Klimafinanzierung ist das Thema auf der COP27

Analyse

Die reichen Länder müssen auf der COP27 beweisen, dass sie bereit sind, ihren Teil der Klimaverhandlungen des Pariser Abkommens einzuhalten.

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Demonstranten fordern mehr Finanzierung zur Bewältigung von Verlusten und Schäden.

Die Verpflichtung der Industrieländer, den Entwicklungsländern angemessene und vorhersehbare finanzielle Unterstützung für ihre Klimabemühungen zu gewähren, wird auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz (COP27) in Ägypten erneut thematischer Brennpunkt sein. Fragen im Zusammenhang mit der Klimafinanzierung sind in mehr als ein Dutzend Verhandlungssträngen eingeflochten. In einem Jahr, das von verheerenden extremen Wetter- und Klimaereignissen auf der ganzen Welt, hohen Energie- und Lebensmittelkosten nach Russlands Einmarsch in der Ukraine, Inflationsdruck und dem Schreckgespenst einer globalen Wirtschaftsabschwächung inmitten einer wachsenden Schuldenkrise geprägt wurde, werden ein glaubwürdiger Plan für die überfällige Erfüllung des jährlichen Klimafinanzierungsziels von 100 Milliarden US-Dollar für 2020 der Lackmustest für den Erfolg in Sharm El-Sheikh sein. Und, wohl am wichtigsten, muss eine Entscheidung fallen, endlich Finanzstrukturen zur Bewältigung von Verlusten und Schäden zu formalisieren.

Um das Vertrauen in den internationalen Klimaprozess wiederherzustellen, sind glaubwürdige Ergebnisse für beide Prioritäten erforderlich: Die reichen Länder müssen beweisen, dass sie bereit sind, ihren Teil des Pariser Abkommens einzuhalten, während die Entwicklungsländer aufgefordert sind, ihre eigenen Klimaverpflichtungen als Teil der kollektiven Antwort auf die anhaltende Ambitionslücke zu erhöhen, da sich das Zeitfenster für die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius schließt.

Forderung nach neuen und zusätzlichen Finanzmitteln zur Bewältigung von Verlusten und Schäden...

Seit der COP26 in Glasgow, die mit der Weigerung der Industrieländer, vor allem der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, endete, auf die Forderung der Entwicklungsländer nach einem Finanzierungsmechanismus für Verluste und Schäden einzugehen, und stattdessen den Glasgower Dialog als Trostpreis anbot, hat sich im Diskurs über Verluste und Schäden viel getan. Der dreijährige Prozess, belächelt als Gesprächsrunde ohne Plan und Endziel, hatte bei den Klimagesprächen im Juni in Bonn einen enttäuschenden Start. Die reichen Länder argumentierten, dass humanitäre Hilfe, Katastrophenvorsorge und Entwicklungshilfe sowie bestehende Klimafonds oder versicherungsbasierte Lösungen bereits Länder und Gemeinschaften bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden durch Klimaauswirkungen unterstützen, und dass diese besser angepasst werden könnten.

Seitdem hat sich der Ton unter den Industrieländern etwas geändert, und zwar aufgrund des gemeinsamen Drucks der Entwicklungsländer, einer vereinigten zivilgesellschaftlichen Bewegung, die eine Fazilität zur Finanzierung von Verlusten und Schäden zu ihrem Schlachtruf für die COP27 machte, und einer verstärkten Medienpräsenz, die die Diskussion in den Kontext von moralischer Verantwortung, Solidarität und Klimagerechtigkeit stellte, die Sprache der Entschädigung aber weitgehend vermied. Selbst die Vereinigten Staaten, die lange Zeit darauf bestanden, keine finanzielle Haftung für Verluste und Schäden anzuerkennen und den Investitionsströmen zur Finanzierung von Emissionssenkungen Vorrang einzuräumen, haben ihre Haltung in letzter Zeit modifiziert und klingen nun kooperativer.

