Brasilien positioniert sich als wichtiger Akteur für Multilateralimus und Völkerrecht in den globalen Krisen und geopolitischen Verwerfungen. Das weckt große Hoffnungen auf die COP30 im November unter brasilianischer Präsidentschaft – aber auch die Herausforderungen sind immens.

Nach drei Jahren Klimaverhandlungen in autoritären, repressiven Gastgeberstaaten sind die Erwartungen an die COP30 in Brasilien groß: Sie soll Fortschritte in den Verhandlungen erzielen, die internationale und brasilianische Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen einbinden und dem (Klima-)Multilateralismus neues Leben einhauchen. Gleichzeitig sind die globalen Bedingungen für effektive Klima-Diplomatie nicht leichter geworden: Die Ergebnisse der COP29 zur internationalen Klimafinanzierung waren enttäuschend, die USA steigen aus dem Pariser Klimaabkommen aus, Forderungen nach einer Reform der UNFCCC werden lauter und der Glaubwürdigkeitsverlust des globalen Nordens setzt sich fort.
COP30 wird die erste COP seit Beginn der Klimaverhandlungen sein, an der die USA – immer noch der Staat mit der größten historischen Verantwortung für die globalen Treibhausgasemissionen – nicht teilnehmen werden. Zwar tritt der US-Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen unter der Trump-Administration erst im Januar 2026 in Kraft, aber auch den Zwischenverhandlungen im Juni 2025 in Bonn blieben die USA bereits fern.
Die UNFCCC befindet sich in einer Finanzierungskrise, aber auch in einer Legitimationskrise: Viele Beobachter*innen, aber auch Vertragsstaaten und Zivilgesellschaft fordern eine Reform der UNFCCC, die sie effektiver macht, zivilgesellschaftliche Teilhabe verbessert und gleichzeitig den Einfluss der fossilen Industrie und des Privatsektors zurückdrängt.
Es wird vor allem zentral sein, einen Gegenpunkt zu den letzten drei Jahren COP in autoritären Kontexten zu setzen und zivilgesellschaftliche Beteiligung, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in und um die COP zu stärken. Diese war zuletzt auch innerhalb der UNFCCC immer stärker eingeschränkt worden – etwa mit Blick auf Proteste gegen die israelische Kriegsführung in Gaza, die internationale Menschenrechtsorganisationen und Holocaustforscher*innen als Genozid einordnen.
IGH-Gutachten: Klimagerechtigkeit wird zu Recht
Das im Juli erschienene Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur Verantwortung von Staaten im Umgang mit der Klimakrise ist wegweisend für die COP30 und weit darüber hinaus: Zum einen hat der IGH in seinem Gutachten deutlich gemacht, dass alle Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, das Klima zu schützen und eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt zu gewährleisten – unabhängig davon, ob sie Klimaabkommen unterzeichnet haben oder nicht (oder ausgetreten sind). Die Vertragsstaaten des Pariser Abkommens sind außerdem verpflichtet, ihre national festgelegten Klimaschutzpläne (nationally determined contributions, NDCs) so ambitioniert wie möglich zu gestalten, sodass diese in ihrem Zusammenwirken das Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen, die globale Erwärmung auf 1.5°C zu begrenzen. Der Zeitpunkt ist kritisch: Vor der COP30 sind alle Staaten aufgefordert, ihre neuen NDCs vorzulegen – unter anderem die von China und der EU werden noch erwartet. Gleichzeitig ist auch mit der neuen Runde von NDCs nicht davon auszugehen, dass die Ambitionslücke zu 1.5°C geschlossen wird. Viele Staaten des globalen Südens knüpfen die Ambition ihrer NDCs außerdem an die Bereitstellung von finanzieller Unterstützung durch den globalen Norden – und diese wird bislang in völlig unzureichendem Maße geleistet.
Gleichzeitig öffnet das Gutachten die Tür für die Themen Haftung und Reparationen – beides Themen, die bislang in den Klimaverhandlungen auf erheblichen Widerstand der größten Verursacher der Klimakrise gestoßen sind: Wenn Staaten ihrer völkerrechtlichen, klimabezogenen Verantwortung nicht nachkommen, können sie dafür individuell zur Rechenschaft gezogen und zu Wiedergutmachung gezwungen werden. Angesichts der enttäuschenden Verhandlungsergebnisse zum neuen Klimafinanzierungsziel und dem völlig unzureichend ausgestatteten UNFCCC-Fonds für Verluste und Schäden (FRLD) öffnen sich mit dem Gutachten neue Möglichkeiten, finanzielle Unterstützung für Verluste und Schäden gerichtlich zu erstreiten. Mit neuen Klimaklagen gegen Regierungen und Unternehmen kann also gerechnet werden.
