Die Verbindung von akademischem und dem traditionellem Wissen der indigenen und lokalen Gemeinschaften in Amazonien ist Grundlage für die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes. Diese Initiativen widersetzen sich dem Vormarsch der Agrarindustrie.

Agrarökologie ist eine Wissenschaft, die ökologische Prinzipien und Methoden nutzt, um nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme zu entwickeln. In den letzten Jahren haben sich die Ansätze gewandelt: Die Debatte zeigte, dass es nicht genügt, Inseln zu schaffen, die erfolgreiche Beispiele für eine agrarökologische Lebensmittelerzeugung darstellen. Stattdessen müssen agrarökologische Ansätze systemische Fragen und Themen wie Landkonzentration, Verarbeitung, Märkte, Arbeits- und Geschlechterverhältnisse, Konsum und Abfallerzeugung ganzheitlich in den Blick nehmen.
Das Amazonasgebiet ist bekannt für die Biodiversität seiner Ökosysteme und die Vielfalt der dort lebenden Völker und Gemeinschaften. Hier verschmilzt wissenschaftliche Forschung über Agrarökologie mit traditionellem Wissen, das historisch aus der engen Mensch-Natur-Beziehung entstanden ist. Für ein umfassendes Verständnis der agrarökologischen Ansätze im Amazonasgebiet ist eine Analyse erforderlich, die den Besiedlungsprozess, die komplexen Beziehungen zwischen Organisationen, Institutionen und den Amazonasvölkern sowie die Herausforderungen für die angewandten Praktiken der Waldbewirtschaftung einschließt.
Der notwendige agrarökologische Wandel muss dieses überlieferte Wissen einbeziehen, erweitern und aufwerten
Ein wesentlicher Teil des agrarökologischen Wissens stammt aus überlieferten Praktiken der Bewirtschaftung und Gestaltung von Agrarökosystemen, die bereits vor Jahrtausenden von indigenen Völkern praktiziert wurden. Auch das Wissen afrikanischer Völker, die als Sklav*innen in den Amazonas gebracht wurden, ist Teil dieser überlieferten Produktions- und Ernährungssysteme: Agroforstsysteme, agrarökologische Hausgärten, die schwarze, fruchtbare Erde des Amazonasgebiets („terra preta“) und Kulturwälder sind Beispiele dieser traditionellen Produktions- und Ernährungssysteme. Ein wesentlicher Teil der Entwicklung agrarökologischer Ansätze in Amazonien ist eng mit diesen Praktiken verbunden. Der notwendige agrarökologische Wandel muss dieses überlieferte Wissen einbeziehen, erweitern und aufwerten. Dies ist das Wesen agrarökologischer Ansätze in den Wälder Amazoniens, wo kollektive Arbeitsformen wie „puxirum“ und „mutirões“ mit ihrem Verständnis von Reziprozität ein Vorbild für eine nachhaltige Landwirtschaft für die Mehrheit der Gesellschaft liefern.
In den letzten 50 Jahren, insbesondere während und nach der brasilianischen Militärdiktatur [1964-1985], wurde das Amazonasgebiet durch eine Vielzahl anthropogener Aktivitäten massiv verändert: Entwaldung, Waldbrände, Quecksilberbelastung der Gewässer und der Bevölkerung durch Bergbau, Ausweitung von Soja- und Ölpalmen-Monokulturen, der Bau von Wasserkraftwerken, Getreidehäfen und Straßen in Schutzgebieten sowie der intensive Einsatz von Pestiziden. Diese Prozesse haben die ökologische Verletzlichkeit der Region erhöht und werden durch die offensichtlichen Anzeichen des Klimawandels zusätzlich verschärft. Die Region verdeutlicht somit auf massive Weise die negativen Auswirkungen menschlichen Handelns und stellt die Nachhaltigkeit ihrer Agrar- und Ernährungssysteme vor existentielle Herausforderungen.
Familienbetriebe arbeiten daran, Teile ihrer Gebiete durch ökologische Praktiken zu regenerieren. Dies geschieht beispielsweise durch Agroforstsysteme bei denen einheimische Vegetation mit Nutzpflanzen kombiniert wird oder die Nutzung ursprünglich bewaldeter Flächen, die auch immer für längere Zeiträume brachliegen – die sogenannten capoeiras – um den Flächen Zeit für Regeneration zu ermöglichen und Sekundärvegetation wachsen zu lassen. Im Kern erweisen sich Diversifizierung der Produktion und die Reduzierung oder der Ersetzung industrieller Betriebsmittel als wirksamstes Mittel, um den Wandel hin zu agrarökologischen Ansätzen im Amazonasgebiet voranzutreiben.
Auch in politischer Hinsicht werden die Formen des Widerstands vielfältiger und reichen über die institutionelle Politik hinaus. Die soziale Gestaltung von Märkten auf der Grundlage kurzer Lieferketten hat sich zu einer wichtigen Alternative entwickelt, um die Landwirt*innen im Amazonasgebiet wirtschaftlich zu fördern. Dazu zählen lokale Märkte und die Umsetzung öffentlicher Beschaffungsprogramme wie das Lebensmittelbeschaffungsprogramm und das nationale Schulernährungsprogramm. Der Mehrwert, der durch kleine Agrarbetriebe erzielt wird, gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Diese werden oft von kleinbäuerlichen Kooperativen organisiert und konzentrieren sich zunehmend auf Produkte wie Açaí, Paranüsse und andere.
Frauen organisieren sich zunehmend in Verbänden, Kooperativen oder anderen Repräsentationsformen.
Frauen spielen eine zentrale Rolle bei agrarökologischen Aktivitäten im Amazonasgebiet. Dies gilt insbesondere für die agrarökologischen Hausgärten, die Erhaltung einheimischer Pflanzen- und Tierarten sowie die Verarbeitung von Produkten der Agro- und Soziobiodiversität, sprich die Verwobenheit von biologischer Vielfalt und menschlicher, insbesondere kultureller und sozialer Vielfalt. Um politischen Einfluss zu nehmen und die Kontinuität lokaler Produktionsmethoden zu sichern, organisieren sich Frauen zunehmend in Verbänden, Kooperativen oder anderen Repräsentationsformen. Durch diese Aktivitäten erweisen sich agrarökologische Ansätze als wirksamer Weg zur Stärkung der sozioökologischen Resilienz im gesamten Amazonasgebiet.
Dafür ist es unerlässlich, Netzwerke zu stärken, die soziale Akteure und technisches bzw. akademischen Wissen zusammenbringen. Diese Netzwerke setzen sich aus einer wachsenden Zahl von öffentlichen Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und Organisationen von Landwirt*innen, indigenen Völkern und traditionellen Gemeinschaften zusammen. Diese Akteure sollen im Rahmen transdisziplinärer Maßnahmen zusammenarbeiten und die agrarökologischen Ansätze aus einer territorialen Perspektive anwenden.
In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, politische Instrumente zur Förderung agrarökologischer Aktivitäten zu schaffen und zu stärken. Dies muss durch staatliche und regionale politische Maßnahmen geschehen, die sich auf agrarökologische Ansätze und die Soziobiodiversität konzentrieren. Ziel ist die Integration dieser Maßnahmen in die Nationale Politik für agrarökologische Ansätze und ökologischen Landbau.
Der Beitrag erschien zuerst in der portugiesischsprachigen Ausgabe des Amazonas Atlas
Hier gelangen Sie zur englischsprachigen Ausgabe des Atlas.