Das Ausmaß der Verwüstungen und des menschlichen Leids, das die jüngsten Klimakatastrophen im Globalen Süden mit sich brachten – wie die beispiellosen Überschwemmungen in Pakistan, die ein Drittel des Landes überschwemmten, mehr als tausend Menschen das Leben kosteten und vermutlich Schäden in Höhe von mehr als 40 Milliarden US-Dollar verursachten – zeigt die Ungerechtigkeit der Betroffenheit vom Klimawandel und die Kosten, die entstehen, wenn das Problem nicht angegangen wird. Die unzureichende humanitäre Katastrophenhilfe auf die Überschwemmungen in Pakistan (bis Mitte Oktober waren nur 50 Millionen US-Dollar des humanitären Appells der Vereinten Nationen von geforderten 800 Millionen US-Dollar Unterstützung eingegangen) macht deutlich, dass erhebliche zusätzliche Finanzmittel für Verluste und Schäden erforderlich sind.

Aus diesem Grund arbeiten das Climate Vulnerable Forum (CVF) und die Vulnerable Twenty (V20) an einem eigenen Finanzierungsmechanismus für Verluste und Schäden, für den sie auf eine breite Unterstützung der Industrieländer hoffen. Unabhängig davon wurden im vergangenen Jahr von Schottland und Wallonien auf der COP26 und kürzlich von Dänemark als erstem UNFCCC-Mitgliedsland erste Finanzierungszusagen zur Bewältigung von Verlusten und Schäden gemacht. Zwar sind diese Zusagen wichtig, weil sie politisch das Eis brechen, allerdings sind die Finanzversprechen mit niedrigen Millionenbeträgen zu gering, um dem Bedarf in Milliardenhöhe gerecht zu werden. Und obwohl begrüßenswert sollten sie nicht von der Forderung ablenken, einen umfassenden Finanzierungsmechanismus im Rahmen des UNFCCC einzurichten, der allen Vertragsparteien gegenüber rechenschaftspflichtig ist.

Auf der COP27 wird sich schnell zeigen, ob der wahrgenommene Tonwechsel unter den reichen Ländern Substanz hat. Mit der Aufnahme von Diskussionen über Finanzierungsvereinbarungen zur Bewältigung von Verlusten und Schäden in die Tagesordnung der COP27 wird die einvernehmliche Verabschiedung am ersten Verhandlungstag der erste Hinweis darauf sein, ob eine Entscheidung über die Einrichtung eines Finanzierungsmechanismus zur Bewältigung von Verlusten und Schäden in Ägypten möglich ist. Eine solche Fazilität zur Finanzierung von Schäden und Verlusten (Loss and Damage Finance Facility - LDFF) ist zwar nicht der einzige mögliche Finanzierungsmechanismus. Ein solcher UNFCCC-Fonds sollte aber eine zentrale Rolle bei der Koordinierung und Rechenschaftspflicht von Finanzierung für die Bewältigung von Verlusten und Schäden spielen, und in erster Linie Zuschüsse zusätzlich zu anderen bestehenden Klimafinanzierungsverpflichtungen bereitstellen, die für alle Entwicklungsländer zugänglich sind, und deren Verschuldung vermeiden. Dies ist vor allem für viele kleine Inselstaaten von Bedeutung, die aufgrund ihrer Einstufung nach Einkommen und nicht nach Klimaanfälligkeit oft nur schwer Zugang zu konzessionärer Finanzierung außerhalb des UNFCCC haben, etwa bei multilateralen Entwicklungsbanken.

Parallel zu einer Entscheidung für einen Finanzierungsmechanismus zur Bewältigung von Verlusten und Schäden auf der COP27 müssen dort die Modalitäten für die rasche Inbetriebnahme des Santiago Network on Loss and Damage (SNLD) festgezurrt werden. Dieses 2019 eingerichtete Netzwerk soll den Entwicklungsländern technische Hilfe leisten und sie unter anderem auf die Umsetzung größerer Finanzströme zur Bewältigung von Verlusten und Schäden vorbereiten, zum Beispiel für Maßnahmen und Prioritäten, die im Rahmen umfassender Bedarfsanalysen für Verluste und Schäden festgelegt werden könnten, die das SNLD unterstützen könnte. Auch wenn mehr als der bisher zugesagte begrenzte Betrag zur Unterstützung des Santiago Netzwerks erforderlich ist, sollten die Industrieländer nicht versuchen, der breiten Öffentlichkeit zusätzliche Finanzierungszusagen für technische Hilfe bei Schäden und Verlusten als Ersatz für ausbleibende Zusagen oder fortgesetzte Untätigkeit für eine neue Finanzierungsfazilität für Verluste und Schäden LDFF zu verkaufen.

