
Die artgerechte Haltung von Nutztieren ist zu einer populären Forderung an die Landwirtschaft und die Agrarpolitik geworden – auch in Deutschland. Doch Bund und Länder bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Nirgendwo in Europa wird mehr Milch und Schweinefleisch produziert als in Deutschland. Die Nutztierhaltung ist auf Exportsteigerung und Wettbewerb ausgerichtet. Das führt zunehmend dazu, dass ein Großteil der deutschen Landwirtinnen und Landwirte dem Preisdruck des Weltmarkts nur dann standhalten kann, wenn sie unter Bedingungen produzieren, die dem Tierschutz zuwider laufen. Oft fehlt es an Platz und Auslauf, die Tiere können sich kaum bewegen oder beschäftigen. Amputationen an Tieren sind weit verbreitet, etwa das Kupieren der Ringelschwänze bei Schweinen oder das Kürzen von Schnäbeln bei Puten.
Seit einigen Jahren aber steigen die Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher. So fragen sie beim Kauf zunehmend nach artgerechter Tierhaltung, denken an den Schutz der Umwelt und des Klimas und diskutieren ethische Aspekte. 90 Prozent sagen, sie würden mehr für Lebensmittel ausgeben, wenn dafür die Tiere besser gehalten würden. Für 39 Prozent ist ein höherer Standard in der Haltung der Nutztiere das wichtigste Ziel der Landwirtschaft.
Die Bundesregierung hat sich laut Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, eine „Spitzenposition“ im Tierschutz einzunehmen. Doch mit einem Tierschutzgesetz, das nur als ungenügend bezeichnet werden kann, mit Kontrollen, die viel zu selten stattfinden, und mit Strafen, die nur gering ausfallen, scheint dieses Ziel mehr als ambitioniert. Und EU-Gelder für den Tierschutz? Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stammen sie aus der zweiten Säule, die beispielsweise Programme für das Tierwohl beim Bau der Ställe vorsieht. Doch die zweite Säule ist im Vergleich zur ersten Säule – die mit ihren Direktzahlungen an die Agrarbetriebe eher die konventionellen Formen der Tierhaltung fördert – stark unterfinanziert, und ihre Mittel sollen weiter zurückgefahren werden. Zudem nutzt Deutschland als einziges EU-Land nicht die Möglichkeit, Direktzahlungen an die Produktion zu koppeln. Damit aber könnte die wünschenswerte Weidetierprämie für Schafe und Ziegen finanziert werden.
Die AFP unterscheiden zwischen der Basis- und Premiumförderung. In acht Bundesländern wurden 2017 beide angeboten, in den anderen nur eine Premiumförderung. Um die Basisförderung für den Bau der Ställe zu bekommen, müssen beispielsweise Landwirtinnen und Landwirte in Hessen für Milchkühe mindestens 5,5 Quadratmeter und eine Liegebox pro Tier sowie Komfortmatten nachweisen. Die Premiumförderung setzt einen Auslauf für Milchkühe voraus. Niedersachsen und Schleswig-Holstein bieten weitere 40 Prozent Zuschuss für die Tierhalterinnen und Tierhalter, die über diese Bedingungen hinaus Beschäftigung und Weidegang nachweisen. Bayern fördert zusätzlich Betriebe, die von Anbindehaltung auf Laufstall umstellen.
Die Fördertöpfe für den tiergerechten Bau von Ställen sind je nach Bundesland unterschiedlich gefüllt. In Sachsen können bis zu drei Millionen Euro Fördergelder für Tierschutz pro Betrieb beantragt werden, in Bayern nur 0,75 Millionen Euro. In Bayern wurde zudem der AFP-Fördersatz 2017 gesenkt und die Basisförderung, die es bis dahin gab, komplett gestrichen. Auch als Folge unattraktiver Förderprämien für Schweinehalter sank die Zahl der durch die AFP geförderten Ställe bundesweit zwischen 2015 und 2017 um 35 Prozent.
Auf nationaler Ebene sind langfristige und leichter zugängliche Förderungen für Landwirtinnen und Landwirte unabdingbar. Sie tragen zur Planungssicherheit bei und steigern so die Bereitschaft, in tiergerechte Haltung zu investieren. Dafür sind zusätzliche Gelder vom Bund notwendig. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen, dass für den Umbau der Tierhaltung hin zu mehr Tierschutz in Deutschland jährlich drei bis fünf Milliarden Euro aufgebracht werden müssen.