Emissionshandel: Anreiz zur Dekarbonisierung der Wirtschaft

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Die Dekarbonisierung der Wirtschaft sorgt für einen Innovationsschub. Durch neue Technologien entsteht umweltfreundliche Wertschöpfung. Um in allen Sektoren von fossilen Rohstoffen wegzukommen, braucht es weitergehende Maßnahmen.

Bestand, Umnutzung und Stand des Ausbaus bis zum Jahr 2030
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Deutschland kann grünen Wasserstoff nicht selbst in der benötigten Menge herstellen. Deswegen braucht es eine Importstrategie.

 Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass die bisher beschlossenen Ziele zur Dekarbonisierung nicht ausreichen, um die Klimakrise aufzuhalten. Dennoch ist die Transformation möglich, wenn die notwendigen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Erste Schritte sind getan: Deutschland hat allein seine Stromversorgung von einer weitgehend fossilen Erzeugung in den 1990er-Jahren auf einen Anteil von 46 Prozent erneuerbarer Energien im Jahr 2022 umgestellt. Europas Durchschnitt lag im selben Jahr bei gut 20 Prozent. 

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Der Wirtschaftsatlas 2024

Die Klimakrise, schwindende Ressourcen und Umweltverschmutzung fordern einen Wandel. Unternehmen und Banken müssen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung priorisieren. Neue Gesetze sollen Verschwendung stoppen und die Infrastruktur modernisieren. Der Wirtschaftsatlas 2024 der Heinrich-Böll-Stiftung diskutiert die Maßnahmen und gibt einen Überblick über die Wirtschaftsgeschichte.

 

Neue Technologien, die die Quote an Erneuerbaren insgesamt erhöhen, sind auf dem Vormarsch oder werden erprobt: Neben der zunehmenden Nachfrage nach Wärmepumpen zur Beheizung von Gebäuden werden besonders Stromspeicher wichtig, da sie das Stromnetz stabilisieren können, um die Versorgung vollständig auf erneuerbare Energiequellen umzustellen. Über den Ausbau und die digitale Steuerung der Stromnetze in Kombination mit neuester Messtechnik können Stromproduktion und -bedarf aufeinander abgestimmt werden. Darüber können Schwankungen bei Windkraft und Photovoltaik, verursacht durch Flauten oder Bewölkung, in Zukunft besser ausgeglichen werden.

Die Entwicklung und der Einsatz dieser Technologien wurde durch Änderungen wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen beschleunigt, so beispielsweise über ein Förderprogramm im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Der weitere Ausbau umweltfreundlicher Energiegewinnung sowie die Dekarbonisierung der Gebäudewärme, der Industrie und des Verkehrs stellen trotz sinkender Entwicklungskosten aber weiterhin eine Herausforderung dar. Zwar gibt es bereits viele Innovationen, um Emissionen einzusparen. Oft sind diese Technologien aber noch teurer als bestehende Anwendungen. 

Um in allen Sektoren von fossilen Brenn- und Rohstoffen wegzukommen, müssen weitere regulatorische Maßnahmen getroffen werden sowie Anpassungen an den Markt erfolgen, damit sich die Transformation zeitnah selbst trägt. Die Versicherungsbranche und der Finanzmarkt wenden bei ihren Bewertungen bereits Kriterien an, um Nachhaltigkeitsrisiken in Unternehmen und bei Investitionen sichtbar zu machen. Wenn Hersteller*innen und Verbraucher*innen für die von ihnen verursachte Umweltverschmutzung zahlen müssen, können sich Nachhaltigkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung mehr lohnen als deren Missachtung. 

Jahreserlöse für Deutschland  durch Auktionen von Emissionsrechten  nach Typ, in Milliarden Euro.
Eine Obergrenze legt in der EU fest, wie viel Treibhausgas von emissionshandelspflichtigen Anlagen insgesamt ausgestoßen werden darf.

Ein Beispiel dafür ist der europäische Emissionshandel, den es seit 2005 gibt. Dabei müssen von der Industrie Verschmutzungsrechte (Emissionszertifikate) pro ausgestoßener Tonne CO2 erworben werden. So bekommen Unternehmen einen Anreiz, ihre Emissionen drastisch zu verringern. Wer weniger emittiert, muss weniger bezahlen und hat einen Wettbewerbsvorteil. Das nationale Emissionshandelssystem in Deutschland startete 2021 mit einem Festpreis von 25 Euro pro Tonne CO2. Die staatliche Deutsche Emissionshandelsstelle, die im Umweltbundesamt angesiedelt ist, verkauft Zertifikate an die Unternehmen, die Heiz- und Kraftstoffe in Verkehr bringen. Der CO2-Preis liegt seit Januar 2024 bei 45 Euro pro Tonne.

Solche Anreize für Unternehmen zu etablieren ist jedoch mit Risiken behaftet. Führt eine Regierung ein nationales System mit CO2-Zertifikaten ein, erhöhen sich die betriebswirtschaftlichen Kosten bei den betroffenen Unternehmen. Wird in anderen Ländern kein vergleichbarer Preis verlangt, kann sich das negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Industrie und damit das Wirtschaftswachstum auswirken. Weil dieses Risiko bislang gescheut wurde, liegen die Preise aktuell auf einem zu geringen Niveau und entfalten keine ausreichende Lenkungswirkung. Es besteht die Gefahr, dass die Produktion in Länder verlagert wird, in denen keine oder zu geringe Kosten auf Emissionen liegen. Um das zu vermeiden, ist die internationale Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg.  Der im Dezember 2022 von den G7-Staaten gegründete „Klimaclub“ ist deshalb eine bedeutsame Initiative, um Klimaziele durch harmonisierte Regulierungen effektiver umzusetzen. Ein Vorangehen der G7 kann ein wichtiges Signal setzen. Perspektivisch müssen aber auch die Entwicklungsländer eingebunden werden, da viel umweltschädliche Produktion von den westlichen Staaten in diese verlegt wird. Es gibt aber noch mehr Herausforderungen: so die steigende Nachfrage nach Seltenen Erden und anderen Rohstoffen für Technologien, die für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft dringend notwendig sind. 

Problematisch ist zudem der unregulierte Export immer größerer Mengen an Elektroschrott und Wegwerf-Textilien in den Globalen Süden. Den damit verbundenen Umweltrisiken muss die Staatengemeinschaft entgegentreten, etwa mit Konzepten zur Kreislaufwirtschaft. Nur so und stets in Kombination mit sozialem Ausgleich und den nötigen Investitionen in öffentliche Infrastruktur wird es gelingen, Anreize für die Wirtschaft so zu setzen, dass unternehmerisches Handeln erfolgreich zu fossilarmer Wertschöpfung führen kann.