Entwicklungsländer brauchen Wege zu einer gerechten und nachhaltigen Klimafinanzierung

Kommentar

Entwicklungsländer sind mit einer Schuldenlast konfrontiert, die Klimaschutzmaßnahmen unerschwinglich macht. Umfassende Reformen und gezielte Schuldenerleichterungen sind unerlässlich, um die von diesen Ländern dringend benötigten Klimainvestitionen freizusetzen.

Avel Chuklanov / Unsplash

Eine unabhängige Expert*innengruppe der G20 schätzt, dass die Entwicklungsländer und Schwellenländer (ohne China) jährlich etwa drei Billionen US-Dollar mobilisieren müssen, um das Pariser Klimaabkommen sowie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen. Von diesem Betrag sollen eine Billion US-Dollar aus externen Quellen stammen. Diese Zahlen sind zwar einschüchternd, aber sie entsprechen nur etwa zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung im Jahr 2022 - weniger als die weltweiten Ausgaben für Bildung.

Diese finanzielle Herausforderung bildet die Grundlage für die 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29), auf der die Staats- und Regierungschef*innen die jährliche Summe an Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 neu verhandeln. Die bisherigen Verhandlungen haben gezeigt, dass es sowohl beim Umfang als auch bei der Qualität der Klimafinanzierung große Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gibt. Doch nicht nur auf den Klimagipfeln hat es sich als schwierig erwiesen, ehrgeizige Ziele zu erreichen. Im Oktober endeten die Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe in Washington mit begrenzten Fortschritten bei der Ausweitung der Finanzierung, obwohl dringender Reformbedarf besteht. Dieser Bedarf ist besonders dringlich, da viele Länder unter einer hohen Verschuldung leiden, wobei die Zinszahlungen einen größeren Teil ihres Budgets verschlingen als die Ausgaben für Gesundheit oder Bildung.

Im Vorfeld der COP29 bleibt zu hoffen, dass die Gespräche zu einem ehrgeizigeren und wirksameren Rahmen für die globale Klimafinanzierung führen werden.

Die Finanzierungslücke und ihre Folgen

Schwächelnde Wirtschaften infolge der Pandemie, Lebensmittel- und Energiepreisschocks infolge des Ukrainekriegs, steigende Zinsen und damit einhergehend das Anziehen des US-Dollars verteuern die Bedienung der Staatsschulden und die Kreditaufnahme für Entwicklungsländer an den Finanzmärkten. Die Beschaffung neuer externer Finanzmittel in Höhe von Billionen von Dollar wäre schon in den besten Zeiten schwierig. Noch schwieriger ist es, wenn die Welt mit einer eskalierenden Schuldenkrise konfrontiert ist.

Steigende Verschuldung bedroht Entwicklung und Klimaschutz

Eine aktuelle Studie des „Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery“ Projektes zeigt: 47 Entwicklungsländer, in denen über eine Milliarde Menschen leben, würden die kritischen Schwellenwerte der Schuldentragfähigkeit des IWF überschreiten, wenn sie die Finanzmittel für die dringend notwendigen Investitionen in Klimaschutz und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele auf Kredit finanzieren. Weiteren 19 Ländern fehlt der finanzielle Spielraum für die erforderlichen Investitionen. Besonders betroffen von Überschuldung sind Länder in Afrika und der Karibik, wo sich die Lage zuletzt drastisch verschlechtert hat.

Seit 2008 ist die Auslandsverschuldung afrikanischer Regierungen um 240 Prozent gestiegen, und heute gibt die Hälfte der afrikanischen Staaten mehr für Zinszahlungen als für ihre öffentlichen Gesundheitsbudgets aus. Der jüngste IWF-Wirtschaftsausblick zeichnet ein düsteres Bild: Das Wachstum ist zukünftig gering und die Staatsverschuldung wird voraussichtlich weiter steigen. Infolgedessen sind die Entwicklungsaussichten vieler dieser Länder begrenzt, was das Risiko erhöht, dass sie ihre Schulden langfristig nicht mehr bedienen können, was als Schuldentragfähigkeit bezeichnet wird.

Wie sich das Klima auf die Schulden auswirkt - und andersherum

Gleichzeitig fehlen der internationalen Gemeinschaft geeignete Instrumente, um festzustellen, welche Länder einen Schuldenerlass benötigen und in welchem Umfang. Der IWF führt zwar seine eigenen Schuldentragfähigkeitsanalysen durch, aber diese sind in vielerlei Hinsicht unzureichend, unter anderem durch verzerrte Projektionen bei der Schuldentragfähigkeit, einen unrealistischen Bedarf an Klimainvestitionen und die Unterschätzung der Auswirkungen von Klimaschocks. Die gemeinsame von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Boston University Global Development Policy Center und Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London herausgegebene Studie verdeutlicht, in welchem Ausmaß die Verwundbarkeit für Klimawandelschäden und Umweltschäden die Tragfähigkeit der Schulden beeinträchtigen können. Der Klimawandel erhöht damit das Länderrisiko eines Zahlungsausfalls und die Kapitalkosten, also die Kosten, die bei der Beschaffung von Kapital für staatliche Investitionen entstehen.

Laut einer durch die indische G20-Präsidentschaft einberufenen unabhängigen Expert*innenkommission und dessen Vorsitzenden Lawrence Summers und N.K Sing stehen Entwicklungsländer noch vor einer weiteren Herausforderung: Im Jahr 2023 ist weniger Kapital in die Entwicklungsländer geflossen, als aus ihnen abfloss. Steigende Zinssätze und Rückzahlungen von Anleihen und Krediten führten dazu, dass fast 200 Milliarden Dollar aus den ärmsten Ländern an private Gläubiger flossen – ohne dass dies auch nur ansatzweise durch öffentliche Gelder kompensiert wurde.

