Was ist zu tun gegen autoritäre Tendenzen in Serbien?

Interview

„Der einzige Weg, den wir noch nicht gegangen sind, ist die Bildung einer Übergangsregierung mit dem klaren Mandat, faire Wahlbedingungen zu schaffen – deshalb schlagen wir ihn jetzt vor.“ Radomir Lazović und Biljana Đorđević über Engagement, Widerstand und die Zukunft der Grünen Linken in Serbien.

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Foto: Ein bärtiger Mann mit Brille im Sakko steht neben einer Frau mit schulterlangen roten Haaren und dunklem Kleid vor „Zeleno levi front“-Wand.
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Radomir Lazović und Biljana Đorđević

Radomir Lazović und Biljana Đorđević sind zentrale Figuren der progressiven politischen Bewegung in Serbien. Lazović, Aktivist und Mitbegründer der Initiative „Ne davimo Beograd“ (Lasst Belgrad nicht untergehen), arbeitete viele Jahre mit dem Belgrader Büro der Heinrich-Böll-Stiftung an verschiedenen Projekten. Đorđević, Politikwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Belgrad, führt gemeinsam mit ihm die Partei Zeleno-levi front (Grün-Linke Front, ZLF). Die Partei ging aus dem Zusammenschluss von „Ne davimo Beograd“ mit vier weiteren zivilgesellschaftlichen Gruppen hervor und wurde am 14. Juli 2023 gegründet. ZLF ist seit den Parlamentswahlen im Dezember 2023 in der Nationalversammlung Serbiens vertreten, wobei die Bewegung „Ne davimo Beograd“ bereits zuvor Abgeordnete stellte. Seit Dezember 2024 ist ZLF Vollmitglied der Europäischen Grünen Partei (EGP).

Im Gespräch mit der Heinrich-Böll-Stiftung Belgrad reflektieren Lazović und Đorđević ihre politische Karriere, die Herausforderungen in Serbien und die Bedeutung internationaler Partnerschaften. Das Interview führte Nino Lejava.


Serbien wird zunehmend als hybrides Regime eingestuft. Wie erleben Sie die Erosion demokratischer Institutionen und was unternimmt die Opposition dagegen?

Biljana Đorđević: Bedauerlicherweise haben wir bisher in unserem hybriden Regime keine besseren Wahlbedingungen als jetzt kennengelernt, da unsere Partei aus der lokalen politischen Basisbewegung „Ne davimo Beograd“ hervorgegangen ist, die 2018 zum ersten Mal an den Kommunalwahlen in Belgrad teilnahm. Nach Ansicht vieler Analyst*innen fiel Serbien nach diesen Wahlen endgültig in die Kategorie der hybriden Regime.

Daher war für uns immer klar: Im Kampf um grundlegende Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gegen staatliche Gewalt und Repression müssen wir mit dem Rest der Opposition kooperieren – was wir konsequent getan haben. Das bedeutete jedoch oft, dass wir zwischen dem grundlegenden Einsatz für Demokratie und einer klaren programmatisch-ideologischen Abgrenzung zu anderen Oppositionsparteien wählen mussten.

Wir gründeten unsere eigene Partei, da unter den existierenden keine war, die unsere Werte repräsentierte. Wir wollten uns nicht den bestehenden Oppositionsparteien anschließen, die bereits an der Macht waren und eine Reihe schlechter Entscheidungen für das Land getroffen hatten, wie z. B. eine Privatisierungspolitik, die zur systemischen Korruption beitrug. Die bestehenden Parteien ließen sich intern nicht reformieren, um etwa die Fortschrittspartei ( SNS) bei den Wahlen zu besiegen, sondern sich aufgrund der Egos ihrer Führer immer wieder spalteten.

Wir sind gezwungen, uns auf die grundlegendsten Forderungen nach freien und fairen Wahlen zu konzentrieren.

Außerdem gab es in Serbien keine grün-linke Partei – wir haben also tatsächlich etwas Neues geschaffen. Aber da wir unser Programm nicht einmal öffentlich vorstellen können  - wir kommen nicht in öffentlich-rechtliche Medien und sind ständigen Angriffen privater regimetreuer Medien ausgesetzt -  sind wir gezwungen, uns auf die grundlegendsten Forderungen nach freien und fairen Wahlen zu konzentrieren – als lebten wir in einer vorpolitischen Gesellschaft.

