In El Salvador hat Präsident Nayib Bukele ein Jahr nach seiner verfassungswidrigen Wiederwahl und im dritten Jahr des Ausnahmezustandes binnen drei Wochen ein Gesetz über „ausländische Agenten" durchgedrückt. Die Folgen für die salvadorianische Zivilgesellschaft und die internationale Entwicklungszusammenarbeit sind hart.

Das Gesetz über "ausländische Agenten" schließt die letzten Räume demokratischer Partizipation in El Salvador, da es potenziell jede Form der Kritik an der Regierung besteuert und mit hohen Strafen versieht. Begleitet war die Verabschiedung des Gesetzes mit einer Welle von Verhaftungen, die bereits mehr als 80 Personen – davon die Hälfte Journalist*innen – ins Exil getrieben hat.
Das kleine zentralamerikanische Land bekam im Mai plötzlich Aufmerksamkeit der internationalen Medien durch den „Gefängnisdeal“ des US-Präsidenten Trump mit Bukele, mit rechtswidriger Ausweisung hunderter vermeintlich Mitglieder des berüchtigten „Tren de Aragua“ aus den USA in das CECOT Gefängnis. Dabei passt das neue Agentengesetz in die weltweite Entwicklung zur Kontrolle, Unterdrückung und Stummschaltung der Zivilgesellschaft. Ähnliche Gesetze gibt es in Russland, Georgien und Nicaragua, die Kontrollpraktiken werden mittels transnationaler Lernprozesse verfeinert.
Dasselbe geschieht gerade in El Salvador: das Gesetz verlangt unter anderem 30 Prozent Steuer auf alle Überweisungen aus dem Ausland und weitere 30 Prozent auf Überweisungen an Dritte innerhalb des Landes. Alle nationalen wie internationalen Organisationen, die in El Salvador registriert sind und Gelder aus dem Ausland erhalten müssen sich bei einer eigens dafür eingerichteten Behörde registrieren und laufen Gefahr, eine neue Steuer von 30 Prozent zahlen zu müssen. Die Regierung Bukele begründet die Notwendigkeit dieses Gesetz mit Transparenz der ausländischen Gelder und Schutz der nationalen Souveränität.
Das neue Agentengesetz passt in die weltweite Entwicklung zur Kontrolle, Unterdrückung und Stummschaltung der Zivilgesellschaft.
Allein seit Mai haben 70 Personen das Land verlassen, darunter 40 Journalist*innen, bei steigenden Zahlen. Gleichzeitig hat eine politische Verfolgungs-und Verhaftungswelle von Anwält*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen begonnen, trotz internationale Proteste.
Die Politik der harten Hand geht auf Kosten rechtsstaatlicher Grundsätze
Nayib Bukele erreichte weltweite Bekanntheit als Bitcoin- und selbsterklärter Hipster-Präsident mit enormer Präsenz in den sozialen Medien sowie auch als der Präsident, der in El Salvador den Terror der gewalttätigen Gangs beendete. Jahrzehntelang hatten rivalisierende Banden, die ganze Stadtviertel und Landesteile kontrollierten, gemordet, vergewaltigt und Schutzgelder erpresst. Die brutale Ästhetik der Bilder zusammengepferchter kahlrasierter tätowierter Häftlinge erregten weltweite Aufmerksamkeit. Seine hohe Popularität in der salvadorianischen Gesellschaft verdankt Bukele in erster Linie der Beendigung des Bandenterrors. Trotz der nach wie vor hohen Popularität des Präsidenten, zeichnet sich erste Kritik ab. Armut, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und die hohen Preise dominieren die Sorge der Bevölkerung. Die Regierungspartei Nuevas Ideas besitzt nur noch eine Zustimmungsrate von knapp 30 Prozent. Marode Straßen werden nicht repariert, angekündigte Schulen sind bis heute nicht gebaut worden (siehe auch die Fotogalerie „Así lucen las fantasías de Bukele“).
Auch international wird Bukele zunehmend kritisiert, etwa aufgrund des Gefängnisdeals mit Donald Trump, in den internationalen Medien wird Bukele inzwischen nicht mehr als „dictador cool“, sondern als „dictador cruel“ dargestellt, die Kritik am Ersatz des Banden- durch den Staatsterror erreichte auch konservative Medien wie das Wall Street Journal, den Economist oder die NZZ.
Wie die gewalttätigen Gangs Bukeles politischen Aufstieg förderten
Bereits seit Längeren ist durch die Recherchen des investigativen Journalismus bekannt, dass Bukele, wie andere Präsidenten vor ihm, seine politische Karriere den Deals mit den Gangs verdankt: Getauscht wurden Strafmilderung und bessere Haftbedingungen gegen Wahlkampfhilfe. El Faro brachte erstmals führende Gang-Mitglieder vor die Kamera, die von weitreichenden Deals, bei denen Hunderttausende von US-Dollars flossen, zwischen den Gangs und der Bukele-Regierung erzählten. Das Interview beweist, das Bukeles Macht auf der Kooperation mit den Gangs fußt, z.B. durch Wahlkampfhilfe mittels brutaler territorialer Kontrolle. Die Verhandlungen zwischen Regierungsvermittlern und den Banden fanden u.a. in El Salvadors neuem Hochsicherheitsgefängnis statt. Bandenführer wurden auf freien Fuß gesetzt oder gar zur Flucht verholfen. Zusätzlich veröffentlichte eine Reportage von Propublica, dass Gelder der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID, die für die salvadorianische Regierung bestimmt waren, an die Gang MS-13 weitergeleitet worden seien und hochrangige Mitglieder der Regierung die Auslieferung von Gang-Anführern an die USA behinderten.
