Nach Trump-Schock: Deutschland und Europa müssen globale Kooperation neu denken

Analyse

Trumps Rückkehr ist ein Weckruf. Deutschland und Europa müssen eine neue Ära der globalen Zusammenarbeit anführen - auf der Grundlage von Fairness, gemeinsamen Interessen und langfristigen Partnerschaften mit dem Globalen Süden.

Zwei dicke, miteinander verknotete Seile – eines rot, eines blau – vor dunklem Hintergrund, mit sichtbaren Wassertropfen

Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus erschüttert die Welt. Mit beispielloser Rücksichtslosigkeit zerstört er das über Jahrzehnte gewobene Geflecht internationaler Zusammenarbeit und des Völkerrechts. Die „soft power“ der USA wird zugunsten eines Machtanspruchs geopfert, der auf Furcht statt Respekt setzt. Doch Furcht kann keine dauerhaften Partnerschaften schaffen. Nur gegenseitiger Respekt und geteilte Interessen bilden die Grundlage für stabile globale Beziehungen.

Europa, und insbesondere Deutschland, steht damit vor einer historisch neuen Herausforderung. Im Osten greift ein autoritärer Herrscher Europa an, während im Westen ein einstiger Verbündeter zum unberechenbaren Gegner mutiert. Angesichts dieser doppelten Krise muss Deutschland die Initiative ergreifen und die Beziehungen zum globalen Süden auf ein neues Fundament stellen.

Eine neue Partnerschaft mit den Staaten des globalen Südens setzt voraus, dass Europa seine „koloniale Überlegenheitshaltung, die sich in einer Art herablassender Wohltätigkeit und Altruismus äußert“, überwindet, wie es Carlos Lopes, der ehemalige Generalsekretär der UN-Wirtschaftskommission für Afrika, formuliert hat. Es geht nicht um Wohltaten oder moralische Überlegenheit, sondern um die klare Erkenntnis unserer tiefen Interdependenz: Das Wohlergehen Europas ist untrennbar mit dem des globalen Südens verknüpft. Die Klimakrise, der Schutz der Biodiversität, die Herausforderungen von Migration und humanitären Krisen und auch die Überwindung von Europas und Afrikas demographischen Herausforderungen können nur gemeinsam bewältigt werden. Europas Zukunft und Sicherheit entscheidet sich auch an dieser Frage.

Die Partnerschaft auf Augenhöhe muss aus drei eng miteinander verflochtenen Strängen bestehen:

1. Wirtschaftliche Zusammenarbeit für die Transformation zur Nachhaltigkeit

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem globalen Süden muss weit über herkömmliche Freihandelsverträge hinausgehen. Sie sollte auf eine gerechte und nachhaltige Transformation abzielen, die sowohl den Partnerländern als auch Europa zugutekommt. Diese erfordert Investitionen in moderne, klimafreundliche Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Partnerländern durch die Förderung lokaler Wertschöpfung. Der Zugang zu Rohstoffen, die für die Energiewende und Digitalisierung essentiell sind, muss auf fairen und nachhaltigen Partnerschaften basieren, die Umweltzerstörung und Ausbeutung verhindern. Mit dem Stichwort der “Clean Trade and Investment Partnerships” hat Ursula von der Leyen hier einen Anspruch formuliert, der nun ausgefüllt werden muss. 

Gleichzeitig ist der Schutz globaler natürlicher öffentlicher Güter wie Klima und Biodiversität integraler Bestandteil  nachhaltigen Wirtschaftens. Auch Arbeitsmigration kann für die Entwicklung eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Wissenstransfer, wirtschaftliche Dynamik und kulturellen Austausch fördert. Deutschland und Europa müssen legale Migrationswege schaffen und wirtschaftliche Partnerschaften eingehen, ohne dabei die wirtschaftliche Entwicklung der Herkunftsländer zu schwächen.