...zeitgleich zur Rechenschaft über die versprochene jährliche Klimafinanzierung in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar...

Für die COP26 wurden Kanada und Deutschland beauftragt, einen Plan zur Bereitstellung von Klimafinanzierung vorzulegen, in dem dargelegt wird, wann und wie die Industrieländer ihre Zusage aus dem Jahr 2009, den Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen, endlich einlösen können. Der damals vorgelegte Plan deutete darauf hin, dass dies im Jahr 2023 der Fall sein könnte, ließ aber eine Reihe von Fragen zur Qualität der Klimafinanzierung offen, z. B. wie der Zugang zur Klimafinanzierung verbessert oder die Anpassungsfinanzierung drastisch erhöht werden kann. 

Inzwischen hat eine neue OECD-Studie offengelegt, dass die reichen Länder deutlich hinter ihren Zusagen zurückgeblieben sind und 2020 nur 83 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt haben. Davon gingen zwei Drittel an die Emissionsverringerung und mehr als 70 Prozent der öffentlichen Mittel wurden nur in Form von Krediten zur Verfügung gestellt, einschließlich eines großen Anteils an nicht konzessionären Krediten, die über die Entwicklungsbanken abgewickelt wurden. Einer aktuellen Oxfam-Analyse zufolge ist der tatsächlich bereitgestellte Betrag sogar noch niedriger und liegt möglicherweise bei nur einem Drittel dieser Summe, da die Industrieländer im Rahmen des OECD-Trackingsystems in erheblichem Umfang überzogene oder falsche Angaben machen.

Nur eine Woche vor Beginn der Klimagespräche haben Kanada und Deutschland einen Fortschrittsbericht zur Implementierung ihres letztjährigen Umsetzungsplans veröffentlicht. Der Bericht konzentriert sich auf Maßnahmen der Industrieländer zur Verdoppelung der Anpassungsfinanzierung und enthält eine Übersichtstabelle dieser Verpflichtungen. Er stellt die Verringerung des bürokratischen Aufwands und der Antragsfristen, insbesondere für SIDS und andere gefährdete Länder, in Aussicht, um deren Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern, was auch durch Harmonisierungsbemühungen zwischen den existierenden Klimafonds erreicht werden soll. Der Plan sieht auch eine verbesserte Bereitstellung von Klimafinanzierungsmitteln durch die Entwicklungsbanken vor, wobei insbesondere Reformbedarf für die bisherigen Bemühungen der Weltbank im Klimaschutz, die aus Sicht vieler Beobachter*innen ungenügend ist, angemahnt wird. Letztlich, und nicht überraschend, fokusiert der Bericht auf Bemühungen, die Mobilisierung von Mitteln aus dem Privatsektor zu verstärken.

Auf der COP27 wird diese Selbstauskunft der Industrieländer durch einen Fortschrittsbericht zur Erreichung des Ziels von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zwischen 2020 und 2025 kontextualisiert, den der Ständige Finanzausschuss (SCF) als ersten offiziellen UNFCCC-Bericht vorlegen wird. Er erfüllt damit ein Mandat der COP26. Dessen Analyse wird durch einen weiteren Bericht des SCF ergänzt, nämlich den alle zwei Jahre veröffentlichten Überprüfungsbericht, der in seiner fünften Auflage der COP27 detailliert über die Klimafinanzierungsströme und -trends in den Jahren 2019-2020 Rechenschaft ablegen wird.

...und dem Ruf nach einer Vervielfachung der Anpassungsfinanzierung...