Finanzierungsfragen weiterhin im Zentrum der Debatte
Die Klimafinanzierung bleibt im Fokus der Debatte in Belém: Nachdem bei der COP29 in Aserbaidschan mit 300 Milliarden USD jährlich ein nicht nur viel zu niedriges, sondern auch viel zu unbestimmtes und vages Klimafinanzierungsziel (new collective quantified goal on climate finance, NCQG) beschlossen wurde, werden von der COP30 weitere und konkretere Ergebnisse erhofft. Die “Baku to Belém Roadmap to 1.3 Trillion”, die in Baku auf den Weg gebracht wurde und einen Fahrplan vorlegen soll, wie das größere Finanzmoblisierungsziel von 1,3 Billionen USD, hauptsächlich aus Privatsektorflüssen jährlich erreicht werden kann, wird in Belém im Fokus stehen. Notwendig ist dafür allerdings ein konkreter Aktionsplan, nicht der in Aussicht gestellte Bericht der COP29- und COP30-Präsidentschaften, der nicht verhandelt ist. Stattdessen sollte eine detailliertere Entscheidung dazu auch die Schwachstellen des in Baku beschlossenen Klimafinanzierungsziels angehen, indem es klare Unterziele für Emissionsvermeidung, Klimaanpassung sowie Verluste und Schäden definiert. Vor allem für die Klimaanpassung hoffen viele Beobachter*innen auf eine deutliche Erhöhung, etwa eine Verdreifachung der Finanzierung bis 2030, das also über das alte Ziel der Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2025 hinausgeht.
Auch in Belém könnte es, wie bereits bei den Zwischenverhandlungen in Bonn, zu einem verzögerten Start kommen: Länder des globalen Südens drängten darauf, explizit über die Verpflichtung der Industriestaaten, öffentliche finanzielle Mittel bereitzustellen, zu reden – gegen den Widerstand der Industriestaaten. Diese Verpflichtung ist in Artikel 9.1 des Pariser Klimaabkommens festgeschrieben – wird aber von den Industriestaaten gerne vernachlässigt. Insgesamt sind Fragen der Qualität der Klimafinanzierung – Zuschüsse statt Kredite, die Verschuldung verstärken, erleichterter Zugang zu Geldern, auch für lokale Gemeinschaften, sowie Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit – weiterhin zentral in der Debatte.
Mehr Geld für Anpassung an die Klimakrise erforderlich
Klimaanpassung ist eine der Prioritäten der brasilianischen COP30-Präsidentschaft. Die Diskussion fokussiert sich hier auf das Globale Anpassungsziel (Global Goal on Adaptation, GGA), für das sich auf eine Liste von Indikatoren geeinigt werden soll. Kontrovers sind wiederum die Indikatoren, bei denen es ernst wird: Indikatoren für die Umsetzungsmittel – also die Bereitstellung von Finanzierung, Technologietransfer und andere Formen der Unterstützung. Der globale Süden fordert in diesem Zusammenhang auch ein neues Klimafinanzierungsziel im Bereich Anpassung: die Verdreifachung von Finanzflüssen für Anpassung von 2025 bis 2030. Zentral ist hier die sogenannte Qualität der Finanzierung: Gerade im Bereich Anpassung braucht es öffentliche Gelder, die als Zuschüsse bereitgestellt werden, während unbedingt verhindert werden muss, dass die bereits am stärksten betroffenen und auch oftmals hochverschuldeten Länder durch kreditbasierte Klimafinanzierung weiter destabilisiert werden.
Gerechter Übergang (Just Transition) und Emissionsreduktionen
Im Hinblick auf das Just Transition Work Programme (JTWP) gab es bei den Bonner Zwischenverhandlungen den größten Fortschritt und in aktuellen Verhandlungsentwürfen sind viele zivilgesellschaftliche Forderungen zu gesellschaftlichen Aushandlungen, Menschenrechten, die Einbeziehung von Sorge- und informeller Arbeit sowie die Forderung nach einem Fahrplan für den Ausstieg aus den Fossilen noch enthalten. Auch die unilateralen Handelsmaßnahmen wie das CO2-Grenzausgleichssystem der Europäischen Union (carbon border adjustment mechanism, CBAM) sollen diskutiert werden – wogegen sich die Industriestaaten weigern. Somit besteht hier insgesamt vorsichtiger Optimismus mit Blick auf die COP30.
