Ewa Sufin-Jaqcuemart ist Anfang 60. Die Hälfte ihres Lebens verbrachte die Polin in Frankreich. Nach Karrieren als Nachhaltigkeitsbeauftragte, Programmiererin, Managerin und Diplomatin in Luxemburg ist sie nun die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Strefa Zieleni.
Dieses Porträt enstand im Rahmen einer Studienreise nach Warschau. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Medienvielfalt, anders“-Programms erzählen in ihren Geschichten von den verschiedenen Gesichtern Polens.
Ewa Sufin-Jacquemart ist etwa 1,65 groß, trägt die roten Haare kurz geschnitten und ist bis auf einen grünen Strickpulli komplett in schwarz gekleidet. Seit 2012 ist sie die Leiterin von „Strefa Zieleni“ (zu deutsch: Grüne Zone) und Koordinatorin des Frauenkongresses im Land. Dort bringt sie regelmäßig grüne Themen auf den Veranstaltungsplan.
Die Luft im Gemeinschaftsbüro riecht abgestanden. In dem großen Aufenthaltsraum stehen Sofas, ein Fernseher und Schränke voll mit Infomaterial. Auf dem Sofatisch stehen noch Snacks vom Vortag: Cracker und braune Bananen.
Ewa Sufin-Jacquemart geht in die anliegende Küche und schaltet den verkalkten Wasserkocher ein. Sie erzählt gerne von ihrem Leben, fängt am liebsten bei ihrer Jugend an. Sie ist in Polen aufgewachsen, in Zeiten des Kommunismus. Im Sommer 1980, dem „Year of Solidarność“, mietete sie sich gemeinsam mit ihrem Freund und einem befreundeten Pärchen einen Wagen. Die vier fuhren damit nach Deutschland, um etwas Geld in den Ferien zu verdienen.
„Das war damals so üblich, wir hatten viele Bekannte, die das machten. Dann brachen in Polen die Streiks aus und wir wollten im Ausland darauf warten, dass sich die Situation wieder beruhigt.“. In Deutschland trennte sie sich von ihrem Freund. Kurz darauf verliebte sie sich in ihren späteren Ehemann, Emmanuel. Ein Franzose, der für sie zunächst mit nach Polen zog, bis das Paar zwei Jahre später nach Paris umsiedelte.
Ein drittes Studium zu Nachhaltigkeit und Ökologie in Unternehmen
Sufin-Jacquemart konnte in Frankreich mit ihrem Soziologie-Abschluss sieben Jahre lang in einer Firma arbeiten, bis sie schließlich anfängt, Informatik zu studieren. Rechtzeitig zum Abschluss bekommt sie eine Zusage in einem Unternehmen, in dem sie die Arbeitsstrukturen überarbeiten und effizienter gestalten soll.
Mit ihren Fingern zeichnet sie in einer kleinen Kaffeepfütze das Büro auf, dann die Allee, durch die sie jeden Tag zur Arbeit gegangen ist. Die 60-Jährige nutzt jede Gelegenheit, ihre Gedanken zu visualisieren, auch wenn sie gerade keinen Stift zur Hand hat: große Gesten und Zeichnungen sind typisch für ihren Erzählstil.
Sie liebt den Beruf und das Arbeitsklima, doch als sie auch hier sieben Jahre gearbeitet hat und ihre Aufgabe als beendet sieht, möchte sie sich noch einmal neu ausrichten. Sie absolviert ein drittes Studium, einen Studiengang zu Nachhaltigkeit und Ökologie in Unternehmen.
Als Nachhaltigkeitsbeauftragte in einem Unternehmen macht sie mit Ende 30 ihre ersten Begegnungen mit ökologischer Verantwortung und den grünen Themen, mit denen sie sich später täglich beschäftigen wird.
An einem besonders warmen Tag im September 2006 ruft ein Freund Ewa an. Die Sonne scheint gleißend auf die Weinreben, sie geht gerade mit Freunden spazieren. Nachdem ihr Gegenüber knapp zwei Minuten lang geredet hat, ruft sie „bist du verrückt?!“. Sie legt auf, wendet sich ihren Freunden zu und wiederholt zweimal „Er muss verrückt sein!“.
Sufin-Jacquemarts Weg in die Politik
Sie soll Diplomatin in Luxemburg werden und sich schnellstmöglich bei der Abgeordneten vorstellen. Der Anrufer, ein langjähriger Freund Ewas, beharrt noch zwei Tage auf seinem Angebot, bis sie ihm ihren Lebenslauf zusendet. Drei Woche später kann sie einen Termin ausmachen. „Es war verrückt, die Menge an Gesetzen, die ich in sechs Monaten lernen musste, das war eigentlich nicht zu bewältigen.“
In den folgenden Jahren lernte sie zwei Personen kennen, die ihren weiteren Lebensweg maßgeblich beeinflussen sollten. Barbara Labuda, ihre Abgeordnete, und Claude Turmes. Ohne die beiden hätte sie sich nie für Politik interessiert, geschweige denn als Politikerin gearbeitet. Ohne letzteren, ein „Politiker, von dem ich viel mit nach Polen nehmen konnte!“ wäre sie nie eine Grüne geworden.
Ihr bisheriges Desinteresse gegenüber politischen Themen begründet Ewa Sufin-Jacquemart mit ihrer Herkunft und den äußeren Umständen. In den frühen Achtzigern, während des Kommunismus, sei das vorherrschende Gefühl Hoffnungslosigkeit gewesen. „Wir dachten, diese Zeiten hören nie auf. Dieses Regime war so stark und unerreichbar!“ Vor der Wende wäre sie nie auf die Idee gekommen, sich politisch einzumischen. „Es gab in meinem Umfeld nur drei Gruppen: die Opposition, politisch Uninteressierte und die, die mit der Partei einverstanden waren.“
Vier Jahre lebte Ewa für ihre Arbeit, bis sie 2011 nach Warschau zurückkehrt, um in die Grüne Partei einzutreten und dort aktiv zu werden. Kurz darauf organisiert sie die grüne Arbeit des Frauenkongresses und bereitet gemeinsam mit jungen Künstlerinnen Aktionen zur Aufklärung über grüne Themen vor.
Inzwischen ist ihr Kaffee kalt geworden. So lang hat sie am Stück erzählt. Sie nimmt einen Schluck, schüttelt den Kopf und stellt die Tasse zurück. „Ich hatte wirklich großes Glück, dass sich mir so viele Gelegenheiten geboten haben und ich bin froh, dass ich keine habe verstreichen lassen.“