Im Klimapakt von Glasgow hatten die Industrieländer versprochen, die Anpassungsfinanzierung gegenüber dem Basisjahr 2019 bis 2025 auf 40 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln. Dies ist jedoch immer noch zu wenig, um das seit langem versprochene Gleichgewicht zwischen Anpassungs- und Mitigationsfinanzierung zu erreichen. Die jüngste OECD-Analyse zeigt, dass im Jahr 2020 gerade einmal 28,6 Milliarden US-Dollar für Anpassungsmaßnahmen bereitgestellt wurden, ein Bruchteil des tatsächlichen Finanzbedarfs. Beispielsweise deklarieren die national festgelegten Beiträge (nationally determined contributions, NDCs) der 51 afrikanischen Länder einen kumulierten Bedarf an Anpassungsinvestitionen in Höhe von schätzungsweise 579 Milliarden US-Dollar bis 2030.

Die ägyptische COP-Präsidentschaft hat die COP27 als afrikanische COP ausgeschrieben, die sich auf die Umsetzung konzentrieren soll. Dabei werden Fortschritte beim laufenden Arbeitsprogramm von Glasgow-Sharm El-Sheikh zum globalen Anpassungsziel (GGA), das im Rahmen des Pariser Abkommens festgelegt wurde, zu den erwünschten Ergebnissen gehört und als Beweis für die Führungsstärke der Gastgeber in der Klimadiplomatie gewertet werden. Die Industrieländer werden unter großem Druck stehen, auf der COP27 neue Zusagen für die Anpassungsfinanzierung bekannt zu geben, um zu zeigen, dass die Dynamik der COP26 nicht gebrochen ist, auf der neue Zusagen in Höhe von 356 Millionen US-Dollar für den Anpassungsfonds und 413 Millionen US-Dollar für den Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCF) gemacht wurden. Darunter waren auch neue Geber wie die Vereinigten Staaten, die zum ersten Mal 50 Millionen US-Dollar für den Anpassungsfonds zugesagt haben. Bisher wurden jedoch nur wenige dieser Zusagen eingelöst. Gleichzeitig muss die derzeitige Anpassungsfinanzierung durch die Entwicklungsbanken in Frage gestellt werden, da sie laut dem fünften Zweijahresbericht zur Bewertung der Klimafinanzierungsströme weiterhin den größten Teil der Finanzmittel als Darlehen und nur 15 Prozent als Zuschüsse bereitstellen.

Da viele Anpassungsmaßnahmen lokal ausgerichtet sein müssen, damit sie den betroffenen Gemeinschaften und Menschen zugute kommen, und die Hürden für den Zugang zur Klimaanpassungsfinanzierung für viele der am stärksten gefährdeten Länder nach wie vor hoch sind, muss die Vereinfachung und Verbesserung des Zugangs ein Schwerpunkt der Diskussionen sowohl zum globalen Anpassungsziel als auch zur Anpassungsfinanzierung sein. Zentral dabei ist die Erweiterung des direkten Finanzzugangs für Betroffene, bei dem die Entscheidungsfindung über die Finanzierung von Einzelmaßnahmen auf Gemeinschaften und marginalisierte Gruppen und Einzelpersonen übertragen wird. Sie muss auf den Grundsätzen für eine lokal geführte Anpassung aufbauen, die vom Anpassungsfonds und der Globalen Umweltfazilität, nicht aber vom Grünen Klimafonds, dem größten multilateralen Klimafonds, unterstützt werden.

...bei der parallelen Aushandlung eines neuen bedarfsorientierten Finanzierungsziels...