Was das Thema Ambitionen bei der Emissionsreduktion angeht, wird der Fokus vor allem auf den bis zur COP30 eingereichten NDCs und die daraus resultierende Ambitionslücke zwischen aktuellen Klimaschutzanstrengungen und dem, was für einen 1.5-Grad-Pfad notwendig wäre, liegen. Ein Synthesebericht des UNFCCC-Sekretariats wird vor der COP30 veröffentlicht. Wichtig ist der Zusammenhang zur (ausbleibenden) Klimafinanzierung, da viele Länder des globalen Südens das Ambitionslevel ihrer nationalen Anstrengung davon abhängig machen, ob die finanzielle Unterstützung von den historischen Verursachern der Klimakrise geleistet wird. Die Klimafinanzierungsentscheidung der COP29 und die unklare “Baku to Belém Roadmap to 1.3 Trillion”, die vor allem auf Finanzierung aus dem Privatsektor setzt, lassen wenig Zuversicht aufkommen, dass die Ambitionslücke zu 1.5°C so geschlossen werden kann.
Internationale Kohlenstoffmärkte verschärfen die Klimakrise
Nachdem bei der COP29 die Umsetzung der internationalen Kohlenstoffmärkte unter Artikel 6.2 und 6.4 des Pariser Abkommens verabschiedet wurde, ist der Weg nun frei für großmaßstäbliche Klimakompensation – sogenanntes Offsetting. Die EU hat sich für ihr im Juli veröffentlichtes 2040-Klimaziel dazu entschieden, ebenfalls auf solche Zertifikate aus den internationalen Kohlenstoffmärkten zu setzen – eine Entscheidung, die viel Kritik auf sich zog. Im Fall der EU zeigt sich bereits, dass der internationale CO2-Handel die Klimaambition effektiv schwächt: Statt die Emissionen innerhalb der EU zu senken, wird sich zu einem Teil auf heiße Luft aus dem Ausland verlassen. Auch das verschärft die Klimaungerechtigkeit: Die größten historischen Emittenten müssen die ersten sein, die ihre heimischen Emissionen auf Null bekommen, anstatt (oftmals nur vermeintlichen) Klimaschutz einzukaufen.
Für den bilateralen CO2-Handel unter Artikel 6.2 sind die Regeln noch viel schwächer: Regierungen können miteinander vereinbaren, was sie möchten – und müssen ihre Deals auch nicht veröffentlichen. Transparenz und Kontrolle sind nicht vorgesehen.
Gleichzeitig besteht die große Gefahr, dass die Einkünfte aus CO2-Handel zunehmend als Klimafinanzierung deklariert und ausgegeben werden – und somit die Notwendigkeit tatsächlicher, öffentlicher Klimafinanzierung überschatten oder gar ersetzen.
Bei den Zwischenverhandlungen in Bonn 2025 wurde nur zu den nicht-marktbasierten Ansätzen unter Artikel 6.8 verhandelt – aber auch hier besteht die Gefahr, dass marktbasierte Ansätze durch die Hintertür Einzug halten.
Verluste und Schäden: Neues Momentum?
Nachdem bei der COP28 zwar der politische Durchbruch gelang und ein Fonds für Verluste und Schäden (FRLD) eingerichtet wurde, ist die politische Aufmerksamkeit deutlich zurückgegangen. Der Fonds ist erheblich unterfinanziert – lediglich etwas Anschubfinanzierung ist bislang eingegangen. Noch vor der COP30 wird erwartet, dass der Fonds eine langfristige Fundraising-Strategie vorlegt. Die internationale Zivilgesellschaft erhöht den Druck durch eine #FillTheFund-Kampagne. Viele fordern daher auch die Wiederaufnahme der Debatte durch einen eigenen Tagesordnungspunkt bei der COP. Auch die Diskussion zur Überprüfung des Warschauer Mechanismus zu Verlusten und Schäden muss wieder aufgenommen werden, die zuletzt in Baku zu keiner Einigung gelangte.
