Die Rückkehr der Repression

Policeman uses pepper spray against protesters in France

Weltweit wächst der Druck auf NGOs und zivilgesellschaftliche Bewegungen. Doch niemand ergreift Partei. Warum nationale Parlamente und internationale Organisationen die Augen nicht mehr verschließen dürfen.

Überall auf der Welt ergreifen Regierungen derzeit drakonische Schritte, um zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterdrücken. Die Maßnahmen reichen dabei von restriktiven Gesetzen und bürokratischen Auflagen bis hin zu Verleumdungskampagnen, Zensur und offener Repression durch Geheimdienste oder Polizei. Und egal, welche Methoden jeweils zum Einsatz kommen: Die Regierungen versuchen in einem seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Europa vor einem Vierteljahrhundert ungekanntem Maße, die Arbeit politisch, gesellschaftlich und ökologisch engagierter Aktivistinnen und Aktivisten zu stören.

Natürlich machen die Regierungen alle möglichen Gründe geltend, um die Repression von NGOs und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen zu rechtfertigen. Ganz oben auf der Liste stehen derzeit Sicherheitsbedenken etwa in Bezug auf den Terrorismus. Doch die Wahrheit ist, dass derartige Sicherheitsrisiken – die durchaus real sein mögen – keine Entschuldigung für jene Art von Generalverdacht sind, den die Regierungen zum Vorwand nehmen, um unabhängige Organisationen zum Schweigen zu bringen oder zu verbieten.

Dieser verstörende Trend scheint keine vorübergehende Erscheinung zu sein, sondern ein Zeichen für grundlegende Änderungen innerhalb der internationalen Geopolitik. Zu den bedeutendsten gehört die zunehmende Betonung der "Souveränität" in Schwellenländern von Ägypten bis Thailand.

Unzulässige Einmischung?

Tatsächlich betrachten Regierungen in Entwicklungs- und Schwellenländern Geldtransfers aus reichen Ländern etwa zur Unterstützung von Demokratisierungsprozessen im Rahmen ihres vorgeblichen Wunsches nach Schutz ihrer nationalen Souveränität mit deutlich mehr Misstrauen als noch in den 1990er Jahren. Eine wachsende Zahl von Regierungen im globalen Süden betrachtet derartige Unterstützung an lokale NGOs als unzulässige Einmischung in ihre Angelegenheiten und strebt danach, die uneingeschränkte Kontrolle über Kapitalströme aus dem Ausland aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen – insbesondere, wenn diese für zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure bestimmt sind, denen aufgrund ihrer internationalen Verbindungen Loyalitätskonflikte unterstellt werden.

Infolgedessen geraten Kapitalströme und Vernetzungen zwischen nationalen und internationalen NGOs, Stiftungen und anderen externen Gebern immer stärker ins Visier der Regierungen. Gesetze, die die Finanzierung von NGOs durch externe Quellen einschränken oder verbieten, gehören zu den beliebtesten Instrumenten, um die Arbeit dieser Gruppen zu überwachen oder zu blockieren. In rund 50 Ländern weltweit bestehen derzeit derartige Gesetze oder stehen zur Diskussion.

In Russland etwa wurden im vergangenen Juli zwölf ausländische NGOs auf eine schwarze Liste gesetzt, und es wurde ihnen mit dem Verbot jeder weiteren Tätigkeit im Lande gedroht. Da die Zusammenarbeit mit ausländischen Organisationen inzwischen potenziell strafbar ist, haben Russlands zivilgesellschaftliche Organisationen den Zugang zu ihrem finanziellen Lebenssaft verloren. In Israel hat die Knesset Anfang Februar nach heftiger Debatte einem Gesetzesentwurf zugestimmt, der NGOs, die mehr als die Hälfte ihres Budgets von öffentlichen Institutionen aus dem Ausland erhalten, verpflichtet, ihre Finanzquellen offen zu legen.

Hartes Vorgehen gegen Proteste

Die Regierungen gehen zudem hart gegen populäre soziale Bewegungen vor. In den letzten Jahren haben Proteste auf lokaler Ebene – die so unterschiedliche Anliegen wie die Bekämpfung von miserablen Arbeitsbedingungen, illegaler Abholzung und Landraub und ökologisch oder gesellschaftlich zerstörerischen Infrastrukturprojekten verfolgen – stark zugenommen. Da die digitale Technik den Protestierenden vor Ort Zugang zu politischen Netzwerken und einem breiten internationalen Publikum bietet, sind die Regierungen unter wachsenden Druck geraten, den Forderungen der Demonstrierenden nachzugeben.

Doch statt sich dem öffentlichen Druck zu beugen, haben es die politischen und wirtschaftlichen Eliten vielfach vorgezogen, gegen die Proteste selbst vorzugehen. Zudem haben sie repressive Mediengesetze verhängt, die auf eine staatliche Kontrolle des Internets hinauslaufen. Diese sei nötig, so behaupten sie, um für Stabilität zu sorgen, den Terrorismus zu bekämpfen oder die nationale Souveränität gegen westliche Einmischung zu verteidigen.

Die Verteufelung öffentlicher Proteste ist nicht allein auf autokratische Regime beschränkt. Selbst demokratische Regierungen etwa in Australien, Kanada und Indien haben sich auf Behauptungen verlegt, dass Proteste von außen gesteuert würden, um so den Widerstand vor Ort etwa gegen Erdölleitungen oder Kohlebergwerke, die angeblich für positive Erträge und Wachstum sorgen würden, zu diskreditieren. In all diesen Fällen war das Ziel dasselbe: die politische Macht derjenigen an der Spitze zu erhalten bzw. ihre wirtschaftlichen Interessen zu sichern.

Eine Herausforderung für alle

Es ist nichts Neues, dass die Herrschenden Menschen verfolgen, die sich für Menschenrechte, Frauenrechte, Rechtsstaatlichkeit, die Rechte von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen sowie eine sozial und ökologisch orientierte Wirtschaftspolitik einsetzen. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure können und sollten für ihre jeweiligen Regierungen unbequem sein. Sie sind, was die öffentliche Politik angeht, eine wichtige Kontrollinstanz, die die Aufmerksamkeit auf Fehlentwicklungen lenkt, öffentliche Debatten auslöst und fokussiert sowie politische und gesellschaftliche Alternativen aufzeigt. NGOs werden nach wie vor bei multilateralen politischen Prozessen hinzugezogen, etwa zur Hilfe bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen oder als Garant für die Einhaltung des Pariser Klima-Abkommens.

Das Problem schrumpfender und sich verengender Räume für die Zivilgesellschaft muss auf die Tagesordnung von nationalen Parlamenten, multilateralen Organisationen und internationalen Verhandlungsprozessen gesetzt werden. Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sind für die Demokratie unverzichtbar. Bemühungen, derartige Freiheiten einzuschränken, sind daher als eine Herausforderung an alle demokratischen Regierungen und an die globale Zusammenarbeit zu betrachten – und müssen gestoppt werden.

Aus dem Englischen von Jan Doolan. Dieser Artikel erschien erstmals auf der Webseite der  internationalen NGO "Project Syndicate".