Die Endlichkeit der Landwirtschaft

Fleischatlas 2018

Die wachsende Produktion von Fleisch und Milch hat fatale Folgen. Sie kollidiert mit der Bekämpfung von Hunger und Armut. Und sie erschwert Klima- und Artenschutz.

Infografik Fleischatlas 2018 - die Belastung des Systems Erde
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Die Belastung des Systems Erde

Die Weltbevölkerung hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt und die globale Fleischproduktion mehr als verdreifacht. Bis 2050 wird sie noch einmal um 85 Prozent wachsen, erwartet die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) – wenn politisch kein neuer Kurs angesteuert wird. Die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen der industriellen Fleischproduktion sind bekannt und wissenschaftlich belegt.

Fortschreibungen bis 2030 und 2050 zeigen, dass unter diesen Bedingungen die wichtigsten globalen Entwicklungsziele nicht zu erreichen sind: die Abschaffung von absoluter Armut und Hunger, eine bessere Gesundheitsversorgung, der Schutz der Meere, die nachhaltige Nutzung der Böden, aber auch die Einhaltung der vereinbarten Ziele für den Klimaschutz und die Biodiversität.

Cover des Fleischatlas 2018

Der Fleischatlas 2018

Billig, umweltschädlich, qualvoll und ungesund – so haben sich große Teile der Tierhaltung in den letzten Jahren präsentiert. Das muss nicht so sein.

Der neue Fleischatlas zeigt, wie eine bessere Tierhaltung funktionieren kann. Instrumente und Strategien, die zu grundlegenden Veränderungen bei Konsum, Produktion und Vermarktung führen könnten sofort umgesetzt werden. Dazu aber bedarf es politischen Willen und den Mut sich mit denjenigen Anzulegen, die an dem heutigen Produktionsmodell gut verdienen. 

Der Fleischatlas kann hier gratis bestellt werden.

Für kein anderes Konsumgut der Welt wird so viel Land benötigt wie für die Herstellung von Fleisch und Milch. Obwohl nur 17 Prozent des Kalorienbedarfs der Menschheit von Tieren stammt, benötigen sie 77 Prozent des globalen Agrarlands. Knapp zwei Drittel davon sind Weiden, die durch die Tiere effizient genutzt werden. Doch das restliche Drittel ist Ackerland, das durch den Anbau von Feldfrüchten viel besser zur globalen Ernährung beitragen könnte.

Wird die Belastungsgrenze eines Ökosystems überschritten, drohen irreversible Umweltveränderungen

Jedes Jahr wird die Ackerfläche für den Futtermittelanbau größer. Für Soja lag sie 1997 bei 67 Millionen Hektar, inzwischen sind es 120 Millionen. Wenn der Konsum auf jährlich mehr als 600 Millionen Tonnen Fleisch steigt, hängt es vom Ertragszuwachs pro Hektar ab, wie stark die Futtermittelfläche wachsen muss. Konkrete Aussichten auf eine weitere Zunahme des Ertrags durch agrotechnische Innovationen oder neue Anbaumethoden gibt es aber nicht. Global steigen die Hektarerträge seit Jahren immer weniger.

Die maximale Steigerung durch Dünger und Pestizide endet vielerorts in ausgelaugten Böden, Krankheiten der Landbevölkerung und Wasserknappheit. Mehr noch: Prognosen über die Auswirkungen des Klimawandels sagen Ernteausfälle und weniger Produktivität nicht nur für Asien und Afrika, sondern auch für den „Corn Belt“ der USA und weite Teile Europas vorher. Hinzu kommt, dass beim Sojaanbau die Unkräuter nach Jahrzehnten der Unkrautbekämpfung mit Glyphosat Resistenzen gegen die Spritzmittel entwickeln.

Globaler Anbau von Nutzpflanzen

So bleibt nur die Ausweitung der Fläche mit gravierenden Folgen. Wenn Wälder und Grasland, eigentlich Hotspots der Biodiversität, zu Monokulturen werden, weicht der im Boden gespeicherte Kohlenstoff als CO2 in die Atmosphäre und die Biodiversität nimmt ab durch den massiven Einsatz von Dünger und Pestiziden. In einem 2017 veröffentlichten Bericht macht das UN-Umweltprogramm UNEP die Ernährungssysteme für mehr als sechzig Prozent des Biodiversitätsverlustes weltweit verantwortlich. Vorn dabei: die Fleisch- und Futtermittelproduktion.

Ähnlich sieht es mit der Erderwärmung aus. Die Bedeutung der Fleischproduktion ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Sie spielt auch bei den politischen Bemühungen um die Einhaltung des Klimaabkommens kaum eine Rolle. Dabei emittieren die fünf weltgrößten Fleisch- und Milchkonzerne mehr klimaschädliche Gase als der Ölriese Exxon. Das liegt nicht allein am Methanausstoß verdauender Kühe, sondern vor allem daran, dass aufgrund der Futtermittelproduktion riesige Landflächen zusätzlich in die Intensivbewirtschaftung genommen werden.

Die Erde kann die Welt ernähren – nur darf fruchtbares Land nicht für Futter- und Energiepflanzen vergeudet werden

Die 20 größten Konzerne der Branche übertreffen mit ihren jährlichen Emissionen sogar Deutschland, das viertgrößte Industrieland der Welt. Halten die anderen Wirtschaftsbereiche ihre Vorgaben ein und entwickelt sich der Fleisch- und Milchsektor im Trend der vergangenen Jahre weiter, steigt sein Anteil an den klimaschädlichen Gasen von heute 14 auf über 30 Prozent im Jahr 2030 und auf mehr als 80 Prozent im Jahr 2050.

Es kommt zudem nicht nur auf die Mengen, sondern auch die Art der Produktion an. Die FAO sieht in der kleinbäuerlichen Tierhaltung eine wichtige Einkommensquelle für Menschen mit geringem Einkommen, besonders für Frauen in Entwicklungsländern. Doch die schnelle Industrialisierung der Tierhaltung mit ihren Preisvorteilen gegenüber der lokalen Produktion und der globale Handel mit Fleisch zerstören die Lebensgrundlage kleinbäuerlicher Produzenten und Produzentinnen in vielen Ländern, besonders in Afrika. Damit rücken dann auch die sozialen Ziele der Agenda 2030, die Bekämpfung von Hunger, Armut und Geschlechtergerechtigkeit, in weite Ferne. Für die Menschheit ist die Parole „Mehr Fleisch!“ kein Versprechen, sondern eine Drohung.