Globale Bestandsaufnahme:
Die erste globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) endete 2023 in Dubai. In Belém geht es nun um die Zukunft dieses Prozesses. Diskutiert wird, ob künftig auch Verluste und Schäden als eigener Themenbereich in die Bestandsaufnahme aufgenommen werden sollen sowie die Rolle der Wissenschaft, insbesondere des IPCC. Kontrovers ist auch, ob die Umsetzung der Globalen Bestandsaufnahme sich vor allem auf das Thema Klimafinanzierung konzentrieren oder auch andere Ergebnisse der Bestandsaufnahme verfolgen sollte (etwa das Ziel, die Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen oder die Energieeffizienz zu verdoppeln).
Gender und Menschenrechte:
Die COP30 fällt in eine Zeit eines erheblichen Backlashs gegen Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit, der schon länger in der Klimarahmenkonvention zu beobachten ist. Trotzdem besteht die Hoffnung, dass in Belém ein neuer Gender-Aktionsplan verabschiedet werden kann. Fragen der Finanzierung sind auch hier kontrovers – auch im Hinblick auf das Mandat des Gender-Aktionsplans, Geschlechtergerechtigkeit in der Klimafinanzierung zu adressieren. Zudem stoßen zentrale Themen wie die Anerkennung unbezahler Sorge-Arbeit, Intersektionalität und gender-diverse Terminologie bei einigen Regierungen auf Widerstand.
Es wird sich zeigen, inwieweit auch das IGH-Gutachten dafür genutzt werden kann, die umfassende Anerkennung von Menschenrechten in den Klimaverhandlungen einzufordern.
Die brasilianische COP-Präsidentschaft: Hoffnungen und Herausforderungen
Die brasilianische COP30-Präsidentschaft unter Andrea Correa do Lago und Ana Toni gilt als engagiert und dialogbereit. Es gibt intensive Austausch- und Beteiligungsformaten für indigene Gruppen, Jugendliche und die Zivilgesellschaft. Das ist allerdings auch ein Versuch, innenpolitische Spannungen abzufedern: Der politische Druck von Erdöl- und Agrarsektor ist hoch, das neue Gesetz zur Aufweichung von Umweltstandards sorgt national und international für Kritik, und die Regierung Lula verliert zunehmend Handlungsspielraum, da ihre Machtbasis schwindet – bis hin zum möglichen Machtverlust bei der nächsten Wahl in 2026.
Zudem drohen außenpolitische Verwerfungen etwa durch hohe US-Strafzölle, die Brasilien politisch unter Druck setzen sollen, sowie politische Spannungen rund um den früheren Präsidenten Bolsonaro. All das setzt die brasilianische Präsidentschaft unter Druck, in Belém einen diplomatischen Erfolg zu erzielen.
Der soll auch erreicht werden durch den offiziellen Startschuss für die Tropical Forests Forever Facility (TFFF) – ein neues Finanzierungsinstrument für den Waldschutz in tropischen Ländern, das die brasilianische Regierung erstmals in 2023 vorgestellt hat. Dieses unterscheidet sich von vorherigen marktbasierten Instrumenten insofern, als dass der Waldschutz nicht durch Einnahmen durch Klimakompensation von fossilen Emissionen finanziert werden soll (offsetting). Stattdessen ist das zentrale Instrument des TFFF ein Investmentfonds mit öffentlicher und privater Beteiligung, der etwa in Staatsanleihen und anderes investiert. Aus der erzielten Rendite sollen dann Zahlungen an die Länder mit tropischen Wäldern gehen: jährlich 4 USD pro Hektar Wald, der erhalten wurde – davon abgezogen werden Abzüge für entwaldete oder degradierte Flächen. Während der Vorschlag von einigen als ein (Fort-)Schritt weg von der konventionellen marktbasierten Logik für Waldschutz gesehen wird, kritisieren andere ihn deutlich, und zwar sowohl auf Waldschutz- als auch auf Investitionsseite.
Zuletzt ist die Logistik der COP30 in Belém weiterhin ein großes Fragezeichen – mit vielfach unbezahlbaren Preisen für Unterkünfte und genereller Unklarheit darüber, wie die Amazonas-Stadt das Großevent Klimakonferenz logistisch bewältigen soll. Neben den offiziellen Verhandlungen sind auch vielfältige zivilgesellschaftliche Austauschräume geplant, darunter die Cúpula dos Povos, der “People’s Summit” der COP30.