Eine lebenswerte Stadt für alle!

Zukunftsvision

So könnte ein Tag in der Stadt nach der Verkehrswende aussehen: Busse, E-Bikes, Fahrräder, breite Gehwege und Zebrastreifen.

Grafik Kommunale Verkehrswende. E-Auto. Fahrrad. ÖPNV.

Morgens, 7.45 Uhr: Simon, 52, sitzt in der S-Bahn. Er ist auf dem Weg zur Arbeit – einer der zahlreichen Pendler/innen, die morgens aus den umliegenden Gemeinden in die Stadt fahren. Früher hat er das Auto genommen und stand regelmäßig im Stau im Berufsverkehr. Aber seit die Stadt den S-Bahn-Takt erhöht und die Abfahrtszeiten der Busse auf die ankommenden Züge abgestimmt hat, lässt er den Pkw stehen. Zwar muss er am Bahnhof umsteigen, aber er kommt trotzdem schneller an als mit dem Auto. Wenn es regnet, nimmt er den Bus. Simon schaut aus dem Zugfenster nach draußen. Die Sonne scheint. Heute wird er auf ein Leifahrrad umsteigen, das an der Mobilitätsstation am Bahnhof bereitsteht. Wenn er im Büro ankommt, fühlt er sich frischer und konzentrierter, als das früher der Fall war.

Mariella kann alleine zur Schule

Mariella, 8, kommt mit ihrem Tretroller aus der Haustür. An der Ecke wartet schon Maxim. Er geht in die gleiche Klasse. Mariellas großer Bruder durfte in der dritten Klasse noch nicht allein zur Schule fahren. Zu gefährlich, meinten seine Eltern damals. Aber vor einiger Zeit hat die Stadt hier im Viertel eine sichere Tempo-30-Zone eingerichtet, die Straße zu einer Einbahnstraße gemacht und beidseitig die Fußgängerwege verbreitert. Jetzt können die beiden ohne Probleme den Rollstuhlfahrer überholen, der auf dem Weg zum Supermarkt ist. Nur vor der Schule müssen Mariella und Maxim über die Straße. Hier gibt es eine Ampel, an der sie einige Klassenkamerad/innen treffen. Früher war hier nicht mal ein Zebrastreifen. An der Schule angekommen schließen die beiden ihre Roller an dem dafür vorgesehenen Ständer an und machen sich auf den Weg über den Schulhof.

Mirceas E-Cargo-Bike erleichtert ihm die Arbeit

10.30 Uhr: Mircea, 28, arbeitet für einen Paketdienst. Er benutzt ein E-Cargo-Bike mit Chassis und einem abnehmbaren Ladecontainer. Die Pakete holt er an einem Mikrodepot am Rande seines Bezirks ab. Das Chassis schützt ihn vor Wind und Regen. Da das Gefährt trotzdem als Fahrrad gilt, kann er das gut ausgebaute Radnetz der Stadt benutzen. Seitdem muss er auch nicht mehr ständig mit dem Lieferwagen auf Gehwegen oder in der zweiten Reihe parken. Das gab oft Ärger mit anderen Verkehrsteilnehmer/innen. Er arbeitet jetzt entspannter. Sein Unternehmen hat bei den Fahrzeugen Geld und Kraftstoff gespart und von einem Förderprogramm für Cargo-Bikes profitiert. Dafür gibt es jetzt mehr Fahrer/innen, die besser bezahlt werden. Sie holen die Sendungen von dezentral gelegenen Mikrodepots ab und bringen sie schnell zu den Kunden. Die wenigen ganz großen Lieferungen übernimmt der Elektro-Lieferwagen.

Kommunale Verkehrswende

E-Mobilität, Ride Sharing, ÖPNV: Wir zeigen die besten Praxisbeispiele für die kommunale Verkehrswende in Deutschland und Europa. Und fragen: Wie sieht die lebenswerte Stadt der Zukunft aus?

Antworten gibt es in unserem Dossier zu Kommunalen Verkehrswende. 

Zusammen auf dem Radweg zur Uni

Aylin, 23, ist auf dem Weg zur Uni. Sie nutzt den Radschnellweg, der das Quartier, in dem ihr Studentenwohnheim steht, mit der Universität verbindet. Sie fährt mit anderen Radfahrern und Radfahrerinnen an der Zählstation vorbei und beobachtet, wie der digitale Zähler umspringt. Jeden Tag fahren hier fast 10.000 Fahrräder durch. Im Winter nimmt Aylin manchmal die Straßenbahn. Aber wenn es das Wetter erlaubt, fährt sie lieber mit dem Rad. Das macht gute Laune und wach, auch wenn sie mal bis spät an ihrer Hausarbeit saß. Auf dem Schnellradweg fühlt sie sich sicher. Es ist genug Platz für alle Radfahrer/innen, und sie muss sich nicht vor rechtsabbiegenden Lkw in Acht nehmen. An der Uni angekommen, stellt Aylin das Rad an den überdachten Stellplätzen ab. Ihre Freundin Martha ist mit dem Pedelec gekommen und lädt es an einer Ladestation auf. Aylin nimmt den Rucksack aus dem Fahrradkorb und macht sich auf den Weg ins Seminar.

