Die Agrarpolitik unterstützt die Kleinbetriebe zu wenig gegenüber den Großen. Zugleich ist die Hofnachfolge oft schwierig zu sichern.
Das Gesicht der europäischen Landwirtschaft und der ländlichen Räume hat sich seit dem Beginn der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stark verändert. Heute ernähren weniger und größere Betriebe die Menschen in der EU. Von 2003 bis 2013, so die jüngsten Zahlen, ging ein Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe in der Union ein. Diese Entwicklung betraf alle EU-Länder.
Betrachtet man das Flächenwachstum der Betriebe, ist Tschechien Spitzenreiter. Dort stieg die Durchschnittsgröße in zehn Jahren von 80 auf 130 Hektar. In der Tierhaltung zeigt sich ein ähnlicher Trend: Im Jahr 2013 wurden in der EU drei Viertel der Tiere in größeren Betrieben gehalten. Die Zahl der Tiere in kleinen und sehr kleinen Haltungen hat sich seit 2005 um mehr als die Hälfte verringert. In der Hälfte aller EU-Staaten werden mehr als drei Viertel aller Großvieheinheiten (die einem Rind, zwei Schweinen oder zehn Schafen entsprechen) in größeren Betrieben gehalten. In den Benelux-Staaten und Dänemark sind es über 90 Prozent. In Rumänien hingegen befand sich mehr als ein Drittel aller Tiere in kleinen Betrieben.
Die EU-Statistik teilt die Agrarbetriebe in fünf Kategorien ein, die sich nach Flächen und Betriebseinkommen richten: sehr kleine, kleine, mittlere, große und sehr große. Noch sind sehr kleine und kleine Familienbetriebe nach Anzahl der Höfe und Arbeitskräfte in der Mehrheit. Aber ihre Zahl ist stark rückläufig. Große sowie sehr große Betriebe gewinnen an wirtschaftlicher Bedeutung. Unternehmen mit über 100 Hektar Fläche machen nur drei Prozent aller EU-Agrarbetriebe aus. Ihre Zahl aber ist in zehn Jahren um 16 Prozent gestiegen, und sie nutzen nun 52 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wo sich Großbetriebe ausbreiten, geht dies Hand in Hand mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, mit weniger vielfältigen Anbausystemen und -produkten, mit intensiver Landwirtschaft und entsprechender Belastung der Umwelt.
Auf der anderen Seite machen kleine Höfe mit weniger als zehn Hektar und einer zumeist vielfältigen Produktion rund 80 Prozent aller Agrarbetriebe in der EU aus. Doch sie nehmen nur zehn Prozent des verfügbaren Landes in Anspruch. Ihre Zahl sinkt rasant: 96 Prozent der Betriebe, die zwischen 2003 und 2013 verschwunden sind, verfügten über weniger als zehn Hektar. Die Kleinbetriebe leiden meist an denselben Problemen: Die niedrigen Lebensmittelpreise decken kaum die Produktionskosten. Die Gewinne machen nicht die Produzentinnen und Produzenten, sondern vor allem die Verarbeitungs- und Handelsunternehmen.Diese Trends gehen auch auf die Liberalisierung der Agrarmärkte und die EU-Agrarpolitik mit ihren Subventionen und Marktregeln zurück. Produkt- und branchenspezifische Zahlungen haben in der Vergangenheit die Spezialisierung der Betriebe gefördert. Seit 2003 erhalten sie von der EU Direktzahlungen pro Hektar, das heißt, Landwirtinnen und Landwirte bekommen umso mehr Geld, desto mehr Land sie besitzen. Wenn diese Beihilfen einen wesentlichen Teil des Einkommens ausmachen, schafft dies einen Anreiz, mehr Land zu erwerben. Etablierte Großbetriebe, die bereits viel Land bewirtschaften, verfügen entsprechend über mehr Kapital und haben damit die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen und weiter Land hinzuzukaufen. Neueinsteiger und Neueinsteigerinnen, die erst noch auf der Suche danach sind, haben solche Vorteile nicht.
Zwar ermöglichen es die Direktzahlungen vielen Menschen, trotz schlechterer wirtschaftlicher Bedingungen weiter in der Landwirtschaft zu arbeiten. Aber allzu oft haben sie dazu geführt, dass der Landbesitz sich in den Händen weniger konzentriert. Das wiederum behindert nachfolgende Generationen, Höfe und Land zu erwerben. Obwohl seit der GAP-Reform von 2013 kleinere Betriebe mehr Geld erhalten, hat dies das Höfesterben nicht aufgehalten.
Hilfen für Junglandwirtinnen und -wirte gibt es zwar schon seit 1980, aber sie reichen längst nicht aus, um genügend junge Menschen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Zwischen 2007 und 2013 erhielten rund 190.000 junge Landwirtinnen und Landwirte Beihilfen – aber schätzungsweise 3,5 Millionen über 65-Jährige werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Die meisten dieser künftigen Rentnerinnen und Rentner bewirtschaften kleine oder mittlere Familienbetriebe und haben meist niemanden, der sie übernimmt. Die derzeitige Agrarpolitik unterstützt die Jungen mit etwa zwei Prozent ihres Haushalts, aber dieses Geld orientiert sich zu wenig an ihren Bedürfnissen und ist überdies oft schlecht mit der nationalen Politik etwa für Existenzgründungen verknüpft.Erstaunlicherweise wollen trotzdem immer mehr Menschen in die Landwirtschaft einsteigen, ob mit oder ohne Unterstützung durch die Agrarpolitik. So manche profitieren von neuen Ideen wie etwa Hilfen für Agrar-Start-ups, Landerwerb in Gemeinschaftsbesitz oder Agrargenossenschaften. Viele neue Höfe sind innovativ und betreiben zum Beispiel ökologischen Landbau, liefern direkt an städtische Kundschaft, engagieren sich in der solidarische Landwirtschaft oder verarbeiten die produzierten Lebensmittel auf dem eigenen Hof.
All dies erhöht die Wertschöpfung und trägt zur Versorgung mit Lebensmitteln aus der Region bei sowie zu mehr Arbeitsplätzen und Umweltschutz. Zielgerichtete Mechanismen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zur Förderung solcher neuen Betriebe würden den Generationenwechsel fördern, die bäuerlichen Strukturen in Europa aufrechterhalten, Arbeitsplätze schaffen und den agroökologisch ausgerichteten Umbau unserer Ernährungs- und Anbausysteme fördern.