Länder, die anfällig für Klimarisiken sind, sind zudem höheren Kosten bei der Kreditaufnahme am Kapitalmarkt ausgesetzt. Es folgt ein Teufelskreis aus Verschuldung und Klimawandel, bei dem die Länder wenig Möglichkeiten haben, robuste Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, die ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Extremwetterereignissen und wirtschaftlichen Schocks erhöhen. Je länger wir zögern, den gesamten Bedarf an Klimainvestitionen zu decken, desto höher werden die Kosten für die Eindämmung des globalen Temperaturanstiegs und die Bewältigung seiner Folgen sein.

Notwendigkeit einer umfassenden Reform und Handlungsempfehlungen

Um den Kreislauf von Umwelt- und Wirtschaftskrisen zu durchbrechen und eine Epoche nachhaltigen Wachstums einzuleiten, müssen die Länder jetzt investieren. Deshalb muss jede Strategie zur Bewältigung des Klimawandels und zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDGs) die Hürden für neue Finanzierung senken. Dies schließt gezielte Schuldenerlasse und die Verbesserung der Kreditwürdigkeit von Entwicklungsländern ein.

Eine ehrgeizige Entschuldungsinitiative ist unumgänglich, um den Ländern, die sich in einer ausgewachsenen Staatsschuldenkrise befinden, einen sinnvollen Schuldenerlass zu gewähren. Dabei sollte sich diese Initiative am erfolgreichen Vorbild der 1996 von Internationalen Währungsfonds und Weltbank geschaffenen Initiative für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Initiative) orientieren.

Damit eine solche Initiative effektiv umgesetzt werden kann, ist die aktive Beteiligung aller Gläubiger erforderlich. Dazu gehören auch die multilateralen Finanzinstitutionen wie die Weltbank, denn mindestens die Hälfte der gesamten Auslandsschulden von 27 schuldengeplagten Ländern – viele davon Niedrigeinkommensländer oder kleine Inselstaaten – werden multilateralen Gläubigern geschuldet. Selbst wenn alle bilateralen und privaten Schulden gestrichen würden, blieben einige der schwächsten Länder der Welt weiterhin mit zu hohen Schulden belastet. Daher führt an einer Beteiligung der multilateralen Finanzinstitutionen kein Weg vorbei. Doch muss das in solch einer Weise geschehen, dass diese Institutionen für Verluste entschädigt werden und ihre hohe Kreditwürdigkeit, und damit die Möglichkeit, zu niedrigen Zinssätzen Kredite bereitzustellen, nicht beschädigt wird.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre eine Reform des von der G20 verabschiedeten Rahmenwerks für eine effektive und nachhaltige Schuldenbehandlung (Common Framework for Debt Treatment). Dieses Rahmenwerk hat sich bisher als zu langsam und ineffizient erwiesen, insbesondere, weil es keine ausreichenden Anreize zur Beteiligung privater Gläubiger bietet und nur für einkommensschwache Länder gilt, jedoch nicht für hochverschuldete Staaten mit mittlerem Einkommen.

In der letzten Globalen Bestandsaufnahme auf der COP28 wurde zum ersten Mal die positive Verbindung zwischen ausreichendem fiskalischem Spielraum und Klimaschutzmaßnahmen anerkannt, wobei das Common Framework als einer der bestehenden Mechanismen genannt wurde. In dem Dokument wurde auch festgestellt, dass „die Aufstockung neuer und zusätzlicher Zuschüsse, hochkonzessionärer Finanzmittel und nicht-verschuldeter Instrumente für die Unterstützung der Entwicklungsländer weiterhin von entscheidender Bedeutung ist.

Klimainvestitionen für Länder mit geringem finanziellen Spielraum finanzierbar machen

Für Länder mit geringem finanziellen Spielraum müssen für bestimmte Investitionen, zum Beispiel für solche in Klimaschutz und Klimaanpassung, die Kapitalkosten gesenkt werden. Zu diesem Zweck wurden bereits zahlreiche Vorschläge unterbreitet. Verbesserungen der Kreditwürdigkeit durch Garantien auf Anleihen wären denkbar, wie auch zusätzliche Finanzspritzen durch die Ausschüttung von Sonderziehungsrechten, eine Art Reserveguthaben für IWF Mitgliedsländer. Damit sollen zusätzliche Finanzmittel für in Not geratene Staaten bereitgestellt werden, wie dies bei der Pandemie Covid-19 im Jahr 2021 der Fall war. Auch könnte der Schuldendienst ausgesetzt werden – beispielsweise durch eine wiederbelebte und erweiterte Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes, die während der Covid-19-Pandemie wertvolle Unterstützung für überschuldete Länder geleistet hat. Letzteres sollte mit neuen Finanzierungen gekoppelt werden, bei denen die gewichteten Kapitalkosten niedriger sind als die prognostizierte Wachstumsrate der teilnehmenden Länder.

Die Verlängerung der Schuldenkrise wird die Klimakrise verschärfen, gerade für die Länder, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben. Die 29. UN-Klimakonferenz muss zeigen, dass sich die Weltgemeinschaft trotz dieser Herausforderungen weiterhin zum Handeln verpflichtet fühlt, indem sie den gefährdeten Ländern die notwendige Klimafinanzierung zur Verfügung stellt. Eine reformierte Schuldenarchitektur wird dabei ein entscheidender Baustein sein, um sicherzustellen, dass alle Länder ihre Ziele für Emissionsminderung und Klimaanpassung erreichen und damit den Grundstein für eine prosperierende und nachhaltige Zukunft legen können.