Gemeinsam mit Partnern aus der Parlamentsopposition haben Sie die Bildung einer Übergangsregierung vorgeschlagen. Wie bewerten Sie die Reaktionen der Gesellschaft und der Regierung darauf?

Biljana Đorđević: Zunächst traten viele Oppositionsparteien mit eigenen Vorschlägen für eine Übergangsregierung an die Öffentlichkeit. Wir schlugen dann vor, diese Vorschläge zu harmonisieren und unter dem Namen Regierung des öffentlichen Vertrauens formell zu präsentieren – als die Regierung von Miloš Vučević offiziell zusammenbrach. Dies war unser Vorschlag für die friedliche Etablierung einer legitimen künftigen Regierung, denn Vučićs Regime hat klar seine Legitimität verloren – was angesichts der landesweiten Proteste täglich sichtbar wird. Gleichzeitig fehlen die Voraussetzungen für die Abhaltung freier und fairer Wahlen, die eine Übergangsregierung schaffen soll – ähnlich wie in Nordmazedonien.

Deshalb haben wir das Mandat für diese Übergangsregierung klar definiert mit Zielen, die innerhalb von neun Monaten zu erreichen sind: die Erfüllung der Forderungen der Studierenden (die ihre Fakultäten seit über vier Monaten blockieren) und die Schaffung fairer Wahlbedingungen. Dazu zählen die Überarbeitung des Wählerverzeichnisses und die Wahl neuer Mitglieder des REM-Rats, damit dieses Gremium endlich unabhängig agieren kann. Dies sind auch Verpflichtungen aus der serbischen Reformagenda, die erfüllt werden müssen, um Mittel aus dem Wachstumsplan zu erhalten.

Für uns von ZLF ist besonders wichtig, dass der politische Druck auf den Bildungssektor beendet wird. Dazu gehören finanzielle und disziplinarische Maßnahmen gegen Lehrkräfte an Grund- und Sekundarschulen wegen Arbeitsniederlegungen und Streiks. Inzwischen haben ähnliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Universitätsprofessoren begonnen, die die Blockade der Studenten unterstützen. Wir wollen Gesetzesänderungen, um Schulen wieder mehr Autonomie bei der Wahl ihrer Schulleiter*innen zu geben – aktuell werden diese politisch vom Bildungsministerium ernannt und haben die Aufgabe, die Schulen zu disziplinieren.

Ich glaube, ein Teil der Öffentlichkeit reagierte sehr positiv auf unseren Vorschlag, aber die Studierenden – derzeit der wichtigste Teil der rebellischen Gesellschaft – begannen erst spät, diesen Vorschlag zu diskutieren. Daher wurde das Konzept einer Übergangs-Expert*innenregierung, das unserem weitgehend entspricht, zwar von einigen blockierten Universitäten unterstützt, jedoch nicht von zwei wichtigen Universitäten in Belgrad. So gelang es uns nicht, klaren, einheitlichen Druck auf die Regierung aufzubauen. Diese ignorierte uns erwartungsgemäß und bildete stattdessen eine noch schlechtere Regierung, die die Krise nicht lösen, sondern weiter gegen jede Form von Widerstand vorgehen wird.

Die Opposition hat massive Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen im Dezember 2023 kritisiert, ebenso wie der ODIHR-Bericht. Welche Hebel haben Zivilgesellschaft und Opposition in Serbien, um wiederkehrende Manipulationen zu bekämpfen?

Radomir Lazović: Leider ist das Thema fairer und freier Wahlen in Serbien wie der Film Und täglich grüßt das Murmeltier – es ist seit mindestens sieben Jahren ein zentrales politisches Thema, seitdem Serbien in Demokratie-Indizes als hybrides Regime oder Wahlautokratie eingestuft wird. Wir haben alle Register gezogen: Proteste, Forderungen, Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen der Zivilgesellschaft zur Überprüfung des Wählerverzeichnisses (die durch Regierungstricks sabotiert wurden), Wahlboykotte auf allen Ebenen 2020, den interparteilichen Dialog mit EU-Parlamentsvermittlerinnen 2021, der fast keine Ergebnisse brachte, Teilnahme an den Wahlen 2022, worauf massive Aggressionen gegen die Opposition im Parlament folgten und grundlegende Verfahren nicht eingehalten wurden.

