiben die Privatisierung der Waldreserven voran. Auch die Flüsse sollen privatisiert werden und Bergbauprojekte sind geplant."
Den indigenen Gemeinden wird nämlich mit diesen Projekten die traditionelle nachhaltige Nutzung der Wälder verboten. Um die Privatisierung zu rechtfertigen, unterstellen Regierung und Unternehmen den indigenen Gemeinden verantwortungslosen Umgang mit der Umwelt. "Die Mehrheit der Wälder und Naturschutzgebiete befinden sich in indigenen Territorien, ohne dass ihre Bevölkerung eine nachhaltige Nutzung gewährleistet", heißt es in einem Papier der Regierung aus dem Jahr 2013.
Der Mord an Berta Cáceres hat weltweit Empörung ausgelöst und setzt die Regierung von Präsident Orlando Hernández unter Druck, das Verbrechen aufzuklären. Bei COPINH bleibt man aber skeptisch: "Die müssten ja gegen sich selbst ermitteln".
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Dieser Artikel ist auch ein Beitrag unseres Dossiers: "Es wird eng – Handlungsspielräume für Zivilgesellschaft".