Kleine Geschichte des Nationalparkprogramms der DDR

Hintergrund

Einer kleinen Gruppe von Naturschutz-Protagonisten in der ehemaligen DDR gelang es 1990, große ursprüngliche und naturnahe Landschaften langfristig zu schützen. Darum geht es, wenn vom „Nationalparkprogramm der DDR“ gesprochen wird.

4 Freunde
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4 Freunde: Michael Succow, Matthias Freude, Lebrecht Jeschke, Hans-Dieter Knapp

Die friedliche Revolution in der DDR im Herbst 1989 speiste sich auch aus dem Protest gegen die Umweltverschmutzung. Neben katastrophalen Umweltschäden in vielen Teilen des Landes gab es in der DDR auch noch große ursprüngliche und naturnahe Landschaften. Vor allem in ehemaligen Staatsjagdgebieten, auf großen Truppenübungsplätzen und im Grenzgebiet blieben diese erhalten.

Einer kleinen Gruppe von Naturschutz-Protagonisten in der ehemaligen DDR gelang es 1990, diese Landschaften langfristig zu schützen. Es entstanden neben Nationalparks auch Biosphärenreservate und Naturparks. Darum geht es, wenn vom „Nationalparkprogramm der DDR“ gesprochen wird.

Bereits in den frühen Jahren der DDR wurden vereinzelt von Naturschützern die Gründung von Nationalparks gefordert, wie zum Beispiel im Jahr 1953 vom Nestor der DDR-Naturschutzbewegung, Kurt Kretschmann, für die Sächsische Schweiz. Auch das aus einem Botaniker-Fachtreffen entstandene „Wesenberger Programm“ (1976) enthielt Vorschläge für neue großflächige Schutzgebiete in der DDR, die jedoch auf Ablehnung der SED-Führung stießen. Erst richtig wieder in Schwung kamen diese Ideen und Vorschläge im Jahr 1989.

Am Runden Tisch treiben die neuen politischen Bewegungen ihre umweltpolitischen Ziele voran

Im November 1989 hatte sich eine Bürgerinitiative für die Schaffung eines Müritz-Nationalparks an Stelle eines Staatsjagdgebietes stark gemacht. Im Januar 1990 wird das Thema „Schaffung von Nationalparks“ zum Tagesordnungspunkt am Zentralen Runden Tisch in Berlin.

Der Runde Tisch war in der Phase des Zusammenbruchs der DDR ein Gremium, in den die neuen politischen Bewegungen mit den Vertretern des alten Systems öffentlich diskutierten. Bis zur ersten freien Wahl in der DDR übernahm der Runde Tisch im politischen Leben die Funktion eines „Ersatz“-Parlamentes und ersetzte so die unter Verruf geratene Volkskammer der DDR. Die Beschlüsse des Runden Tisches waren politisch entscheidend für den damaligen Transformationsprozess.

Als der Naturschützer Prof. Michael Succow Mitte Januar 1990 mit Unterstützung der Bürgerbewegung zum stellvertretenden Umweltminister der DDR berufen wird, nutzt seine neue Position um das Nationalparkprogramm entscheidend voranzutreiben. Zahlreiche ehrenamtliche Natur- und Umweltschützer werden in der Folgezeit an unterschiedlichen Stellen der DDR zu neuen hauptamtlichen Mitarbeitern in der Umweltverwaltung.

Bereits Anfang Februar 1990 stimmt der Runde Tisch einer Beschlussvorlage „Nationalparkprogramm als Baustein für Deutschland und Europa" zu. Es werden Schutzgebietskategorien (Biosphärenreservat, Nationalpark, Naturschutzpark) definiert und eine Liste mit konkreten Schutzgebieten vorgelegt.

Am 16. März 1990, zwei Tage vor der ersten freien und geheimen Wahl in der DDR, bestätigt der Ministerrat eine Vorlage zum Stand und der Entwicklung von Biosphärenreservaten, Nationalparks und Naturschutzparks in der DDR und sorgt damit für die einstweilige Sicherung von insgesamt 24 großen Schutzgebieten.

Aus dem Westen kommt Unterstützung aber auch Widerstand gegen das Nationalparkprojekt

Nach der Wahl verlässt Michael Succow auf Grund eines Konfliktes mit dem neuen CDU-Umweltminister Dr. Karl-Hermann Steinberg das Ministerium. Doch seine bis dahin ins Boot geholten Weggefährten treiben das Nationalparkprogramm an den verschiedenen Stellen der DDR weiter voran.

Hilfe und Beratung kommt auch aus dem Westen: Nationalparkverwaltungen aus Bayern und Schleswig-Holstein und vor allem Umweltverbände wie der WWF unterstützen die ostdeutschen Naturschützer bei ihrem Vorhaben.  Widerstand gegen Nationalparks kommt vor allem aus den Landwirtschafts- und Verkehrsministerien in Ost und West.

Im Gegensatz dazu macht sich der damalige Bundesumweltminister Professor Klaus Töpfer aus Bonn für das Nationalparkprogramm stark. Töpfer erkennt sofort, dass hier vielleicht in kurzer Zeit große Gebiete für den Naturschutz gesichert werden können. Er schickt juristische Unterstützung in das DDR-Umweltministerium nach Berlin, auch um die einzelnen Schutzgebietsverordnungen rechtssicher zu machen.

Die Verabschiedung der Schutzverordnungen erfolgt auf der letzten Sitzung des Ministerrates der DDR

So gelingt es schließlich, auf der letzten Sitzung des Ministerrates der DDR am 12. September 1990, die Verordnungen für fünf Nationalparks (Vorpommersche Boddenlandschaft, Jasmund, Müritz, Sächsische Schweiz und Hochharz), sechs Biosphärenreservate (Südost-Rügen, Schorfheide-Chorin, Spreewald, Mittlere Elbe, Rhön und Vessertal)  und drei Naturparks (Drömling, Schaalsee und Märkische Schweiz) zu verabschieden.

Das sind 4,5 % der Fläche der ehemaligen DDR. Die Schutzverordnungen werden in der letzten Ausgabe des DDR-Gesetzblattes abgedruckt. Sie treten dadurch am 1. Oktober 1990 in Kraft und werden mit dem Einigungsvertrag wenige Tage später in fortgeltendes Bundesrecht überführt. Bundesumweltminister Klaus Töpfer bezeichnete diese Schutzgebiete als das "Tafelsilber der deutschen Einheit“.