Bei den Wahlen 2023 wurde dann – dank der Wahlbeobachtungs-NGO CRTA – eine neue Form der Manipulation aufgedeckt: die gezielte Migration von Wähler*innen, um die Wahlen zum Stadtparlament von Belgrad zu stehlen. Menschen aus Städten ohne Lokalwahlen wurden in Belgrad registriert, um für das Regime zu stimmen, und danach wieder an ihren ursprünglichen Wohnsitz zurückgeschickt.

Danach wurde zwar eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Wählerverzeichnisses gebildet, mit Vertreter*innen von Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft, aber die Regierung sabotierte deren Arbeit so massiv, dass sich sowohl die Opposition als auch die Zivilgesellschaft zurückzogen. Der einzige Weg, den wir noch nicht gegangen sind, ist die Bildung einer Übergangsregierung mit dem klaren Mandat, faire Wahlbedingungen zu schaffen – deshalb schlagen wir ihn jetzt vor.

Das Vučić-Regime pflegt enge Beziehungen zu Russland und China, verfolgt offiziell aber den EU-Beitritt. Wie bewerten Sie diesen Spagat, und welche Rolle spielt die Opposition?

Radomir Lazović: Die Außenpolitik des Vučić-Regimes wird oft als „Balanceakt“ beschrieben, aber im Kern geht es darum, öffentliche Güter und strategische Ressourcen Serbiens zu nutzen, um große Weltmächte zu besänftigen – während auf dem Papier EU-Integration angestrebt wird. So wurden etwa die Ölraffinerie an Russland, Kupfer- und Goldvorkommen an China verkauft; gleichzeitig gibt es über Mittelsmänner Waffenhandel mit der Ukraine und Israel, Versprechungen von Lithium an die EU, sowie den Kauf von Rafale-Kampfjets aus Frankreich.Im Gegenzug erlauben diese Großmächte Vučić ungehindertes Handeln im Inland – was zur systematischen Zerschlagung demokratischer Institutionen geführt hat.

Wir haben die internationale Gemeinschaft wiederholt aufgefordert, kritisch zu prüfen, ob dieses Vorgehen überhaupt greifbare Ergebnisse gebracht hat. Hat Vučić etwas geliefert? Zu Kosovo – nein. Die wichtigsten Abkommen sind weitgehend nicht umgesetzt. Zu den regionalen Beziehungen – nein. Diese werden durch Serbiens Einmischung in Nachbarländer destabilisiert. Zur EU-Integration – nein. Der Beitrittsprozess liegt praktisch brach. Sanktionen gegen Russland – nein. Gute Regierungsführung – auch nicht. Seine Herrschaft ist geprägt von ständiger Instabilität, Dauerkrise und Wahlbetrug, was das Land zunehmend unregierbar macht. Die Aufnahme von Krediten aus China, ohne politische Auflagen, hat Serbien zusätzlich verschuldet, ohne strukturelle Probleme zu lösen.

Ich glaube, das Zeitalter der „ Stabilitokratie“ ist vorbei. Vučićs Fähigkeit, irgendjemandem etwas zu liefern, nimmt rapide ab – ihm fehlt sowohl die interne als auch die externe Stabilität und ein starkes Mandat für entschlossenes Handeln. Im Gegensatz dazu repräsentiert die Grün-Linke Front eine neue Generation von Führungskräften, die bereit sind, die internationalen Herausforderungen direkt anzugehen und sich auf die Wiederbelebung des serbischen EU-Beitrittsprozesses, seinen Abschluss und die Sicherung des Platzes des Landes in der Europäischen Union zu konzentrieren.

Welche Rolle sehen Sie für Serbien in der derzeit fragilen Weltordnung? Die serbische Regierung und ihre mediennahen Verbündeten feierten Trumps Wahlsieg – wie passt das zur proklamierten EU-Orientierung?

Biljana Đorđević: Das serbische Regime freut sich, wenn gleichgesinnte Regierungen entstehen – also solche, die Verfassungsprinzipien, Rechtsstaatlichkeit, demokratische Werte und Freiheiten missachten. Autokraten und rechte Führer weltweit haben gelernt, effektiv zusammenzuarbeiten, ihre Strategien zu koordinieren und einander zu unterstützen. Diese Koordinierung ermöglicht es ihnen, ihre Agenda mit erstaunlicher Effizienz voranzutreiben, oft auf Kosten der Demokratie. Demokratische Kräfte und Progressive dagegen tun sich schwer, ähnliche Bündnisse und Zusammenarbeit aufzubauen.