2. Konfliktprävention, humanitäre Hilfe und eine völkerrechtsbasierte Ordnung

Frieden und Stabilität sind Grundvoraussetzungen für nachhaltige Entwicklung. Deutschland und Europa müssen ihre Anstrengungen in der Konfliktprävention intensivieren, etwa durch diplomatische Initiativen, Unterstützung regionaler Friedensprozesse oder den Aufbau resilienter Institutionen in fragilen Staaten. Humanitäre Hilfe bleibt ein zentraler Baustein, um akute Krisen zu lindern. Sie muss Rechtsstaatlichkeit fördern und Staaten in die Lage versetzen, öffentliche Leistungen für das Gemeinwohl zu erbringen.Dazu gehört die glaubwürdige Unterstützung einer internationalen Ordnung, die auf Völkerrecht und multilateralen Institutionen basiert. Gerade in einer Zeit, in der autoritäre Akteure das Völkerrecht herausfordern, muss Europa Doppelstandards vermeiden. Dies erfordert nicht nur rhetorische Bekenntnisse, sondern konkrete Maßnahmen, etwa durch die Stärkung der internationalen Gerichtshöfe in Den Haag, oder die ambitionierte Umsetzung der nationalen Beiträge zum Pariser Klimaabkommen.

3. Zivilgesellschaft, Demokratieförderung und Gendergerechtigkeit

Eine starke Zivilgesellschaft ist das Rückgrat demokratischer und resilienter Gesellschaften. Deutschland und Europa müssen Programme ausbauen, die unabhängige zivilgesellschaftliche Akteure unterstützen. Demokratieförderung bedeutet dabei nicht, westliche Modelle zu exportieren, sondern lokale Akteure zu stärken, die ihre eigenen Visionen von guter Regierungsführung und gesellschaftlicher Beteiligung entwickeln. Geschlechtergerechtigkeit ist hierbei ein zentraler Hebel: Die Förderung von Frauenrechten und die stärkere Beteiligung von Frauen und LGBTIQ+ an politischen und wirtschaftlichen Prozessen sind nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit und der Demokratie, sondern auch ein Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung. Gleichzeitig müssen wir in leistungsfähige Staatlichkeit investieren, die transparente und inklusive Institutionen schafft. Dies umfasst den Aufbau von Bildungs- und Gesundheitssystemen, die allen Bürger*innen zugutekommen, sowie die Bekämpfung von Korruption und Stärkung von Rechenschaftspflicht, um das Vertrauen in staatliche Strukturen zu stärken.

Deutschland verfügt über eine vielfältige und leistungsfähige Institutionenlandschaft, von staatlichen Entwicklungsorganisationen bis hin zu zivilgesellschaftlichen Akteuren. Doch solche Kräfte müssen auch europäisch gebündelt werden, um im neuen Zeitalter der Geopolitik schlagkräftiger zu werden. Europas Vielstimmigkeit ist oft auch eine Belastung für seine Partner. Es braucht jetzt einen klaren Fahrplan für die europäische Integration der globalen Zusammenarbeit auf zwischenstaatlicher Ebene. Nur so kann Europa mit einer Stimme sprechen und seine Ressourcen effektiv einsetzen.

Finanziell bleiben Bekenntnisse zu internationalen Verpflichtungen die unverrückbaren Leitplanken der Zusammenarbeit. Die 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für offizielle Entwicklungszusammenarbeit (ODA), ein gerechter Anteil an der globalen Klima- und Biodiversitätsfinanzierung einschließlich der Umsetzung des in Baku beschlossenen globalen Klimafinanzierungsziels sind Mindestanforderungen für ein reiches Land wie Deutschland. Es wäre ein Skandal, wenn die Bundesrepublik sich für Infrastruktur und Verteidigung in großem Stil neu verschuldet, während die internationale Zusammenarbeit zusammengestrichen wird. Diese Kürzungen würden nicht nur Deutschlands Glaubwürdigkeit untergraben, sondern letztlich unsere eigene Sicherheit und Prosperität, die vom Vertrauen in globale Zusammenarbeit und Stabilität abhängen.

Europa kann und muss es anders machen. Deutschland hat nun die Chance, in und mit Europa eine Führungsrolle bei der Gestaltung und Verteidigung einer prinzipiengeleiteten globalen Zusammenarbeit zu übernehmen, in der Völkerrecht, Nachhaltigkeit und Respekt die Basis für vertrauensvolle Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen bilden. 


Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei Africa.Table. 

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