Während bei der COP27 die Industrieländer formell hinsichtlich der Erfüllung ihrer Klimafinanzierungsversprechen von 2009 Rechenschaft ablegen müssen, werden parallel die Verhandlungen über die Festlegung eines neuen kollektiven quantifizierten Ziels (NCQG) für die Klimafinanzierung, das ab 2025 erreicht werden soll, geführt. In Sharm El- Sheikh wird der Prozess mit einem technischen Expertendialog (dem vierten von insgesamt zwölf geplanten Dialogen über drei Jahre) und einem hochrangigen Ministertreffen fortgesetzt. Die Entwicklungsländer drängen darauf, dass ein neues Finanzierungsziel die bestehenden quantitativen und qualitativen Mängel des 100-Milliarden-Dollar-Ziels adressiert und behebt, denn das alte Ziel wurde 2009 politisch gesetzt und reflektierte den kleinsten gemeinsamen Nenner der Industrieländer. In starkem Kontrast dazu hat der SCF in seinem allerersten Bedarfsermittlungsbericht einen Finanzierungsbedarf in Billionenhöhe für die Umsetzung der NDCs der Entwicklungsländer sowie für die nationalen Anpassungspläne (NAPs) ausgerechnet. Die jüngsten Berichte des Weltklimarats zur Emissionsminderung und Anpassung sowie zu Verlusten und Schäden haben die wissenschaftliche Grundlage dieses enormen Finanzbedarfs bestätigt.

Eine neues Klimafinanzierungsziel, das sich an Bedarf und wissenschaftlichen Grundlagen orientiert, muss wesentlich höher als das bisherige sein und sich auch mit Fragen des Umfangs, der Qualität und der Rechenschaftspflicht von Klimafinanzierung und eines verbesserten Zugangs zu Klimamitteln befassen. Und es muss in die aggregierte Gesamtsumme zusätzliche Finanzmittel zur Bewältigung von Verlusten und Schäden als dritte eigenständige Finanzierungssäule neben Emissionsminderung und Anpassung integrieren und idealerweise thematische Finanzierungsunterziele festlegen.

Die Entwicklungsländer möchten bei der COP27 damit beginnen, über den neuen Finanzierungsumfang zu diskutieren. In diesem Zusammenhang ist das Fehlen einer einheitlich akzeptierten multilateralen Definition der Klimafinanzierung ein Mangel, den die Entwicklungsländer beheben möchten, während die Industrieländer der Meinung sind, dass ein Bottom-up-Ansatz zur Definition der Klimafinanzierung akzeptabel ist, solange seine Parameter transparent offengelegt werden. Auf der COP27 wird der SCF seine fortlaufende Arbeit an operationellen Definitionen der Klimafinanzierung vorstellen, die die von den Ländern eingegangenen Facheingaben berücksichtigt. 

Für die Entwicklungsländer in Sharm El-Sheikh ist die Höhe des neuen Finanzierungsziels direkt an die Verpflichtung der Industrieländer gemäß Artikel 9 des Pariser Abkommens geknüpft, finanzielle Unterstützung primär mit öffentlichen, und nicht-Schulden generierenden Mitteln zu leisten. Dagegen wollen die Industrieländer die Diskussion des neuen Finanzierungsziels in den breiteren Kontext des Mandats nach Artikel 2.1(c) des Pariser Abkommens stellen, wonach alle Finanzströme, öffentliche wie private, in Einklang mit niedrigen Treibhausgasemissionen und einer klimaresistenten Entwicklung zu bringen sind. Eine solche Rahmensetzung würde die Relevanz (und vermutlich auch den Umfang) der eigenen Finanzbeiträge der Industrieländer für das neue, 2024 festzulegende Klimafinanzierungsziel minimieren.

Ein vom SCF erarbeiteter Bericht, der auf der COP27 vorgestellt werden soll, kartiert und aktualisiert die zuvor in Glasgow zusammengetragenen und vorgestellten Informationen über einschlägige Initiativen, alle Finanzströme kompatibel mit den Klimazielen des Pariser Abkommens zu machen. Seit 2015 sind die laufenden Bemühungen vor allem auf die Emissionsminderung konzentriert. Allerdings vermerkt der SCF-Bericht kritisch, dass "die Bewertung der realwirtschaftlichen Auswirkungen von Initiativen des Finanzsektors und das Risiko von Greenwashing eine Herausforderung bleiben." Die Studie stellt außerdem fest, dass es nur wenige Initiativen gibt, die sich darauf konzentrieren, Investitionsströme mit Ansätzen für eine klimaresiliente Entwicklung in Einklang zu bringen.

