Bremens Ruf als weltoffene Stadt und die Realität der Notunterkünfte

Plakat mit der Aufschrift "Mein Wunsch: Hier in Deutschland bleiben (Isna)"
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Plakat mit der Aufschrift "Mein Wunsch: Hier in Deutschland bleiben (Isna)"

Die rot-grüne Flüchtlingspolitik stößt auf Widerspruch an der Basis. Und es gibt erste Proteste von Geflüchteten. 

Bremens grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert, die sich immer wieder für ihre Sparpolitik schelten lassen muss, will in der Flüchtlingshilfe nicht knauserig sein: „Bremen wird in diesem Jahr über 200 Millionen Euro dafür ausgeben. Wir tun, was wir können, damit Menschen auf der Flucht sich hier willkommen fühlen. Dabei helfen zahllose Ehrenamtliche und das unermüdliche Engagement der hauptberuflich Aktiven. Darüber bin ich froh und dankbar. Bremen wird seinem Ruf als weltoffene Stadt gerecht“, freute sich Linnert im September 2015.

Einerseits. Andererseits wurde in der Diskussion über das Asylverfahrens-Beschleunigungsgesetz deutlich, dass die Hilfsbereitschaft doch Grenzen hat. Der Bremer Senat wollte sich an der Suche nach einem bundespolitischen Konsens beteiligen, da ging es insbesondere um die Flüchtlinge aus dem Westbalkan. Die Mitgliederversammlung der Grünen nahm jedoch keine Rücksicht auf die Probleme der eigenen Senatorinnen, die mit dem Bau-, dem Sozial- und dem Finanzressort direkt verantwortlich sind für die konkrete Flüchtlingshilfe, und beschloss mit knapper Mehrheit:

„Insbesondere die Ausweitung der Liste der sog. ‚sicheren Herkunftsländer’ sowie die geplanten Schlechterstellungen der aus diesen Ländern einreisenden Menschen sind aus unserer Sicht eine untaugliche Abschreckungspolitik und werden weitreichende – nicht akzeptable - Auswirkungen auf die betroffenen Menschen haben. (…) Aus Verantwortung vor der deutschen Geschichte und zur Entlastung der Asylverfahren wird Roma aus den Balkanstaaten ein humanitärer Zuzug in Form jährlichen Kontingenten ermöglicht.“

Die Grünen lassen ihre eigenen Senatorinnen und Senatoren im Regen stehen, so wurde dieser Beschluss intern kommentiert. Das „Nein“ der Grünen bedeutete für den Bremer Senat, dass er im Bundesrat sich der Stimme enthalten musste beim sog. „Asylkompromiss“.

Was von der Willkommenskultur übrig bleibt

Die bundesweite Diskussion hat derweil offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt - kaum noch Flüchtlinge aus diesen Ländern erreichen inzwischen Bremen. Das hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Neuankömmlinge gesunken ist, freuen sich die Verwalter der Notunterkünfte. 

Auch der beschwerliche Weg über das Meer und die „Balkan-Route“ wirkt als effektives Instrument der „Abschreckungspolitik“: Er schließt ältere Menschen und Frauen mit Kindern weitgehend von der Möglichkeit der Flucht aus. Der Versuch, Familienzusammenführung zu blockieren, bestätigt diese Tendenz und hat nichts mehr zu tun mit der proklamierten „Willkommenskultur“.

Die Erwartungen der Flüchtlinge werden zudem systematisch frustriert durch das Bemühen der kommunalen Behörden, bei allen ihre Maßstäbe und ihre Verwaltungsvorschriften möglichst nicht zugunsten pragmatischer Lösungen außer Kraft zu setzen. Schon gibt es erste Protest-Kundgebungen von Menschen, die angesichts der Unsicherheiten verzweifeln in der wochenlangen Wartezeit 
- ohne eine klare Auskunft, wie es weitergehen könnte, 
- ohne die Chance, eine neue Lebensgemeinschaft zu finden,
- ohne Privatsphäre in den Zwangsgemeinschaften der Notunterkünfte,
- ohne eine klare Vorstellung, ob sie einmal Arbeit finden können und schließlich 
- ohne Hoffnung, dass die Familienmitglieder nachkommen können.

In den Flüchtlingsunterkünften herrscht Enttäuschung, nicht „Willkommenskultur“.

Weitere Beiträge zur Flüchtlingspolitik in Bremen finden Sie auf der Länderseite unseres Dossiers "Wie schaffen die das? Die Flüchtlingspolitik der Länder" (zur Startseite).