Gerechtigkeit – eine Leerstelle der Grünen Ökonomie

Märkte sind nicht geeignet, soziale Gerechtigkeit herzustellen oder umfassend ethische Fragen zu beantworten. Seltsamerweise haben solche Überlegungen in der Grünen Ökonomie des Mainstreams keinen hohen Stellenwert.

Märkte können viel, ihr zentraler Platz in den modernen Ökonomien ist kein Zufall und nicht das Ergebnis des Agierens böser Menschen oder Mächte. Märkte haben sich als enorm erfolgreich erwiesen. Sie sind effizient in der Allokation von (knappen) Ressourcen – Allokationseffizienz ist der Kern des Erfolges von Märkten –, und genau darauf berufen sich immer wieder diejenigen, die marktbasierte Instrumente im Klima- und Umweltschutz propagieren. Zwar sind in letzter Zeit – insbesondere nach der Finanzkrise – Zweifel an der Effizienz von Märkten laut geworden, doch lassen wir dies dahingestellt.

Märkte können Effizienz. Aber sie sind nicht geeignet, soziale Gerechtigkeit herzustellen oder umfassend ethische Fragen zu beantworten. Natürlich gibt es marktorientierte Ansätze, die Gerechtigkeit und ethische Orientierung fordern wollen: wie etwa Fair Trade, solidarische Ökonomie oder ethisches Investment und ethisch motivierter Konsum. Solche Ansätze können wichtige Motivationen für Veränderung sein und neue Akteure stärken, die vorhandene Machtstrukturen beeinflussen. Ihr Marktanteil ist aber bislang äußerst beschränkt: Trotz beachtlicher Steigerungszahlen liegt der Anteil von Fair-Trade-Kaffee bei 2,1 Prozent. Bei Honig und Wein ist der Fair-Trade-Anteil in den letzten Jahren sogar wieder gesunken. Der Anteil ethischer Investments liegt trotz hoher Zuwachsraten bei 1,3 Prozent (2012). Auch können etwa durch Kampagnen, die ökologische und ethische Kriterien einfordern, Entscheidungen von Unternehmen beeinflusst werden.

Aber der Einsatz von nachhaltigem Palmöl in Nutella verhindert allein nicht die Epansion der Produktion von Palmöl. Auf keinen Fall sollten solche Ansätze gegen Regulierung ausgespielt werden, wenn nicht allein „Konsum mit gutem Gewissen“ die Perspektive ist, sondern eine gesellschaftlich-ökonomische Transformation.

Begrenzung von Marktmechanismen

Dass Märkte nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun haben, ist nicht ganz unumstritten, aber doch weitgehend akzeptiert. Ineffizienz produziert erst recht keine soziale Gerechtigkeit, das haben verkorkste sozialistische Experimente nur zu deutlich bewiesen. Insofern kann man durchaus argumentieren, dass effiziente Märkte und eine funktionierende Wirtschaft die Basis für soziale Gerechtigkeit seien. Aber Märkte tragen eben nicht automatisch dazu bei. Deshalb werden in allen modernen Demokratien Marktmechanismen durch staatliche Umverteilung, durch eine progressive Steuererhebung, durch Sozialsysteme und Sozialpolitik oder durch einen Mindestlohn begrenzt und modelliert. Die Ausgestaltung dieser staatlichen Eingriffe ist ein zentraler Punkt aktueller politischer Debatten.

Seltsamerweise haben solche Überlegungen in der Grünen Ökonomie des Mainstreams keinen hohen bzw. systematischen Stellenwert. Wenn „Put a price on carbon!“ der zentrale Steuerungsmechanismus sein soll, dann muss sich aber sofort die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit stellen. Preise können Allokation steuern – insbesondere dadurch, dass sie den effizienten Umgang mit Energie und Ressourcen fördern. Eine wirksame Bepreisung von CO2 würde sich – wie schon skizziert – unmittelbar in höheren Preisen für Benzin, Strom und Heizung niederschlagen, und die Preise müssten, um Wirkungen zu zeigen, tatsächlich deutlich steigen. Ein Literpreis von circa 2,50 Euro beispielsweise würde viele Kleinverdiener hart treffen, für die SUV-Konsumenten jedoch kaum ein größeres Problem sein. Ein Problem hat sicherlich jede demokratische Partei, die solch einen Anstieg der Benzinpreise in ihr Wahlprogramm schreibt.

Die Probleme bei einer sozialen Gestaltung von Energiepolitik sehen wir gerade bei der Energiewende. Denn „der Effekt von Steigerungen beim Strompreis trifft Haushalte mit geringem Einkommen doppelt so stark wie die oberen 70 Prozent der Einkommen. Hier liegt das zentrale Argument: Die Kosten der Energiewende, die derzeit größtenteils auf den Strompreis aufgeschlagen werden, fordern von den ärmsten 30 Prozent ein überproportional hohes Opfer im Vergleich zu den oberen 70 Prozent der Einkommen“.

Fehlende soziale Dimension der Energiewende

In Deutschland gewöhnt man sich langsam an den Begriff „Energiearmut“ – ein allerdings nicht eindeutig definierter Begriff. Ein Versuch, das Phänomen zu fassen, misst die Zahl der Haushalte (mit geringem Einkommen), die mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie ausgeben müssen. Deren Anteil ist von 6,4 Prozent im Jahre 1988 auf 17,8 Prozent im Jahre 2012 gestiegen. Die fehlende soziale Dimension in der Energiewende gefährdet deren immer noch hohe Legitimation. Bei der Festlegung von Ausnahmen für die erhöhten Abgaben waren offensichtlich die (angebliche notwendige) Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie wichtiger als soziale Belange.

Eine wirksame Umsetzung der Strategie „Put a price on carbon!“ würde allerdings zu erheblich stärkeren sozialen Verwerfungen führen als die Energiewende. Eine entsprechende Antwort auf diese Frage sucht man in den Entwürfen der Grünen Ökonomie vergebens.Märkte sind auch nicht dazu geeignet, normative Entscheidungen zu treffen oder zu präjudizieren. Fragen wie der Atomausstieg oder das Verbot von gentechnischen Pflanzen können nicht durch Allokationseffizienz von Märkten entschieden werden. Nicht die Preise entscheiden hier, sondern normative Kriterien. Wenn dies nicht mehr möglich ist, dann werden normative Entscheidungen immer mehr zu Fragen des Marktes – und genau dies ist die Folge des zentralen Stellenwertes von marktbasierten Instrumenten in der Grünen Ökonomie.

Dies ist ein Auszug aus dem Buch Kritik der Grünen Ökonomie.