Autokraten und rechte Führer weltweit haben gelernt, effektiv zusammenzuarbeiten, ihre Strategien zu koordinieren und einander zu unterstützen. 

Wir können viel von ihren Methoden lernen – nicht um undemokratische Praktiken zu übernehmen, sondern um zu erkennen, wie strategische Kooperation auch demokratische Werte und Institutionen stärken kann. Serbien spielt regional im Westbalkan eine wichtige Rolle, wo sein Einfluss und seine wirtschaftlichen Interessen am stärksten ausgeprägt sind, während seine Rolle in Europa von einem vernetzten, aber marginalen Engagement geprägt ist. In der fragilen globalen Ordnung verfügt Serbien nur über begrenzte Macht. Wie alle kleinen Nationen liegt das Hauptinteresse Serbiens an globalen Angelegenheiten in der Achtung des Völkerrechts und der aktiven Teilnahme an einer stärkeren, reformierten und effektiveren UNO. Im Gegensatz zu Großmächten sind kleine Nationen für ihren Schutz und ihre Stabilität in hohem Maße auf das Völkerrecht angewiesen.

Auf regionaler Ebene würde die Grün-Linke Front dem Aufbau starker und dauerhafter Beziehungen zu den Nachbarländern Priorität einräumen und die Europäische Union als natürlichsten Partner Serbiens anerkennen. In der EU können wir leichter die Werte und die Lebensweise finden, für die die Grün-Linke Front einsteht, sie bieten sowohl ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell als auch einen politischen Schutzschild gegen globale Unsicherheiten. Diese Ausrichtung ist von zentraler Bedeutung für unsere Vision, Serbiens zukünftige Stabilität, Wohlstand und Integration in einen sichereren und kooperativen regionalen Rahmen zu gewährleisten.

Wie bewerten Sie den Protest vom 15. März in Belgrad und den zunehmenden Missbrauch staatlicher Strukturen zur Machterhaltung?

Radomir Lazović: Der Protest am 15. März war historisch, denn laut konservativen Schätzungen nahmen über 300.000 Menschen teil – fast dreimal so viele wie bei den Protesten gegen Wahlbetrug am 5. Oktober 2000, die zum Sturz von Milošević führten. Dies geschah trotz massiver Behinderungen durch das Regime: Zug- und Buslinien wurden eingestellt, städtischer Verkehr in Belgrad lahmgelegt, um Menschen an der Anreise zu hindern. Darüber hinaus organisierten sie eine Gegenkundgebung, indem sie im Pionirski-Park (zwischen dem Präsidentenpalast und der Nationalversammlung, wo der Studentenprotest geplant war) eine Schlägerfestung errichteten, um gewalttätige Zwischenfälle als Vorwand für ein brutales Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten zu provozieren - eine Taktik, die die Demonstranten sofort durchschauten.

Da der Protest friedlich und enorm groß blieb, war der schockierendste Akt gegen die Demonstrierenden der Einsatz einer nicht identifizierten Schallwaffe während einer Schweigeminute für die Opfer des eingestürzten Bahnhofsvordachs in Novi Sad. Dies führte zu Panik, einer Massenflucht und Körperverletzungen. Ein derartiger Einsatz wäre ohne das Wissen eines Regimeangehörigen nicht möglich gewesen, unabhängig davon, ob es sich um Staatsbeamte oder kriminelle parapolizeiliche Formationen handelte. Mehr als 3.000 Menschen haben über diesen Vorfall ausgesagt, und Organisationen der Zivilgesellschaft haben die Vereinten Nationen und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verständigt. Außerdem wurde eine Strafanzeige wegen Terrorismus gegen Unbekannt eingereicht.

Unabhängige Medien und NGOs stehen unter zunehmendem Druck. Wie bewerten Sie die Eskalation der Angriffe und welche Einflussmöglichkeiten bestehen noch? Wie können internationale Partner unterstützen?

Biljana Đorđević: Ende Februar startete das Regime einen besonders brutalen Angriff auf die Zivilgesellschaft: Kriminalpolizisten durchsuchten die Räume prominenter zivilgesellschaftlicher Organisationen und behaupteten, dies geschehe auf Ersuchen der USA im Rahmen einer Untersuchung zu USAID-Geldflüsse – wobei die Hauptempfänger dieser Mittel ironischerweise die Regierung selbst, das Parlament und der Oberste Gerichtshof waren.

