Gesundheit: Feiner Staub, großer Schaden

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Jährliche Krankheitsfolgen durch Kohlekraftwerke in der EU, Stand 2009 - Ausschnitt aus der Grafik "Verkürztes Leben" (s.u.)

Mehr als 18.000 Menschen sterben jährlich in der EU an den Folgen der Luftverschmutzung durch Kohleförderung und -kraftwerke. Feinstaub und Schwermetalle können für Menschen lebensbedrohlich sein. Ein Kapitel aus dem Kohleatlas.

Die Förderung und Nutzung von Kohle gefährdet die Gesundheit auf direkte und indirekte Weise. Insgesamt 53 Schadstoffe weist das Europäische Schadstoffregister aus, mit denen Kohlekraftwerke Luft, Wasser und Boden vergiften. Steinkohle setzt bei der Verbrennung mehr Schadstoffe frei als Braunkohle. Allerdings ist dreimal mehr Braunkohle nötig, um die gleiche Menge an Energie zu erzeugen. Darum gilt sie als die schmutzigere Kohle.

Schmutzige Luft ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eines der größten Gesundheitsrisiken. 2012 starben etwa 3,7 Millionen Menschen unter 60 Jahren an Krankheiten, die durch Luftverschmutzung verursacht werden können, schätzt die WHO. Die hohe Smog-Belastung in den Städten Asiens liegt vor allem am Verkehr und an der Kohleverfeuerung.

Die Schätzungen über die globale Zahl der Opfer weichen stark voneinander ab. Der australische Klimarat nennt weltweit 200.000 Tote als Folge der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke. Eine Untersuchung der Universität von Illinois nennt 250.000 Tote jährlich allein in China. Detaillierte Angaben für Europa kommen von der Health and Environment Alliance (HEAL). Sie ist ein Zusammenschluss von 65 europäischen Nichtregierungsorganisationen, die sich mit Umwelt und Gesundheit befassen. Danach gehen EU-weit jährlich 18.200 Todesfälle auf das Konto der Kohlekraft. 8.500 Menschen erkranken demnach an chronischer Bronchitis, weil sie den Schadstoffen von Kohlekraftwerken ausgesetzt sind. Werden Anlagen aus Kroatien, Serbien und der Türkei hinzugezählt, steigt die Zahl der Todesfälle in Europa auf über 23.000. Fast 43 Milliarden Euro kostet das die EU jährlich, rechnet HEAL vor. Die Kosten der Krankheiten sind hoch und müssten der Kohlenutzung in den Preisvergleichen verschiedener Energieträger angerechnet werden.

Wie sich die Schadstoffe über das Land verteilen, ist von der Höhe der Schornsteine bestimmt. Die Menge der Emissionen hängt von den Filteranlagen ab. Weil die Emissionen an der Quelle erfasst werden, sind die Einzelfalldaten bekannt, so etwa über das Kraftwerk Neurath im rheinischen Grevenbroich. 2012 hat das zweitgrößte Braunkohlekraftwerk Europas rund 31 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen, dazu 21.000 Tonnen Stickstoffoxide, 8.000 Tonnen Kohlenmonoxide und 6.000 Tonnen Schwefeldioxide. Neben 200 Tonnen Chlor- und Fluorverbindungen blies es außerdem 497 Kilogramm Quecksilber, 55 Kilogramm Arsen, rund eine Tonne Benzol und 423 Tonnen Feinstaub in die Luft. Insgesamt verschmutzen Europas Kohlekraftwerke die Luft mit 15,6 Tonnen Quecksilber und 51,8 Tonnen Blei jährlich.

Anhand der Emissionen lassen sich vorzeitige Todesfälle als verlorene Lebensjahre auf einzelne Kraftwerke umrechnen
Feinstaub wirkt sich in mehrfacher Hinsicht negativ auf den Organismus aus. Er kann zu chronischen Entzündungen der Lungen führen, die Lungenreflexe beeinträchtigen und die Lungenfunktionen vermindern. Das Gehirn wird mangelhaft durchblutet, das Blut gerinnt schneller und enthält weniger Sauerstoff. Zudem können sich Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen entwickeln. Es gibt keinen ­offiziellen Grenzwert, bis zu dem Feinstaub als ungefährlich gilt. Die winzigen Partikel überwinden Schutzmecha­nismen des Körpers, können durch das Lungengewebe in die Blutbahn gelangen und bis in kleinste Gefäßverzweigungen vordringen.

Besonders Kinder sind durch die emittierten Schwermetalle gefährdet. Werden ihre Lungen in jungen Jahren geschädigt, bleiben sie später schwach. Sind Kinder im Mutterleib erhöhten Konzentrationen an Blei oder Quecksilber ausgesetzt, steigt ihr Risiko, später eine kognitive Störung zu entwickeln, also an Denkleistung einzubüßen. Zudem können sie irreversible Organschäden davontragen.

43 Milliarden Euro Gesundheitskosten allein in der EU müssten eigentlich auf den Kohlepreis aufgeschlagen werden

Eine indirekte Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Kohlenutzung ist der Klimawandel. Die Umweltmedizin warnt vor Hitzestress in den betroffenen Regionen, aber auch vor der Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria oder das Denguefieber, die bisher nur in der südlichen Hemisphäre auftraten. Studien belegen, dass Kraftwerke mit einem besonders hohen Kohlendioxidausstoß auch besonders viele giftige Schadstoffe emittieren. Wird weniger CO2 freigesetzt, sinkt zusätzlich auch der Ausstoß etwa von Schwefeldioxid, Stickstoff und Feinstaub. Deshalb wirbt in den USA die American Lung Association für den Klimaschutzplan von Präsident Obama, der die Emissionen von Kraftwerksneubauten um etwa ein Drittel senken will. Würde das Vorhaben umgesetzt, könnten Tausende Todesfälle, ausgelöst etwa durch Asthma-Anfälle oder Herzinfarkte, verhindert werden.

Fast 30 Millionen Fälle in einem Jahr: So häufig haben EU-Bürgerinnen und -Bürger Lungenprobleme, an denen die Kohle schuld ist

Nicht nur die Verbrennung, auch die Förderung von Kohle birgt gesundheitliche Risiken. So sind die Anwohnerinnen und Anwohner von Braunkohletagebauen einer erheblichen Belastung durch Feinstaubemissionen ausgesetzt, die zu Atemwegserkrankungen oder Allergien führen können. In den Abraumhalden der Minen sammeln sich Schwermetalle und andere Gifte, die ins Grundwasser und in die Luft gelangen. Ein weiteres Problem stellt Radioaktivität dar: Braunkohle enthält natürlicherweise Uran, Thorium und Kalium-40. Nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) befinden sich in den jährlich 100 Millionen Tonnen Braunkohle und 460 Millionen Tonnen Abraum alleine der rheinischen Tagebaue 388 Tonnen Uran. Die radioaktiven Substanzen reichern sich im Feinstaub an und gelangen so in den menschlichen Körper – mit unkalkulierbaren Folgen für die Gesundheit.