Edith bleibt auch im Alter mobil

Zur gleichen Zeit kommt Edith, 78, aus dem Seniorenheim. Als sie ins Heim kam, wollte sie in der Stadt bleiben. Sie mag die Natur, aber wichtiger ist ihr, dass sie noch selbstbestimmt Besorgungen machen kann. Das Heim hat einen schönen Garten. Und seit die Kommune die Innenstadt zur Umweltzone erklärt hat, in die nur Elektrofahrzeuge fahren dürfen, ist auch die Luft viel sauberer geworden. Edith kann mit dem Rollator gut laufen, auch wenn sie langsamer ist als früher. Sie wohnt in einem Mischquartier: Den Friseur, das Café und die wichtigsten Ärzte kann sie gut erreichen. Allerdings ist das nur möglich, weil die Ampeln fußgängerfreundlich geschaltet sind. Sie hat genug Zeit, um über die Straße zu kommen. Wenn sie etwas weitere Wege hat, kann sie den Bus nehmen, der vor dem Seniorenheim hält. Der Einstieg ist bündig zur Bürgersteigkante, sodass sie gut einsteigen kann. Weil es in der Innenstadt genug Bänke und schöne Sitzgelegenheiten gibt, ist auch ein weiterer Weg nicht zu anstrengend.

Mehr Platz dank verringertem Parkraum

12.30 Uhr, Kathrin, 45, und Robert, 43, machen Mittagspause. Früher war hier, mitten in der Stadt, eine große Parkfläche, die nur samstags für den Markt gesperrt wurde. Jetzt hat die Stadt den Parkraum in der Stadt reduziert und dafür das ÖPNV-Angebot verbessert. Seitdem stehen hier jeden Tag Stände, an denen Bauern aus dem Umland frisches Obst und Gemüse anbieten. Food-Trucks locken mit leckeren Mittagsangeboten. Die Stadt hat eine Freitreppe mit Sitzgelegenheiten geschaffen und auf dem Platz mehrere Bäume gepflanzt. Früher sind Kathrin und Robert oft ins Restaurant gegangen. Aber jetzt sitzen sie lieber hier, genießen das günstige Essen und beobachten den Markttrubel. Seit hier über Nacht keine Autos mehr stehen, wird der Platz auch abends genutzt – für Public Viewing, Sommertheater oder Feste und Konzerte. Vor ein paar Jahren hatte Kathrin noch überlegt, wegzuziehen. Aber heute ist die Aufenthaltsqualität viel höher und sie fühlt sich in ihrer Stadt immer wohler.

Der Shuttletransport erleichtert Arbeitswege

16.30 Uhr: Benno (32), Marian (29) und Gerhard (63) arbeiten in dem am Stadtrand gelegenen Industriepark. Fertigungshallen, Technologielabore und IT-Zentren liegen hier nah beieinander. Vor der Fertigungshalle steht ein autonomes E-Bus-Shuttle, in das zwanzig Passagiere passen. Jetzt, am Nachmittag, füllt sich das Shuttle schnell und fährt zur nahe gelegenen Mobilitätsstation. Benno hat hier sein Pedelec abgestellt, Marian steigt in ein elektrisches Carsharing-Auto und Gerhard nimmt die S-Bahn. Jeder kann die beste Variante für sich wählen, sie alle sind in zwanzig Minuten zu Hause. Zeit fürs Wochenende!

Gut gelaunt durch die Nacht dank Mobilitätsabo und -app

20.30 Uhr: Robin (19), Farhad (18), Lena (18) und Steffi (19) haben sich bei Robin getroffen. Sie wohnen in einer der umliegenden Gemeinden. Die Azubis haben eine anstrengende Woche hinter sich, und jetzt wollen sie in den Club zum Tanzen. Auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei hat sich ein Kulturzentrum entwickelt, mit Kino, Kneipen und Clubs. Wie kommen sie am besten hin? Nur Steffi hat einen Führerschein, aber ein Auto hat sie auch nicht. Die vier suchen den besten Weg mit ihrer Mobilitätsapp. Ihr Ausbildungsplatz zahlt ihnen einen Zuschuss zu ihrem Mobilitätsabo, und mit der App können sie bequem den schnellsten Weg finden und mit einem Klick ein Ticket für alle Verkehrsträger buchen. Laut App nehmen sie erst den Bus und steigen dann auf E-Scooter um. Und auf dem Rückweg? Wenn Steffi nicht trinkt, nehmen sie sich ein Carsharing-Auto, das reservieren sie schon mal. Und wenn doch? Dann suchen sie sich noch ein paar Kumpels und rufen das städtische Sammeltaxi. Geht auch per App.