In Wahrheit war dies ein Racheakt gegen Organisationen, die seit Jahren die Machenschaften und Gesetzesverstöße des Regimes aufdecken – etwa Građanske inicijative (Bürgerinitiativen), die den illegalen Wahlprozess des REM-Rats (Regulatory Body for Electronic Media) dokumentierten, oder CRTA (Center for Research, Transparency and Accountability), die Wahlbetrug bei den Dezemberwahlen belegten und den Mechanismus der Wählermigration offenlegten.

Zwar reagierten internationale Partner schnell, aber solche Angriffe belasten die Organisationen stark – auch wenn sie sich nicht von ihrer Arbeit abhalten lassen. Leider hat das Regime jahrelang gegen NGOs Stimmung gemacht, sodass viele Bürger*innen glauben, sie seien „ausländische Söldner“ ohne nationales Interesse – diese Angriffe sollen ihre Legitimität zerstören.

Gleichzeitig gründet das Regime GONGOs (regierungsorganisierte NGOs) und sogar Schein-Vereine, die den Anschein pluralistischer Zivilgesellschaft erwecken, dabei aber öffentliche Gelder abgreifen – etwa für Schulungen gegen Peergewalt, Familienbetreuung oder Gleichstellung. Diese Phantom-Organisationen hätten diese Mittel nicht nur nicht erhalten dürfen, sondern haben auch nie die Leistungen erbracht, für die sie bezahlt wurden.

Die Studierendenbewegung distanziert sich von der Opposition. Welche Strategien verfolgen Sie und Ihre Partei, um politische Polarisierung zu überwinden und das System langfristig zu reformieren?

Radomir Lazović: Dass sich Studierende von der Opposition distanzieren, ist nachvollziehbar. Sie haben eine autonome Bewegung aufgebaut – besonders durch die Besetzungen von Universitäten und Fakultäten, wo Parteipolitik nicht erlaubt ist, was völlig angemessen ist. Problematisch ist allerdings, dass viele Studierende – wie auch große Teile der Gesellschaft – der Propaganda des Regimes zum Opfer gefallen sind, die behauptet: „Die sind doch alle gleich, politische Beteiligung sei grundsätzlich negativ, und die Opposition sei für genauso verantwortlich für die Misere, die institutionelle Misswirtschaft, wie das Regime, das seit 13 Jahren an der Macht ist.

Der zweite, eher politische Grund für diese Distanzierung ist, dass die Studentenbewegung ideologisch vielfältig ist und die Distanz zu den Oppositionsparteien es ihnen ermöglicht, ihre Einheit mit einem Minimum an Forderungen zu wahren. Es hilft ihnen auch, Unterstützung von verschiedenen Teilen der Gesellschaft zu erhalten, die sie aus verschiedenen Gründen unterstützen - und zwar eher, weil sie jung sind, im Wesentlichen „unsere Kinder, als politisch definierte Aktivisten, die bereits für ihren Kampf und klar artikulierte Positionen zu polarisierenden Themen bekannt sind.

Unsere Strategie ist es, mit allen zusammenzuarbeiten, wo es Schnittmengen gibt – und dort unabhängig unsere Positionen zu vertreten, wo wir abweichen.

Kurzfristig funktioniert das gut für Mobilisierung. Langfristig führt jedoch kein Weg an der Politik vorbei. Der landesweite Aufstand in Serbien ist politisch – und braucht politische Lösungen. Parteien und Organisationen sind dafür da, verschiedene Gesellschaftsentwürfe zu vertreten und in demokratischem Wettbewerb um Zustimmung zu werben. Wenn sie selbst demokratisch sind, tragen sie auch zur Demokratieerhaltung in der Gesellschaft bei.

Unsere Strategie ist es, mit allen zusammenzuarbeiten, wo es Schnittmengen gibt – und dort unabhängig unsere Positionen zu vertreten, wo wir abweichen. Wir versuchen, auch Minderheiten eine Stimme zu geben – ob unterdrückt oder einfach progressiver. Viele Ideen, die wir vor sieben Jahren eingebracht haben – etwa die Stärkung lokaler Gemeinschaften – fanden damals kaum Anklang. Heute stoßen lokale Versammlungen auf mehr Resonanz, wenn sie von Studierenden kommen, die sie in ihren Fakultäten basisdemokratisch über Plena organisieren.


Die deutsche Version ist lektorierte KI-Übersetzung des englischen Originalbeitrags.