Vor diesem Hintergrund erscheint auch der Auslieferungs-Deal mit US-Präsident Donald Trump im März 2025 in einem anderen Licht. Bukele erhielt sechs Millionen US-Dollar für die angebotene „Gefängnis-Service-Dienstleistung“ (Interview mit dem salvadorianischen Vizepräsidenten Felix Ulloa) von deportierten, angeblich schwerkriminellen Migranten. Teil des Deals war auch der Wunsch Bukeles, Bandenmitglieder, denen in den USA der Prozess gemacht werden sollte, nach El Salvador auszuliefern. Mit dem klaren Ziel, zu verhindern, dass diese im Kontext der Prozesse über die schmutzigen Deals aussagen.
Bukele ließ in den letzten drei Jahren neben anderen das größte Gefängnis Lateinamerikas (Centro de Confinamiento del Terrorismo -CECOT) bauen, mit einer Kapazität von 40.000 Inhaftierten und 80 Inhaftierten pro Zelle. Zahlreiche Berichte von Journalist*innen und Menschenrechtsorganisationen erzählen über die Verhaftungen und Zustände in den Gefängnissen: viele Familien wissen nicht, wo ihre Angehörigen sind, es gibt Berichte über sexuelle Gewalt und systematische Folter durch das Gefängnispersonal, grassierende Krankheiten, Verweigerung medizinischer Versorgung (darunter auch Leistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit) und circa 400 Personen sollen seit Beginn des Ausnahmezustands im März 2022 nicht mehr am Leben sein. Circa ein Drittel der seit März 2022 Inhaftierten, sollen ohne Gang-Verbindungen oder Vorstrafen sein und wurden willkürlich verhaftet.
Politische Gefangene leben im rechtsfreien Raum
Die jetzige Verhaftungswelle im Zusammenhang mit dem Agentengesetz und der sinkenden Popularität Bukeles betrifft auch das enge Partnerumfeld der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und der Heinrich-Böll-Stiftung. Im Mai wurden die politischen Gefangenen Alejandro Henríquez, Ruth Lopez und Enrique Anaya in Gefängnisse geworfen, zu vielen weiteren Inhaftierten, die sich für Menschenrechte, freien Zugang zu Justiz und gegen Korruption eingesetzt haben. Die Fälle werden von Amnesty International und Human Rights Watch als politisch motiviert eingestuft und mit internationaler Lobbyarbeit begleitet.
Ruth Lopez ist angesehene Anwältin und Leiterin der Abteilung für Korruptionsbekämpfung und Justiz bei Cristosal, eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen des Landes. Zuletzt leitete sie mehr als 15 Untersuchungen zur Korruption innerhalb der Bukele-Regierung und beschäftigte sich mit der Verhaftung unschuldiger Menschen im Rahmen des Ausnahmezustands. Ihr Fall wurde als „reserva total“, sprich komplette Geheimhaltung eingestuft. Alejandro Henríquez ist Alumni des Sur-Place Stipendien-Programms der Heinrich-Böll-Stiftung und vertrat als Anwalt eine Gemeinde von 300 Familien vor drohender Vertreibung. Erstmals seit über 30 Jahren griff bei dem friedlichen Protest der Familien die Militärpolizei ein. Nun sitzt Alejandro im berüchtigten Foltergefängnis Mariona und wurde im Schnellverfahren zu sechs Monaten Untersuchungshaft verurteilt.
Das "ausländische Agentengesetz" bereitet den weiteren Weg El Salvadors hin zu einer Diktatur nach dem Muster Nicaraguas.
Motiv für die Verhaftung der Anwälte Ruth Lopez als auch Alejandro Henríquez könnte ihre Begleitung der Proteste gegen das kurz vor Weihnachten 2024 erlassene Metallbergbaugesetz sein. Soziale und Umweltorganisationen sowie die Kirchen hatten zum Protest aufgerufen – sie sind besorgt, dass sich durch das Metallbergbaugesetz die Wasserqualität verschlechtern könnte und machen sich für den Schutz ihrer Territorien, der Biodiversität und des Ökosystems im artenreichen El Salvador stark. Die monatelangen Proteste haben Bukeles Image für mögliche Investoren geschadet.
Die salvadorianische Journalist*innenvereinigung (APES) veröffentlichte erst vor wenigen Tagen, dass weitere Haftbefehle gegen Journalist*innen der renommierten Tageszeitung El Faro vorliegen und dass es Hinweise auf Festnahmen bei Einreisen am Flughafen gäbe. Regimekritiker*innen wurden im Mai und Juni wochenlang durch Polizeipatrouillen vor ihren Privatwohnungen eingeschüchtert, die erhöhte Militärpräsenz in verschiedenen Landesteilen und der Einsatz von Fahrzeugen ohne Nummernschilder bei Polizeieinsätzen tragen zu einem allgemeinen Klima der Angst bei.
Das "Ausländische Agentengesetz" folgt dem Muster Nicaragua
Das ausländische Agentengesetz wurde am 20. Mai 2025 von dem faktisch Ein-Parteien-Parlament Bukeles vor dem Hintergrund wachsender Proteste und kritischer Berichte über seine Regierungsführung verabschiedet. Noch in 2021 wurde ein ähnlicher Gesetzesentwurf mit internationalem Druck erfolgreich verhindert. In 2025 fehlt internationale Einigkeit für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit auch durch den zur Schau gestellten Rückhalt Bukeles durch US-Präsident Trump. Das salvadorianische ausländische Agentengesetz bereitet den weiteren Weg El Salvadors hin zu einer Diktatur nach dem Muster Nicaraguas. Diese Entwicklung in El Salvador braucht dringend mehr Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. In den Geberländern internationaler Entwicklungshilfe sollten die Türen offen stehen für die zahlreichen nun exilierten Familien und Aktivist*innen aufgrund ihres Einsatzes für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Menschenrechte.