...und der Forderung nach der Erfüllung der Zusagen des Finanzsektors von Glasgow...

Die COP26 machte Schlagzeilen mit einigen bedeutenden Finanzierungszusagen, darunter das Beenden der internationalen Finanzierung für fossile Brennstoffe und die Ausrichtung des Finanzsektors auf Netto-Null-Emissionen bis 2050. Mit der russischen Invasion in der Ukraine stehen diese Klimazusagen nun auf sehr viel wackligerem Boden. Eine Reihe europäischer Länder, darunter auch Deutschland, haben sich in Afrika und im Nahen Osten nach neuen Gaslieferungen umgesehen, während sie den Kohleausstieg im eigenen Land hinauszögern. Einigen Schätzungen zufolge planen die europäischen Regierungen alleine in diesem Jahr neue Ausgaben für die Infrastruktur für fossile Brennstoffe in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro und untergraben damit ihre Klimaschutzverpflichtungen. Zeitgleich scheinen mehrere der größten Banken unter den rund 500 Unternehmen des Finanzsektors, die sich in der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) zusammengeschlossen haben, darunter JP Morgan Chase und die Bank of America, angesichts des Wiederauflebens der Öl- und Gasfinanzierung von ihrem Tranformationsversprechen abzurücken. Nach Angaben von Bloomberg sind die weltweiten Bankkredite an Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um 15 Prozent auf mehr als 300 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Schaffung von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Erfüllung von Netto-Null-Zusagen durch nichtstaatliche Akteure, einschließlich des Finanzsektors, durch die Festlegung klarer vergleichbarer Standards ist das Ziel einer vom UN-Generalsekretär eingesetzten hochrangigen Expertengruppe für Netto-Null-Emissionen, die auf der COP27 einige Empfehlungen abgeben könnte.

...und der Fortsetzung der globalen Bestandsaufnahme der Umsetzung des Pariser Abkommens

Schließlich wird auf der COP27 die erste Globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake), die kollektive Bewertung der Umsetzung des Pariser Abkommens und seiner langfristigen Ziele, mit einer zweiten technischen Bewertungsrunde fortgesetzt, die Länder, Experten und nichtstaatliche Akteure zusammenbringt. Die Mittel zur Umsetzung, insbesondere die Bereitstellung von Finanzmitteln, sind ein wichtiges Thema, das sich mit den Bewertungen des Erreichten in den Bereichen Emissionsminderung, Anpassung und Verluste und Schäden überschneidet. Die ehrliche Bestandsaufnahme zur Klimafinanzierung ist von zentraler Bedeutung, um sicherzustellen, dass getroffene Schlussfolgerungen auch politisch wirksam werden, um noch ehrgeizigere Klimamaßnahmen für den nächsten fünfjährigen Überprüfungszeitraum zu setzen. Die Finanzierung von Emissionsminderungs- und Anpassungsmaßnahmen erfordert ambitionierte Ziele in Bezug auf Umfang, Zugänglichkeit, Qualität und Rechenschaftspflicht der von den Industrieländern für die Entwicklungsländer bereitgestellten Klimafinanzierung. Daher kann die globale Bestandsaufnahme nur unter Berücksichtigung der zeitgleich vehandelten anderen relevanten Finanzdiskussionen erfolgreich sein, die synergetisch in den Prozess integriert werden müssen. Das betrifft insbesondere die Debatten zur Erfüllung des 100-Milliarden-USD-Ziels, sowie die Verhandlungen für das neue kollektive Finanzierungsziel, die Bemühungen um die drastische Aufstockung der Anpassungsfinanzierung und die Bereitstellung eines Mechanismus zur Finanzierung von Verlusten und Schäden. Auf der COP27 müssen deshalb wichtige grundliegende Klimafinanzierungsentscheidungen ohne weitere Verzögerung oder Ablenkungsversuche getroffen werden. Nur dann hat die internationale Gemeinschaft die Chance, auf einem kohlenstoffarmen und klimaresistenten Entwicklungpfad zu bleiben, der die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt.


Dieser Artikel erschien zuerst hier: us.boell.org